XIX. Von Thier-Leuten. Bestialischen /verwilderten Kindern.

[255] Weil allerhand Arten dieser Menschen seynd / die Theils zu unsere Sache gedeyen / Theils auch nicht: So wollen wir anfänglich solche Beyspiele anführen /welche dennoch zu den rechten Menschen gehören; Ungeachtet ob sie gleich was Thierhafftiges an sich haben. Als lieset man dieses beym Joh. Henric. Ursin. in Acerrâ Philol. lib. 4. cap. 74. pag. 360. etc. Ob Alexander von einer Schlangen sey gebohren worden? Nemblich er wolte für einen Sohn Jovis Ammonis gehalten seyn. Und lautet die Fabel also; Daß sein Vater Philippus gesehen habe eine greuliche grosse Schlange / so bey seiner Frauen Olympiade geschlaffen: Und drüber habe er sein ein Auge verlohren / welches an einem Splitter der Thüre wäre hangen geblieben / als[255] er durch eine Ritz oder Krinse / das Hahnreihische Geheimnüß ansehen wollen. Nun soll aber die Olympias in Gewohnheit gehabt haben / bißweilen das Heydnische Fastnacht-Fest / nach Art der herumbschwermenden Weiber oder Baccharum zu feyern: Darbey sie sich der Stäbe gebrauchet hat / so mit Schlangen waren umdflochten gewesen; Die auch wohl ungefähr bey ihrem Bette hernach seynd geleget worden. Denn bey der Stadt Pella in Macedonien / hat es sehr viel und mächtig grosse Schlangen gegeben / die aber keinem geschadet haben / in dem sie auch wohl bey den Kindern in ihren Bettgen gefunden worden / ja von den Müttern selbst ernehret / und aus den Brüsten seynd geträncket worden. Da sie sich denn solcher Gestalt zu verhalten gewust / daß sie keinen Menschen verletzet haben / wenn sie auch sehr seynd gedrücket und mit Füssen getreten worden. Und daher meynet Lucianus, daß Anlaß sey genommen worden / zu der Fabel des Alexandri / wie er von einer Schlangen gezeuget wäre / in Pseudo-mant und Plutarch in vita Alex. Maced.

2. Weiter schwatzet man auch von dem Scipione Affricanô, dem Uberwinder des Hannibalis und der Carthaginenser / daß er auf gleiche Weise sey empfangen worden: Da sonsten seine[256] Mutter unfruchtbar gewesen / also daß sein Vater daran gezweiffelt hat / daß er einig Kind mit ihr zeugen würde: Da soll man / in Abwesenheit des Vaters / eine grosse Schlange bey der Mutter im Bette gefunden haben. Derentwegen spricht man auch / daß Er in seinen letzten Zeiten des Lebens / alß er bald sterben wollen / offt vor Tage in der Frühstund / ins Capitolium zu gehen gewohnt gewesen / unnd in der Capell des Jovis lang verblieben sey / gleichsamb als wenn er mit ihm wichtige Sachen wegen des gemeinen besten abhandelte / darüber sich denn auch die Küster verwundert haben / daß ihn die Hunde also frey haben auß und eingehen lassen / welche doch zu solcher Unzeit andere Leute sehr angefallen und gebissen haben: Gegen ihn aber hetten sie nicht einmahl gebellet. Agell. lib. 7. cap. 1. Aber die Hunde des Teuffels bellen niemand sehrer an / als die Diener des rechten GOttes.

3. Hierzu kann nunmehr folgendes füglich gesetzet werden auß Libavio pag. m. 515. l. 6. Hexaëm. und Cardan. lib. 7. Varieter. der vermeynet / daß nicht so wohl die Species im Menschen / als andere accidentia verändert werden / welches leichte zu verstehen ist / wegen der Unterschiedligkeit der Elementen. Denn wenn Leute aus Europa in Americam kommen; Oder[257] umbgekehrt von da hieher; Solche werden ziemlich von der fremden Speise / außländischen Sitten und Gebräuchen alteriret und etwas verändert. Denn es lernet mancher hincken / aus der Gesellschafft / wenn er mit einem hinckenden umbgehet: Wie denn auch die jenigen / so von Thieren sind ernehret worden / sich gantz Viehisch gestellet haben. Also ist einer am Babebergischen Hofe gewesen / der zwischen das wilde Vieh auferzogen geworden; Solcher ist auff allen vieren herumb gekrochen / hat sich wie ein Affe über Tisch und Bäncke geworffen / und mit den Hunden in die Wette gebellet. Bey den Curetern soll ein anderer / der mit einer Hündin ümbgangen / trefflich schnell haben lauffen gelernet. Ein anderer Knabe / so von Wölffen ist weggenommen und groß gezogen worden / hat wilde Thiere mit seinem einlauffen können fangen: Ja er hat auch lieber mit den Wölffen wollen ummgehen als mit den Menschen. Camerar. Weiter lieset man auch in denen Historien / daß noch ein ander Kind von einem wilden Thiere sey erzogen worden: Der sich hernach mit Fleiß in die Wildnisse begeben / Wildprat gefangen / und allda verblieben ist.

