49.

[227] Was gibt dem Freund, was gibt dem Dichter seine Weihe?

Daß ohne Rückhalt er sein ganzes Selbst verleihe:

Erleuchten soll er klar der Seele tiefste Winkel,

Ob auch ein Tadler ihn verlorner Würde zeihe.

Ihr Halben hofft umsonst, mit enger Furcht im Herzen,

Daß euer Lied man einst zu großen Liedern reihe:

Stumpfsinnige, was wähnt ihr rein zu sein? Ich hörte,

Daß keine Schuld so sehr, als solch ein Sinn, entweihe;

Ich fühlte, daß die Schuld, die uns aus Eden bannte,

Schwungfedern uns zum Flug nach höhern Himmeln leihe.

Noch bin ich nicht so bleich, daß ich der Schminke brauchte,

Es kenne mich die Welt, auf daß sie mir verzeihe!


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 227.
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