18. Liebe den feind:

[129] Fast nichts ist in der schrift/ das mehr vnd schwerer scheint/

Als wenn der Herre wil/ daß man den feind sol lieben/

Daß man den retten sol/ der vns sucht zubetrüben

Daß man den gutes thue/ die vns gehässig seind.

Ein heid' ist nicht so blind/ er liebet seinen freund/

Das hat jhm die natur in 's hertz' hinnein geschrieben.

Bist du mehr als ein heid' vnd wilt den glauben üben

Wie Christus hie befihlt/ so liebe deinen feind.

Wenn er dich nun verflucht/ so wünsch' jhm Gottes segen:

Wenn er dir böses thut/ so sey du ihm hergegen

Geneigt/ vnd bitte Gott für jhn/ doch ohne schein:

Wenn dein feind hunger hat/ so gib jhm deiner speise[129]

Vnd tränck jhn/ wen jhn dürst (das ist der Christen weise)

So wirst du Gott dem Herrn mehr als ein heide seyn.

Quelle:
Deutsche Literatur, Reihe Barock, Erg.-Bd., Leipzig 1939, S. 129-130.
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