20. Die Wiege des Königs von Rom

[474] (In Parma)


Reichen Hausrats goldener Prunk erzähle

Jenes Manns Glorreichsten Moment der Nachwelt,

Jenes Manns, der kaum in der Gruft, und doch schon

Lange dahin scheint.


Denk ich sein jetzt, dessen ich kaum gedachte,

Als ich jüngst, bloß wenige Tage sind es,

Schaute, durch Herbstnebel hindurch, Marengos

Düsteres Blachfeld?


Ach, es stand damals in der Jahre schönstem

Mai der Held! Mißtrauischer Sorge fremd noch,

Frug er noch, was rühmlicher sei, die Krone,

Oder der Lorbeer?


Beide flocht tollkühn er in eins! Emporschlug

Seines Glücks aufsteigender Dampf, wie Abels:

Siege, Herrschaft über die Erde, höchstes

Friedliches Bündnis!


Große Nacht, doch schwanger an jedem Unheil,

Als des Ruhms Brautbette bestieg die blonde

Tochter Habsburgs; aber mit ihr des Schicksals

Mächtiger Neuling!


Horch! Die sonst mordsprühenden Feuerschlünde

Künden jetzt bloß zärtlichen Vaterjubel,

Und das Volk weiht freudeberauscht die goldne

Wiege der Fürstin.


Aber ach! Kein Wiegengesang der Liebe,

Waffenlärm schlug hart an das Ohr des Säuglings:

Eine Welt, schon lagert sie sich um seine

Tragische Kindheit.


Todesbleich steht zwischen Gemahl und Vater,

Bietend stets, den keiner ergreift, den Ölzweig,

Noch im Flor zartblühender Jugend, hülflos,

Flehend und hülflos
[475]

Sie, die Zier weitherrschenden Throns, von dem nun

Steigt herab ihr zagender Fuß bescheiden:

Wer verlor je stolzere Güter? Wer hat

Mehr zu verlieren?


Weib des stets Siegreichen, so vieler Cäsarn,

Welche Karls Reichsapfel und Zepter trugen,

Enkelin, (weh, Alles umsonst!) so vieler

Könige Schwägrin!


Mag verklärt nun oder umwölkt die Sonne

Leuchten, mag was immer geschehn, es füllt ja

Nie ein Herz mehr, dem so gering die Welt scheint,

Alles so tief liegt!


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 474-476.
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