4. Hierzu schicket sich sehr fein nachfolgendes / auß Matt. Grundmanns Geist- und Weltliche[258] Geschicht-Schule pag. 386. etc. Im Jahr Christi 1341. ist im Hessen (wie Düllichius part. 2. seiner Hessischen Chron. schreibet) ein wildes Kind von 7. (oder wie andere melden) von 12. Jahren / auf der Jagt gefangen und Landgrafen Heinrico gen Marpurg zugebracht worden / welches / wie hernach Bericht einkommen / im dritten Jahr seines Alters von den Wölffen weggetragen unnd in der Wildnüß von ihnen wunderbahrer Weise ernehret und erzogen worden. Denn sie haben ihm von ihrem Raube allwege seinen Theil mitgebracht und im Winter es in einer mit dürrem Laube außgefülleten Gruben für den Frost und Kälte erhalten. Es hat auch bey ihnen auff allen vieren lauffen lernen / und wunder bahre Sprünge thun. Als man es auff dem Schlosse hat zähmen wollen / und zum auffrichtig gehen mit Höltzern umbbunden und geschienet / hat es sich gantz wild erzeiget / die Leute geflohen / und weil es die ungewohnte Speise nicht vertragen können / ist es nicht lang hernach gestorben.

5. Für weniger Zeit ist zu Amsterdam öffentlich zur Schau fürgestellet worden ein Knabe von 16. Jahren / bürtig aus Irrland / der in seiner Kindheit von seinen Eltern weg und unter die wilde Schafe kommen war / unter welchen er in[259] der Wildnüß und ungeheuern Gebürgen biß zu itztgedachten Alter sich auffgehalten und gantz verwildert war. Er hatte (schreibt Nic. Tulpius Ob ser. Med. l. 4. c. 9.) rechte natürliche Schaffs-Art an sich / war fertiges Leibes / und geschwinder Füße / sahe greßlich / hatte ein abgehärtet Fleisch / verbrandte Haut / rahne Gliedmassen / die Stirn war etwas niedergedruckt und eingebogen / hingegen das Hintertheil des Hauptes erhoben und desto mehr über sich stehend / war sonsten gar ohne Verstand und Witz / gantz verwegen und unerschrocken. Nichts Menschliches kunte man da absehen / ließ auch keine andere Stimm hören / als daß er natürlich schrie unnd pläckte wie ein Schaff / achtete keiner Menschlichen Speise noch Trancks / sondern fraß Graß und Heu wie andere Schaffe / klaubte aber das beste mit sonderlichem Fleiße auff / wandte es etliche mahl umb / beroch unnd kostete zuvor alles / wovon er sich futtern wolte. Als er noch auff den rauhen Gebürgen unnd Wüsten Wildnussen sich auffhielte / war er so wild wie ein ander unbändig Thier / stack gemeiniglich in finstern Hölen / unn abwegsahmen verpüschten Orten / Winter und Sommer lebete er unter freyem Himmel stund Frost und Hitze auß / wuste sich für den Jägern und deren Nachstellung so zu hüten / daß er ihnen[260] zu entgehen über Stock und Stein lieffe / durch Hecken und Dornbüsche / auch die Spitzigste Schroffen hindurch sprange / biß er endlich erhaschet worden. Allem äussern Ansehen nach war er mehr einem wilden Thier als einem Menschen ähnlich. Da er auch gleich nunmehr unter den Menschen lebete / hatte es alle Mühe / daß er mit der Zeit verwilderte Natur hinlegete und zahm wurde. Vide plura d.l.

Sap. 4. 12. Die bösen Exempel verführen und verderben einem das gute / also / daß auch frommer Leute / nicht nur der gottlosen Kinder unter böser Gesellschafft eitel Greuel werden / Syr. 41. 8. Wie diese Kinder auch bey denen wilden Thieren auch ihre wilde Weise und thierischen Gang auff allen Vieren gelernet / auch sonst aller Menschlichen Art / Geberden / Speise und Stimme gäntzlich ohn werden und vergessen. Sollen derowegen Christliche Eltern (wie Chrysostomus Hom 9 sie per Ep. ad Ebr. vermahnt) ihre theure Beylage / die Kinder / in guter Acht haben / und mit allem Fleiß verhüten / daß ihnen solchen Schatz der listige Menschen-Dieb / der Teuffel nicht entführe. Wir sollen (sagt Morlinus / Dom. 1. post. Epiph. p. 114.) für die Kinder fleissige Sorge tragen / daß sie mögen recht aufferzogen werden: Denn es hat[261] die Meynung nicht / daß wir wolten dencken / wir möchten damit handeln unsers Gefallens. Sind sie doch mein / spricht der grobe Tölpel: Sie sind nicht dein / sagt GOtt / Ezechiel 16. und 23. sondern Mir hastu sie gebohren. Ein Sohn der ist uns gebohren. Ja das ist auch gar ein sonderliches und wunderliches / sagt Jesaias Cap. 9. Darumb so gedencke und sihe nur wohl zu / du hast ein frembdes Gut unter deinen Händen / daß gehört nicht dir / sondern dem lieben GOtt vom Himmel / als der es erstlich erschaffen in Mutter-Leibe / und nachmahls lassen von dir auff Erden gebohren werden / der wirds auch zu seiner Zeit wiederumb davon nehmen. So hat Er auch / da es durch dich und euch der Sünden halber verlohren war / wiederumb erlöset und mit seinen theuern Blute erkaufft / darzu / daß ER nu drinnen als in seinem Tempel wohnen will unnd es heiligen zum ewigen Leben / am ersten Corinthern am dritten. Verseumestu es nun Ihm / wohlan / so hast du auff deinem Halse GOTT den Vater / der es geschaffen / GOTT den Sohn / der es erlöset / GOTT den Heiligen Geist / der es zu einem Tempel erwehlet. Der einige ewige GOtt wirds bey dir verwahret wissen /[262] als dem rechten Patron und Vormund / wirds auch von dir am Jüngsten Gericht mit gestrengen Urtheil fordern unnd ewig wehe über dich ruffen / wo du Ihm diesen seinen Schatz und lieblichen Pflantzen verwahrloset hast / für die Er seinen lieben Sohn gegeben. Biß hieher aus gedachten Herrn Grundmanns Geschicht-Schule.

