Nr. 146. Bau der zellerfelder Kirche.

[131] Wie die zellerfelder Kirche abgebrannt ist und wieder hat aufgebaut werden sollen, da hat jeder gegeben, wie er's gekonnt[131] und gehabt hat. Da ist aber ein armer Schelm gewesen, der hat nichts gehabt und hätte doch auch gern seinen Pfennig gegeben. Wie er so darüber nachdenket, was er wohl macht, da fällts ihm ein: I! wenn du einen Korb Schwämme holtest! Giebt's nicht viel, giebt's wenig und es giebt einer wohl einen Groschen mehr, wenn du sagst, was du mit dem Gelde machen willst. Also geht er stante pede in den Wald und verirrt sich, bis er auf einen freien Platz kommt, wo er sich umsiehet und nachrechnet, wo er wohl sein mag. Wie er so sich umsiehet, auf einmal haben ihn drei verlarvte Männer gepackt. Die halten ihn fest und verbinden ihm die Augen und führen ihn mit sich weiter und er merkt endlich, daß es eine Treppe hinab geht. Endlich wird stillgehalten und es wird ihm die Binde von den Augen genommen. Da ist er in einem großen Saal, der ganz köstlich ausstaffiert ist und viele Lichter brennen, so hell wie der Tag. Er hat sich nicht lange besinnen können. Denn da sitzen viele Männer, alle verlarvet, und einer verhöret ihn. Da verzählt er aufrichtig, wie's ihm gegangen ist und sagt, sie sollten ihm doch nun auch wieder seine Freiheit geben. Seine Frau und Kinder warteten gewiß mit Schmerzen auf ihn. Aber er wird nicht entlassen, sondern in ein anderes Zimmer geführet, wo man ihm Speise und Trank giebet und saget, er solle sich nur erst erquicken, und sich dann ruhig schlafen legen, morgen wolle man mehr mit ihm reden. Das Zimmer ist auch ganz prächtig gewesen und das Essen und der Wein und das Bette ist eben nicht gewesen als ob's Spitzbuben gehörete. Nachdem er sich erquickt hat, legt er sich zu Bett und denkt: Na! das ist eine schöne Geschichte! Wo bist du denn nun eigentlich? Spitzbuben sind's gewiß nicht; die wären nicht so manierlich mit dir umgegangen. Bist wohl gar unter die Venediger geraten. Hm! Da wärst du ja gerade recht gekommen. Am andern Morgen, das heißt, wie er geweckt wird, bekommt er erst wieder einen Trunk Wein und Backwerk dazu, und darauf wird er wieder vor die Herren geführt. Die sind da nicht mehr verlarvet und sind ganz ansehnliche Leute gewesen. Die fragen ihn, ob er nicht Lust hätte die Welt zu sehen; wenn er ehrlich wäre, könnte er ein reicher Mann werden. Ja, sagt er,[132] das ginge so nicht, er wisse ja auch nicht, wer die Herren wären, aber er dächte, sie müßten wohl Venediger sein, und da müßte er ja Frau und Kind verlassen und das wäre doch unrecht. Nun, sagt da einer, wir sehen, daß du eine ehrliche Haut bist und wenn du dir etwas wünschest, nun so sag's. Ja, sagt er, wenn sie ihm ein paar Groschen geben wollten, es wäre ihm doch so verdrießlich, daß er gar nichts geben könnte für die Kirche. Die Sammler kommen heute und am Ende könnte man denken, er sei nur so lange ausgeblieben, um nichts geben zu dürfen. Die Herren wären ja so reich, könnten wohl auch etwas thun für den Aufbau der Kirche. Da giebt's ein lautes Gelächter. »Na, so suche dir etwas aus.« Da führt ihn ein Mann in ein anderes Zimmer, und zeiget ihm ganze Fässer voller Pistoletten. »Nun, willst du nicht zugreifen?« – »O ja! werde mich hüten; hieße am Ende gar, ich hätt' es gestohlen!« – »Nun, des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Da, weiter haben wir nichts für dich.« Damit giebt ihm der Mann eine blecherne Henne. Auch gut, denkt mein Bergmann, und bedankt sich. Darauf werden ihm wieder die Augen verbunden und so wird er wieder abgeführt. Wie ihm die Binde abgenommen wird, befindet er sich auf einem Wege. Er kennt ihn, es ist der Weg nach Zellerfeld gewesen. Er kommt nach Haus. Na, Gottlob! ruft seine Frau, aber wo hast du denn so lange gesteckt? Na, nur stille! mir ist's wunderlich gegangen. Und da verzählte er. Aber was sollen wir denn nun mit dem Dinge machen? heißt es. Und während sie das Ding so um und um betrachten und betasten, da auf einmal öffnet sich unter dem Bauche der Henne ein Kläppchen, und es fallen lauter Goldstücke heraus, alle wie kleine Küchlein gestaltet. Da ist's Freude gewesen im Hause, und der arme Schelm ist auf einmal reich geworden und hat die zellerfelder Kirche gebauet. Und zum Wahrzeichen hat er die Glucke mit den Küchlein über den Kirchthüren in Stein abbilden lassen.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 131-133.
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