Rübezahl läst ein Kleidmachen.

[19] Etwan vor sieben Jahren / ist nach Liebenthal zu einem Schneider der Rübezahl in Gestalt eines frembden Junckers hingekommen / und hat ihme von schönem Tuche ein Kleid zuschneiden lassen / welches er umb eine gewisse Zeit hat wollen abholen lassen. Aber was geschicht? Wie erstlich der Schneider das Kleid zuschneidet / da leget er das Tuch doppelt / gedenckende: es werde solches der Edelman nicht mercken: Zum andern tauschet der listige Vogel das Tuch aus / und thut zum Kleide eine andere Gattung hin /und verfertiget davon das bedungene Kleid / welches er auch dem Edelmanne / wie darnach geschickt wird / folgen lässet / wiewol der Schneider das Macherlohn nicht zugleich mit bekommen hat / sondern nur die Versprechung auff die und die Zeit / da es der Edelmann selber[20] hat überreichen wohen. Was geschicht? Der Schneider meinte zu erst / er habe trefflich gefischet / und wolle nunmehr das gestohlene Gewand sehr wohl zum eigenen Nutz anwenden: Aber wie ers recht beschauet / da war es eine grosse Decke von Schilff / darein die Kauffleute ihre Wahre zu packen pflegen. Vors andere nahete auch die bestimmte Zeit heran / da der Edelmann hat abzahlen wollen: Siehe /da trägt es sich unverhofft zu / daß der Schneider eine nöthige Reise über das Riesengebürge vornehmen muß: Wie er aber nunmehr unter Weges gewesen / da kömpt in aller Herrligkeit der Rübezahl auff einer grossen Ziegen hergetrabet / und hat ihm eine Nase selber gemacht über einer halben Ellen lang / (wie ich dieses und das folgende alles / von eben des Schneiders gewesenen Gesellen einen / ausführlich habe gestecket und heimlich erzehlet bekommen; Denn ihn selber würde der[21] Kuckuck wol nicht geritten haben /daß er diesen Possen zu eigener Beschimpffung mir würde narriret haben: Aber / Qvicqvid sub sole est, in apricum proferet ætas. Das ist: Es ist nichts so klein gesponnen / es kömpt doch noch endlich an die Sonnen. Hat es schon der Schneider selber nicht groß offenbaren wollen / so ist es doch nunmehr durch seinen Bedienten geschehen / welcher mich richtig verständiget hat: Wie flagellum Dei, oder der Rübezahl auff diesesmahl die Unartigkeit der Schneider geputzet hat. sed extra Parenthesin,) und in solcher positur schnur gleich auff Meister-Hausen loß gezuckelt /welcher die verwandtē Ziege etliche mahl mit bebender Stimme angemöckert hat / und gleichsam den Meister willkommen / auff ihre Art genennet hat: Der Rübezahl hat nicht minder seiner Wörter geschonet /sondern vielmahl geschrien: Glück zu Meister / glück zu Meister? Wollet ihr euer Macherlohn[22] für mein Kleid holen / das ihr mir vergangen zugeschnitten /und ich itzt gleich am Leibe habe? Immittelst möckert die Ziege ihr Meister / Meister / immerfort: der Schneider aber erschrack / wie sehr er auch vorher über den seltzamen Foltesierer gelächelt hate: Und gedachte nunmehr gar wohl / daß er für seine Diebes Stückgen würde den verdienten Lohn überkommen. Darauff hönete ihn der Rübezahl meisterlich aus / und zog ihn mit dem vermeinten Diebstals des Tuches wacker durch / sagende: Wie stehets Bruder / haben wir nicht was zu schachern? Hastu nicht neulich was gefuschert / und von einer und der andern Sache etliche Stückgen abgezwackt / oder hinter den Ofen geworffen und gesprochen / das soll der Teuffel haben! Oder hastu nicht etwas nach den Mäusen geworffen /und etliche feine Bißgē erübriget? Der Schneider aber verstummete und sprach nichts? Darauff fuhr der Ziegenbereiter noch[23] weiter fort und sagete: Es müssen ja alle Schneider stehlen; Darzu ihnen flugs die allerersten Schneider und Menschen auff der Welt / Anlaß gegeben haben. Nemlich / (wie Basilius Seleuciensis spricht:) sie haben ihnen Schürtzen von Feigenblättern gemacht; Dadurch sie die Bäume beraubet haben. Nemlich / es muste der Anfang der Schneider nicht ohne Dieberey seyn / solte auch gleich der Feigenbaum einbüssen müssen / und sich wegen des ersten Kleides bestehlen lassen. Item / da es unmüglich war /daß Adam / als der erste Mensch / eine Beraubung begehen kunte / in deme ihme alles / ohne das zu eigen war: So muste dennoch das erste Meisterstück der Schneider nicht ohne Abkneipung und Diebstahl abgehen. Wie gar schön hievon redet Aloysius Novarinus in Mose expenso ad Gen. cap. 3. vid. Johan. Henri. Ursinum in Mantissâ ad Acerram Philol. §. 8. p.m. 401. Endlich sprach der Rübezahl[24] zum überzeigten Schneider: Gehe du Hudler / und gebrauche dich fortan mehr deiner Nadel zum enge nehen / und nicht weite Stiche zuthun / als deiner Fäuste zur Abzwackung. Laß den Leuten das ihrige / und nimm ihnen weder von den übrigen Knöpffen oder Seide /und andern übergebenen Sachen hinfüro nichts mehr; bleibe / und halte dich an dein prædentirtes Macherlohn / daß du Lumpenhund hoch gnug steigern kanst; Und suche deinen Vortheil nicht mehr an ungebürlicher Unterschlagung / oder ich will dich nach diesem übel zu schlagen / und ärger wilkommen heissen / als diesesmahl geschehen ist. Darauff zuckelte er mit seiner grossen Ziegen und langē Nasen immer davon /und ließ den Schneider stehen: Doch thate er ihm dieses noch fürder zum Schabernack an / daß / so offt hernach der Schneider eine Ziege hat möckern gehört / Er stets gemeinet habe / es ruffe ihm ein Mensch /[25] und sagte Meister / Meister: Wie es denn auch soll geschehen seyn / daß dieser Schneider aus unrecht hören / einmahl zum Ziegenbocke hingegangen sey /fragende: Herr wolt ihr ein Kleid zuschneiden lassen? Da ihm der Bock zur Antwort gegeben hat / puff? Nemlich / er stieß ihn mit den Hörnern in die Rampanien / daß es puffte: Und allda auff solche Art den Schneider zu erst lehrete / was Virgilius errinnert: Noli occursare Capro: Cornu feret ille, caveto? Aber gnung hiervon / damit nicht auch der Bock das seinige davon bekomme / sondern mit ihme nach dem Virgilio wahr bleibe: Caper tibi salvus & hœdus.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Anderen, und ganz frischer historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1671, S. 19-26.
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