6. Hierzu gehöret ein anders vom Beeren / welches die XV. Continuation der Historischen Relation auff die Bahn brachte pag. 56. ad annum 1663. Novemb. Diese Zeit wurde auch ein Knabe von ohngefähr acht Jahren / nach Warschau gebracht / den man in Litthau in der Wildnüß unter denen Beeren bekommen. Er kunte nichts reden / als essen und trincken fordern / brummete sonsten / als ein Bär / solte hiebevor nur rohes Fleisch gegessen haben / fieng anitzo aber schon an zum gekochten einen appetit zu bekommen. Ihre Majest. die Königin / ließ ihn in dero Hospital bringen / daß er daselbst unterhalten worden / und die Sprache lernen sollte.

7. Pomarius in Coll. Synopt. Phys. Disp. 5. pos. 2. §. 2. handelt auch von dergleichen Leuten / unnd schreibet die Verenderung der Speise zu: Als daher manch-mahl entstehen soll Hyanthropia, [263] Cynanthropia, Galeanthropia, Arctanthropia, Ornythonthropia, etc. Nicht durch eine substantialische Verwandelung / sondern durch eine accidentalische alterirung. Also soll ein Knabe vom Hirsche aufgezogen seyn / und endlich einen so schnellen Lauff gehabt haben / daß er greulich schnell hinter das Wildwerck durch Berg und Thal springen können. Ein ander so von der Ziegenmilch ernehret worden / hat ihre Geilheit an sich geerbet / hat Unmenschlich gesprungen und gehüpffet / hat sich an Felsen angehenget / hat Kraut und Graß gefressen / und die Bäume abgeschelet. Ein Breßlauisches Mägdgen / wie sie wieder die schwere Noth Katzenblut eintrincken müssen; Hat sich von stundan / wie eine Katze gebärdet / und es so gemacht wie die Katzen in den Häusern zu thun pflegen / sie hat gemauet / gesprungen / ist nach Löchern gekrochen ümb Mäuse zu fangen / Vide Weinrich. lib. de Ort. Monstr. c. 15. etc.

8. Thomas Bartholin. Cent. 1. Observ. Med. c. 86. Von einem Menschen / den eine Ziege gezeuget. In der Stadt Skanewig unter dem Bergischen Gebiethe / hat umb die Fastenzeit des 1640. Jahrs eine Ziege geworffen / deren Junges mit dem Gesichte / Armē / Augen / Nasen / Maul / Wangen / Stirn und gelben Haupt-Haar / einer Menschlichen Leibesfrucht gantz ähnlich gesehen;[264] Ohne nur / daß an den Fingern an stat der Nägel Klauen stunden. Mit einem Wort / daß obere Theil des Leibes / von dem Zwerchfell an / war einem vollkommenen Menschen gleich / aber das untere war ungestalt / und wie eine Blase. Jedoch kunte man die Hinterfüsse nebenst den Klauen unterscheiden. Die Klauen aber stunden nicht gegen den Unterbauch / wie anderer unvernünfftigen Thiere / sondern recht auß / und etwas gegen dem Rücken gebogen. Unnd an diesem Ort alleine hatte es keine Menschliche Gestalt. Denn das Gesichte war nicht haaricht / sondern roth und weiß / also daß es wegen der schönheit andern den Vorzug hette können streitig machen. Es hatte aber diese Frucht kein Leben / also daß es scheinet / alß ob die Mutter die bestimmte Zeit der Geburt nicht erwartet. Die Geschicht dieser Mißgeburth / eben wie sie sich begeben hat / unn geschehen ist worden / hat der Priester desselbigen Orts / Herr Elias Anderßen / an den vormahls Bergischen Bischoff / Hn. M. Ludovicū Munthenium, ohne falsch beschrieben überschicket.

9. Iohann Lassenius in Burgerl. Tischreden Dial. 5. pag. 291. etc. Es kömmet mir dieses absonderlich verwunderlich vor / daß von fleischlicher Zusammenthuung / eines unvernünfftigen Thieres und eines Menschen / dennoch eine natürliche /[265] Menschliche und vernünfftige Geburt kan gezeuget werden. Ich verwundere mich zwar mit euch darüber / antwortete Don Sylvio, allein es bezeugen diese Sachen so glaubwürdige Leute unnd Geschichtschreiber / daß man ihnen groß Unrecht thun würde / wenn man dero Wort in Zweiffel ziehen wolte.

