28. An Karl den Zehnten

[481] Aus deiner Ahnherrn blühendem Reiche zogst

Umblickend oft auf lässigem Zelter du,

O zehnter Karl, von deiner Söhne

Frauen umjammert, der letzte Ritter!


Nicht lehrte Weisheit dich das erblichne Haar!

Nicht sendet nach weichherzige Seufzer dir

Frankreich, es weint dir nicht des Mitleids

Gastliche Träne der stolze Brite.


Dein eignes Volk mißkennend, und was die Zeit

Umstürzte, kalt aufnötigend, hieltest du's

Barbaren Gleich, die fern im Südost

Keuchen am Joch und das Joch beklatschen?
[481]

Nicht fleußt in Frankreichs Adern Kroatenblut!

Freudvoll begrüßt dreifarbige Wimpel schon

Europa, männlich aufgerichtet,

Ja, bis in Afrika jauchzt das Echo!


Längst sind der Zeit blutdürstige Greul gesühnt:

Blut floß von jeher, wann die verjüngte Welt

Neukräftig aufwuchs, blutig siegte

Christus und blutig erkämpfte Luther


Wahrheiten. Nicht mehr rufe die Manen an

Des Bruders, der klagwürdig und edel fiel,

Nicht aber schuldlos, seine Schwachheit

Trägt des Geschehenen schwerste Hälfte.


Uralte Blutschuld lastete lange schon

Auf Capets Haus, seitdem den erlauchten Sproß

Ruhmvoller Kaiser einst der schnöde

Bruder des heiligen Ludwigs abhieb.


Lern aus der Welt Jahrbüchern Gerechtigkeit,

Und stirb versöhnt! Dein sonstiges Volk, es sei

Bollwerk der Freiheit künftighin uns,

Glänzendes Edelgestein Europas!


Nie reiz es mehr blindwütender Frevel auf,

Und König Philipp herrsche gerecht und gut!

Viel hangt an ihm! Nie war so heilig

Irgend ein fürstliches Haupt, wie seins ist.


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 481-482.
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