Also erzehlen die Schwedische Historici, daß in Schweden ein sehr reicher Mann / nahe bey einer See-Port gewohnet habe / so eine treffliche schöne Tochter gehabt: Wie sie einsmahls gegen Abend / mit noch etlichen Jungfrauen oder Mägdlein / auffs Feld spatziren gangen / und daselbst ihr Spiel und Kurtzweil getrieben / in deme sey ein erschröcklicher und ungeheurer Bär / aus einem dicken Gebüsch des Waldes oder Berges / gantz grimmig / stracks zu auf diese Mägdlein geeilet / welche sich zwar mit der Flucht zu retten gemeynet / und geloffen / so sehr sie gekont / aber der Beer hat dennoch eine / und zwar die vornembste unter ihnen / nehmlich dieses reichen Mannes Tochter erhaschet / unnd mit sich / ohne einigen Widerstand / hinweg geführet / in das dicke Wildnüß hinein / zumahlen die Mägdlein gantz alleine waren / und niemand wehrhafftes ihnen zu Hülffe kommen kunte. Ob nun zwar der Bär gantz hungerig auf den Raub außgangen seyn möchte / wie[266] wohl zu vermuthen / so hat dach GOtt diese Jungfrau bey dem Leben erhalten wollen / in dem der Bär / wider die Gewohnheit seiner Natur / die Jungfr. nicht getödtet oder gefressen / sondern in eine Höle / welche er in einem tieffen Thal hatte / und sehr dick bewachsen war / geführet / und allda seine Grausamkeit / in eine brünstige Liebe verwandelt / und erzeigete sich alda so freundlich und liebkosend gegen sie / daß sie daraus wol mercken konte / was er im Sinne hette / und vergieng ihr die Furcht oder schrecken zum Theil. Weil sie aber doch der Gewalt des Beerens zu widerstehen nicht vermochte / wolte sie nicht anders das Leben verlieren / muste sie sich endlich / wider ihren Sinn / seines Willens ergeben / und an ihr geschehen lassen / was nicht zu ändern war. Der Beer aber gieng offtmahls aus seiner Höle / auff den Raub / nach andern Thieren / und bracht der Jungfrau davon immer zu essen / unnd sie tranck aus einem hellen lieblichen Bächlein / welches in einem finstern Schatten / vor der Höle vorüber floß / unnd hoffte also / GOTT würde sich über sie erbarmen / unnd aus solcher gefährlichen Behafftung erlösen. Sie besunne sich auch etlich mahl / wenn der Beer aussen war / zu entfliehen / aber sie dorffte sich es doch nicht unterstehen / daß er sie[267] nicht wieder ertappet / und also ummbrächte / forchte sich auch vor andern wilden Thieren / deren das Gebirge gantz voll war. Als sie nun etliche Monat also zugebracht / begab sichs einsmahls / daß etliche Jäger mit ihren Netzen und Hetz-Hunden / in diß Gebirg kamen / und diesen Beeren in ihr Netz fingen und todt schlugen. Wie nun die Jungfrau / die Stimme der Jäger / nahe bey der Hölen vernahm / ging sie zu ihnen herauß / die Jäger aber entsatzten sich recht darüber / daß sie die Jungfrau also sahen / denn sie wusten wohl / nicht allein wer die Jungfrau war / sondern auch / was sich mit ihr begeben hatte / jedoch nahmen sie sie mit sich / und führeten sie / zu ihrem Vater und Mutter / welche sie kaum wieder erkennen konten / so sehr als sie immittelst verfallen war worden. Wie dem aber / so fand sich allda / was die Natur wohl offt / wieder ihren gewöhnlichen Lauff thut / nemblich daß die Jungfrau / von diesem ungeheuren Thiere / Schwanger worden / und in dem man sich besorget / sie würde daher ein abscheulich monstrum oder Mißgeburth / aiff die Welt bringen / gebahr sie endlich einen jungen Sohn / der seinem Vater im geringsten nicht ähnlich befunden wurde / nur daß er über dem gantzen Leibe / etwas mehr Haar hatte / als man sonst wohl am Menschen findet /[268] er wurde mit sonderbahrem Fleiß gewartet und ernehret / und wurde ihm der Name Ursus oder eines Beeren gegeben. Alß er nun Mannbahr worden / und erwachsen war / wurde er so überauß starck von Kräfften / daß sich jederman für ihm furchte / und nach dem er die Jäger erkannt / welche seinen Vater ermordet hatten / brachte er sie umbs Leben / und sagte: Ob sie ihm zwar einen grossen Dienst gethan / so sey er doch schuldig gewest / seines Vaters todt zu rächen. Dieser zeugete hernach Trugillum Sprachaleg, einen tapffern Kriegs Helden und derselbe zeugete forders Ufonem, einen fürtrefflichen Mann / dessen die Chronicken selbiger Landen / sehr viel gedencken / weil er des Sveno Vater gewesen / der hernach König in Dennemarck worden ist / und daher sagt man / daß alle die Könige von Dennemarck und Schweden / von diesem Geschlecht seyn. Torquem. Hexameron. 117. conter D. Johann Scholtz in tract. von der Haarkranckheit p. 122.

10. Gleiches erzehlen die Portugesischen Geschichtschreiber / und aus ihrem Torquemada Hexaëm. col. 1. p. 130. Von einem Weibe / so wegen einer grossen Ubelthat / auff eine wüste Insul verbannet worden / welche man sonst ins gemein / die Schlangen-Insul nennete / und darauff mit einem grossen Affen zwey Kinder erzeuget. Und[269] derer Exempel finden sich gar viel / in den Zeit-Büchern.

Idem in den Adelichen Tischreden Dial. 3. pag. 86. Das ginge alles hin / antwortete hierauff Monsieur Charles, allein saget mir die Ursach / wie es komme / daß auch Menschliche Kinder gebohren werden / von unvernünfftigen Thieren? Als da lieset man bey dem Olao Magno, daß auf eine Zeit ein Beer eine Jungfrau geraubet / und geschwängert / welche nachmahls einen Sohn gebohren / der ihr gleich gewesen / ohne daß er eine rauhe Haut gehabt / und dahero auch Ursus genennet worden / von welchem viel Könige in Dennemarck und Nordwegen sollen herkommen seyn. Also erzehlet Gesnerus, daß ein Beer in Savoyen / eine schöne Jungfrau in seine Höle geführet / und mit ihr der Liebe darinn gepflogen / ihr auch allerhand schön Obst zugetragen / biß sie endlich in seinem abwesen / von ihren Eltern erlöset worden. Castarendo meldet in annal Lusitan. daß einmals ein Weib /wegē ihres Verbrechens / aus Portugall / in eine abgelegene öde Insul / sey geführet worden / (wie solche Deportirung denen Portugesen und Hispaniern nichts neues) da sie mit einem grossen Affen zu schaffen gehabt / von welchem sie 2. Söhne gezeuget / endlich aber sey sie von den Indianischen Schiffleuten / welche[270] von dieser Insul frisch Wasser geholet / errettet worden; Darüber der Aff sich so erzürnet / daß er alsbald / ihnen zusehend / die beyde Kinder erseuffet. Und habe man dieses Weib / zu Lisbon / zum Tode verurtheilet / sey aber davon von Girolamo Capo di Ferro, Nuncio Apollodico erlediget worden. Und könte ich unzehlich mehr Exempel beybringen / so ich hier und dar gelesen / auch zum Theil selbst gesehen. Hactenus ille: Confer Sperling in Phys. lib. 1. p. 272. da er / wider die Conimbricenses l. 2. c. 9. quæst. 5. art. 3. beweiset / daß solche Gebärten von Thier und Menschen Monstra seynd.

11. Kornmannus de mir. Vivor. p.m. 196. Erzehlet / daß in Flandern ein Incubus, in Gestalt eines Mannes / mit einer Kuhe Irrthumb gehabt habe: Daraus hernach ein Kind gebohren worden / welches recht getauffet unnd vollends aufferzogen ist / und endlich ein frommer und Gottesfürchtiger Mann geworden. Dieser hat seinen Freunden öffters zu erzehlen pflegen /wie er bey sich in seinem Gemüthe allezeit verspüre eine stetige Inbrünstigkeit und Wohlgefallen / daß er mit dem Viehe möchte auff den Wiesen gehen und Graß fressen.

12. Ich habe part. 1. des Rüben-Zahls eines unnd das andere erzehlet / da sich was [271] Münchhafftiges ereiget hat / solches gehöret auch hieher / nebenst dem nachfolgenden. M. Caspar Herbbach / vom Cometen Anno 1618. in fine. Anno 1523. ward zu Walterdorff / ein Meil von Freyburg / im Zelter Gebiet / auf einem Meyerhoff / so der Stecher hieß / ein Münchs-Kalb gebohren: Zu Hall in Sachsen kam ein Seu-Pfaff an die Welt. Was das Münchs-Kalb / und der Seupfaff bedeutet haben / ist genugsamb kundbar und wissend / dieweil die abtrünnige und verlauffene Pfaffen / Münch / und andere Unfläter / den Lermen dazumahl im gantzen Teutschlande angefangen haben / darauff in Franckreich / Niederland / Engelland / grosses Morden und Würgen gefolget ist. (Aber eine bessere Außdeutung davon liese in Rotâ Joāch. Abbatis.

13. Kinder von den Wölffen ernehret. Es reuete GOtt / daß er den Menschen gemacht hatte / sagt Moses / Gen. 6. Und die Bücher der Philosophorum sind voller Klagen über die Boßheit des Menschlichen Hertzens. Plato im 7. Buch / von den Gesetzen / sagt: Daß ein junger Knabe sey das allergrausamste /wiederspendigste und unbändigste unter allen Thieren /[272] und man könne ihn nicht frey gehen lassen. Aristoteles im 1. Buch Politicorum bestätiget eben dasselbige. Mit Löwen / Beeren / und andern wilden Thieren ist nicht überein zu kommen / doch nicht so übel / als mit den Kindern / denen aller Muthwillen gelassen wird / und die keine Zucht und Auffsicht haben. Es wird eine Geschicht erzehlet / daß ein junges Kind / in einem Dorff in Hessen / durch Unachtsambkeit der Eltern / sey verlohren worden / welche es lange Zeit hernach gesucht / aber nicht wieder finden können. Dasselbige Dorff war voller Bäume und Gärten / sehr nahe einem Walde gelegen / daraus die Wölffe auff die Leute zu lauffen pflegten. Etliche Jahr hernach vermerckte man unter den Wölffen / die in die Gärten lieffen / ein Thier / welches nicht gäntzlich aussahe wie ein Wolff / auch nicht so hurtig über die Zäune springen kunte. Als es nun etliche mahl die Bauers-Leute mit Verwunderung gesehen / und vermeyneten / daß dieses ein sonderbahres Thier wäre: Brachten sie diese Geschicht vor ihren Amptmann / welcher es den Landgrafen zu wissen thäte. Als er nun Befehl gethan / daß dieses Thier gejagt / lebendig ergriffen / und vor ihn gebracht würde / es sey durch was Mittel es wolle: Bemüheten sich die Bauren / daß sie es ertappeten / und einbrächten: Das[273] gieng nun auff vier Füssen wie ein Wolff / und hatte eine scheußliche Mine und Gestalt. Als es in dem Saale des Fürsten war / verkroche es sich unter die Banck / und fing an zu schnurren und zu brüllen wie eine Bestien. Weil man nun an ihm etliche Merckmahl eines Menschlichen Angesichts (wiewohl sehr ungestalt) merckte: Befahl der Fürst / daß es etliche Zeit bey Leuten ernehret würde: Biß daß man genauer erkennen könte / was es wohl seyn müst. Denen nun solche Pflege befohlen war / die bemüheten sich also mit ihm / daß es begunte zahm zu werden / sich auf zu richten / und zu gehen / wie andere Menschen / endlich auch deutlich zu reden: Und alsdenn (so weit sein Gedächtniß sich erstreckete) erzehlete er / und bekante; Daß er hätte bey den Wölffen in einer Grube gelebet / welche ihn wol gehalten / und ihm allzeit das beste Stück von ihrer Jagt gegeben. Dresserus in libello de novâ & veteri disciplina.

14. Viel Frantzösische von Adel haben bezeugen können / daß sie einen Menschen gesehen / welcher in dem Wald Compiegne ist gefangen / und vor den König Carolum den Neunden gebracht worden. Dieser ging auff vier Füssen / wie eine arme Bestien / und lief geschwinder / als ein Pferd. Er kunte nicht aufgericht stehen / hatte eine sehr harte Haut / war fast über unnd über rauch:[274] Und kunte mit seiner Zungen nichts anders / als erschrecklich schreyen: Darzu hatte er ein runtzlichtes so scheußlichtes Angesichte / daß kein wildes Thier abscheulicher zu sehen ist / als dieser arme Leib / welcher bey den Wolffen gelebt / und von ihnen heulen lernen. Uber diß / so erwürgte er die Hunde mit frischen Zähnen: Unnd so er kunte Menschen ergreiffen / spielte er ihnen nicht besser mit. Ich habe nicht können erfahren / wie es weiter mit ihm gangen hat. Simon Goulart.

15. Was die vorige Historie aus dem Dressero belangest / weiß ich nicht / ob es eben dieselbe ist / welche D. Philippus Camerarius erzehlet in seinen Meditationibus Historicis cap. 79. vol. 1. Die Wiederholung (weil sie kurtz ist) hoffe ich / wird nicht mißfallen. Es ist / sagt er / eine wunderbahre und doch wahrhaffte Geschicht / die man lieset in den Zusatz der Historien Lamperti von Schaffenburg: Wie folget: Im Jahr 1544. fing man in Hessen einen Knaben / welcher (wie er hernach selber erzehlete / und es sich also befand /) als er nicht älter als 3. Jahr gewesen / von den Wölffen war weggetragen / ernehret / und auferzogen worden. Wenn sie einen Raub erlanget / brachten sie allzeit das beste Stück unter einen Baum / gaben es dem Knabē /[275] daß er aß. Winterszeit und in der Kälte höleten sie eine Grube aus / und belegeten sie mit Kräutern / und Baum-Blättern: Darauff legten sie den kleinen / lagerten sich umb ihn her auff allen Seiten / und bewahreten ihn fein vor den ungestümen Wetter. Darnach zwungen sie ihn / daß er muste auf den Füssen und Händen gehen / und mit ihnen lauffen / also daß er durch Gewohnheit und mit der Zeit springen und lauffen kunte / wie sie. Als man ihn gefangen / ward er gezwungen / daß er allmählich allein auf den Füssen gehen lernete. Er sagte offt /wenn es hette in seine Macht gestanden: So hätte er lieber bey den Wölffen / als bey den Menschen bleiben wollen. Er ist zum Spectackel an den Hoff Landgraff Heinrichs in Hessen gebracht worden. Eben in demselben Jahr hat sich dergleichen auch begeben in den Dorff Echzel: Denn ein Kind von zwölff Jahren / das in dem nechsten Walde den Wölffen folgte / ist zur Winterszeit von etlichen Edelleuten auf der Wolffs Jacht gefangen worden.

16. Hier sollen wir noch eine andere dergleichen Wunder-Geschichte beyfügen / welche Ludovicus Guyon Herr von Nauche proponiret / wie folget: Ich will beschreiben eine Geschichte / die in meiner Gegenwart am S. Andreas Tage[276] 1563. von Monsieur de Humiere vor des Königes Caroli Bruder erzehlet worden / welcher hernach Heinricus der dritte / König in Franckreich / genennet worden. In den Ardemischen Wäldern versambleten sich etliche Edelleute / und Bauren aus vielen Gemeinen / eine Wolfs Jagt zu halten / dieweil selbige ihnen viel Uberlast thäten: Als sie nun ihrer zwölffe in die Netze gebracht / und mit Büchsen und sonsten niedergemacht: Ward unter andern eine Wölffin getödtet / welcher ein kleiner Knabe gantz nackend / etwa von 7. Jahren / nachlief: Dessen Farbe war braunlicht / wie des dürren Laubes / hatte krauspene gelbe Haar: derselbe wolte die jenigen / welche die Wölffin getödtet / als er merckte / daß sie todt war / anfallen. Aber er ward von vielen Leuten umbgeben und gefangen: Und da sahe man / daß die Nägel an Händen und Füssen krum unter sich gewachsen waren. Er redete nichts / sondern gab eine unförmliche Stimme von sich / gleich wie ein Kalb. Er ward in ein grosses Dorff / in die Behausung eines Edellmannes / geführet / da legte man ihme / nicht ohne grosse Mühe / Eisen an die Beine. Darnach ließ man ihn also fasten / daß man ihn zahm machte: Und er lernete innerhalb sieben Monaten wohl reden: Darnach ist er herum geführet worden in[277] den Städten / Flecken / Dörffern / Edelhöffen / Schlössern: Davon die jenigen / so ihn führeten einen grossen Geldgewinn erlangeten. Damit man aber möge verstehen /wie dieses Kind den Wölffen in die Klauen gerathen / ist zu wissen / daß umb das Fest Allerheiligen / da es sehr kalt war / etliche Mägde / Knaben und arme Weiber in den nechsten Wald giengen / daselbst Holtz abzuhauen. Es war auff den Abend / unnd sehr neblicht Wetter: Als sie nun ihre Gebund Holtz wolten zusammen binden / wurden sie von den Waldförstern darüber ergriffen: Welche sie also scheu machten / daß sie / auß Furcht der Gefangnusse / oder daß sie sonsten übel möchte geschlagen werden / eines hie / das andere dort hinauß lieff / und ihre Axte im Stiche liessen. Unter andern hatte ein Weib ihr kleines Kindlein / etwa von neun Monaten / mit sich genommen / weil sie zu Hause in ihrem Abwesen niemand hatte / der Achtung darauff gebe: Denn ihr Mann arbeitete umbs Tagelohn / und kam nicht in seine Hütte / als nur an Sonn- und Festtägen. Also ließ sie nun ihr Kindlein zurücke / und entflohe eine lange zeit durch den Wald / als wurde sie gejaget und verfolget. Als sie aber etliche Stunden hernach sich in Sicherheit zu seyn vermeinte / weil die Förster sich wurden haben zurucke gemacht / und es nun fast Nacht ward / kam sie wieder an den Ort / da[278] sie Holtz abgehauen hatte / und daselbst fand sie weder die Axt (welche die Holtzförster genommen) noch ihr Kind: Nach vielem Kummer aber ließ sie endlich alle Furcht fahren / unn vermeinte / die Förster hetten das Kind mit sich genommen / zu welchen sie gehen wolte. In diesen Gedancken kam sie wieder in ihr Dorf umb von den andern / die bey ihr gewesen / zu forschen / ob sie was vom Kinde wüsten: Desgleichen thäte sie auch bey den Förstern / die eine kleine Meilweges davon in einer Schencke zechten: Welche aber dem armen Weibe droheten / und sie schmäheten. Des folgenden Tages gieng sie wieder in den Wald / das Kind zusuchen / aber es war vergebens / als ihr Mann am Tage Allerheiligen von seiner Arbeit heimkam / hörete er die traurige Zeitung / von Verlierung des Kindleins / und wie das gerichte Nachforschung wieder sie anstelleten / als wenn sie das Kind wegen ihres Armuths den wilden Thieren hetten vorgesetzt: Dieserwegen als sie es lang an den Wäldern gesucht / und sich weiterer Straffe besorgeten / machten sich diese elenden Eltern aus dem Lande. Unnd nachmahls hat man nichts mehr von ihnen gehört. Es ist vermuthlich / daß die obgedachte Wölffin / als sie vor ihre junge Wölffe Raub gesuchet / dieses verlassene Kindlein angetroffen / und mit sich davon getragen. Dieses ist der[279] Warheit ähnlich. Denn ein Wolf träget in seinen Rachen ein Schaf / es sey so starck unn schwer / als es wolle / ohne alle Verletzung / ja wohl eine halbe Meile / daß er nicht ruhet / als wie ein starcker Windhund ein Künlein trägt. Ja es ist bekant / daß wenn ein Wolff ein Pferd oder Kuhe in einer Hölen oder Graben antrifft / er mit seinen Zänen es kan heraus ziehen / dasselbe zu verzehren / (so einen starcken Hals hat er) welches wohl ein angespanntes Pferd nicht könte thun. Als die Wölffin das Kind ihren Wölffichen bracht / (wie denn alle Wölffin auf ihrem Raube / das kleine Vieh / daß sie können erhaschen / in ihre Läger den Jungen zutragen / daß sie daran sollen lernen ihre Nahrung rauben) sind vielleicht die Wölffichen satt gewesen / und haben mit diesem Kindlein spielen wollen / ehe sie es verzehreten: Die alte Wölffin hat sich bey sie nieder geleget: Das Kind hat die Zützen der Wölffin gefühlet / eine angezogen / und gesogen / meynend / es hette seine Mutter funden: Unnd scheinet / daß von dar an diese Wölffin es liebete / als wäre es ihr eigen: Denn die Femellen haben Beliebung dran / wenn man sie bey den Zützen zeucht. Und so sie ein Thier anders Geschlechtes mit ihren Brüsten nehren / pflegen sie es zu lieben: Wie man sihet an den Hunden / die von[280] den Katzen sind gesauget worden: An den Ziegen / welche Hunde / Lämmer / Füllen / ja Kinder / gesauget haben: Davon man alte und neue Historien an unterschiedenen Orten hat. Also kan es seyn gewesen mit der Wolffin / mit den Wölffichen / und mit dem Kinde. Als die jungen Wölffe groß und starck worden / wenn sie dieses Kind / so niemahls von der Wölffin wegging / antraffen / spieleten sie vor ihm / waren lustig und sprungen wie Hunde / und kein Wolff derselbigen Gegend beleidigte es. Was noch mehr dieses Kind erhalten / war dieses / daß es die Wolffin und die andere Wölffe seine excrementa so gerne frassen / ja auch die Erde / auf welche es sein Wasser gelassen. Und so lange es die Wölffin mit sich geführet / hatte sie ihm allezeit ein Stück von Raube gegeben. Der Knabe lebete vom rohen Fleisch fast sechs Jahr / wie er hernachmals erzehlet: Denn er hatte noch in Gedächtniß / wie es mit ihm hergangen / seint er das vierdte Jahr erreichet: Hatte die Natur zum Geleitsmanne / und den sonderbaren Schutz GOttes zur Verwahrung: Welcher ihn in diesem zarten Alter / und alle Stunden im Tode / durch den Dienst der Heiligen Engel bewahret hat. Man hatte gnug zu thun / ihn dahin zu bringen / daß er gekocht Fleisch aß. Er sagte ferner / die Wölffin hette alle[281] Jahr Junge gehabt; Die hätte er bewähret /wenn die Alte wäre auff den Raub außgelauffen: Und wenn der Wolff wäre kommen / sie zu besuchen / hette sie ihn gebissen / also / daß er gar selten zum Lager kommen. Nachdem er nun reden lernen / zahm worden / wie andre Kinder / ist er vor den Sohn obgedachten Weibes erkennet worden / dieweil er an jedweder Hand sechs Finger hatte / und sein Alter nach dem ansehen auch mit der Zeit / da er verlohren worden / übereintraff. Man machte ihn zu einem Hirten der Hammel und Schaffe: Welches er sieben Jahr lang übete: Und unter der Zeit haben die Wölffe niemahls seine ihm anvertraute Herde / angefallen / ob er gleich auch grosses Vieh / als Kälber / Kühe / Zugviehe / Füllen und dergleichen hütete. Dieses nahmen die Inwohner desselbigen Dorffes in acht; Darumb daß auch andere Herden dieses Privilegii geniessen möchten / brachten die Bauren und Schäffer in den Dörffern ihr Vieh zu ihm / oder liessen ihn zu sich kommen: Und liessen ihr Vieh durch seine Hände / welche er mit seinem Speichel benetzet / gehen. Es mochte nun seyn / was es für Viehe wolte / auch die Hunde selber: So berühreten es die Wölffe innerhalb 15. Tagen nicht. Durch dieses Mittel bekam er viel Geld: Denn er ließ ihm von einem iedweden[282] Stück einen Dreyer (double tournois) gebē / auf welches er / wie wir gesagt / die Hand legete: Er betastete auch ihre Ohren. Aber gleich wie alle Menschliche Dinge ihre Abwechselung haben: Also auch / da der Knabe 14. Jahr alt worden / verlohre sich die Krafft / welche er hatte / den Wölfen zu wehren / daß sie nicht seine Herde anfielen / und die jenigen / welche er mit seinen Händen über den Rücken striche / und bey den Ohren betastete. Ich halte dafür / daß dieses daher kommen /weil er in diesem Alter viel an seiner Complexion / Natur / und Temperament verändert / und daß er nun eine lange Zeit andere Nahrung / als wölffische genossen: Welches sich daran ereignete / daß die Wölffe nicht mehr / wie vorhin / zu ihm sich naheten / sondern sich vor ihm fürchteten / und hatten nicht mehr eintzige Sympathie noch Empfindung der Nahrung / die dieser Knabe / als ein Kind bey dē Thieren ihres Geschlechts genossē hatte. Diserwegē erwarb er nichts mehr / als ein schlechter Hirte: ward unwillig und quittirte diese Handthierung / zog auß / und wolte sein Glück im Lande suchen: Ließ sich in Kriege unterhalten vor einen Droßbuben: Darnach ward er ein braver / küner / starcker Soldat / aber ein Dieb dabey / so listig unn verschlagen / als müglich ist. Er ist niedergemacht worden im Jahr Christi 1572.[283] durch des Duc d' Alba Völcker / als er unter den Frantzösischen Compagnien war / welche der Hr. de Gentis in Hennegau wieder die Spanier / in Belägerung der Stadt Bergen / führete. Man saget / daß dieser Soldat damahls sich tapffer gehalten / und sein Leder den Feinden ziemblich theuer verkaufft haben. Ludovicus Guion, Sieur da la Nauche Tom. 1. lib. 2. divers. Lection. capite 34.

Im übrigen redet von den Thierleuten auch Voëtius in Disp. de Creat. p. 738. Ob ein Mensch zum Thiere könne werden / oder umbgekehrt? Resp. neg. Was man von der vorgegebenen Lycanthropia, und des Nebucadnezaris phrenetico und Melancholico Delirio zu hatten nahe / solches habe ich ewiesen in Disp. von den Dæmonibus.

Ob mehr Species oder Semispecies der Menschen seyn / als nur eine? Resp. neg. Welches nicht allein aus dsr Vernunfft / sondern auch aus der Heiligen Schrifft erwiesen wird / Act. 17. v. 26. Derhalben verwerffen wir die vier Geschlechte der Menschen des Paracelsi; welcher in Epist. ad Atheniens. oder heimliche Philos disseriret / daß GOtt / über des Adams Nachkömmlinge / noch andere 4. Menschen-Geschlechter erschaffen habe / so auch mit Fleisch / Bein unnd[284] Vernunfft begabet wären / und hätte allen und entzelnen Elementen solche zugeeignet. Nemblich in der Erden stecken die Pygmæi und Gnomes, in den Wässern die Nymphæ und Undæni, in der Lufft die Sylvi und Melusinæ: Im Feuer die Vulcani und Salamandræ: Und wäre noch ungewiß / welchem Geschlecht unter diesem der wahre Glaube zu GOtt sey verliehen worden / nebenst dem rechten offenbahrten Wege zur Seligkeit. Also gedencket aus ihm Godelmanus de Lamiis, und Delrio Disqq. Mag. l. 2. quæst. 27. Vide quæ Disp. de Spect. & Dæmon. dicta sunt. Idem p. 1170. (ad p. 755. lin. 24.) von mancherley wilden Leuten / so denen Thieren ähnlich seyn / und von denen Menschen / welche eine andere äusserliche Gestalt haben / meyne ich / daß Majolus in Dieb. Canic. Coll. 2. wohl schier alles zusammen gefasset und aufgezeichnet habe.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Anthropodemus plutonicus. Das ist eine neue Welt-beschreibung [...] 1–2, Magdeburg 1666/67, S. 255-285.
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