Rübezahl schencket einem Schuldner hundert Reichsthaler.

[123] Vor etwan zwölff Jahren (wie ich aus Halle von einem Saltzführer erlernet habe /) soll ein verwegener Bauer gewesen seyn: Der in bevorstehende Noth seinem Leibe keinen Raht gewust / wie er ihm gethun möchte / daß er etwas Geld zusammen brächte / und sich in begebenen Falle erhielte. Doch soll er endlich gleichsamb aus Desperation schlüssig geworden seyn auff das Riesen Gebürge zu wandern / und dem guten Rübezahl umb eine Postgeldes anzusprechen: wie er es denn auch ins Werck gesetzet / und seinen Weg zu den reichen Geist hingenommen hat; der ihme alsbald in einer besondern Gestalt erschienen / und erfragt soll haben; was sein Anliegen unn Begehren were? Drauff soll gedachter Bauer geantwortet haben: Ich wolte von Beherrscher des Riesen Gebürges freundlich gebeten haben / ob er[124] mir nicht wolte etwas Geld fürstrecken / mich in gegenwertiger Noth zu schützen: Resp. Gar wol / wie viel begehrstu denn? Und wenn wilstu es mir wieder bringen? Resp. Großmächtiger Herr / könnt ihr mir hundert Thaler borgen / so wil ich euch solches / als ich ein redlicher Mann bin /übers Jahr allhier wieder zustellen / und mich danckbarlich einfinden. Hierauff sol der Rübezahl einen Abtritt genommen haben / und umb ein weilgen wiederumb gekommen seyn / einen Beutel mit so vielen Gelde mit sich bringend / und dem Bauren zuzehlend: Da denn der Bauer solches empfangen / von Rübezahlen gegangen und sich an seinen Orte damit hingemachet hat: Ja es auch gebrauchet und zu seinen Nutzen angewandt hat / biß die bestimte Zeit herangetretten / und das Jahr verflossen gewesen / da er andere hundert Thaler genommen / und zur Abzahlung sich als ein richtiger Debitor zum Riesengebürgischen Creditorem, damit hingespatzieret ist / biß er etwan an den vorigen[125] Ort wiederumb gerathen / da er das Geld vorn Jahre ungefehr empfangen: Allwo der verstellete Rübezahl in eines andern Mannes Gestalt ihme erschienen; Derentwegen er denn etwas gestutzet / und nicht gäntzlich gewust hat / ob es der Rübezahl selber were; wiewol er dennoch gleichwol auch nicht allerdinges gezweiffelt hat; sondern es ein wenig vermuthlich gehalten: Derentwegen er denn sich auff geschehene Befragung (welche etwan gewesen war: Wo wilstu hin Bauer / und bey wem hastu hier was zu thun?) also herauß gelassen: Ich wolte zum Großmächtigen Regenten des Riesen-Gebürges / und ihme die sieben Thaler zu rechter Zeit wieder zustellen /welche ich vormahlen von ihme habe gelehnet bekommen. Drauff der verstellete Geist also geantwortet: O lieber Bauer / der Rübezahl ist lange todt: Gehe jo mit deinem Gelde wieder nach Hause und behalte es: Es ist dir gar wol gegönnet / und wird dich kein Mensch weiter darumb ansprechen.[126] Wer war da lustiger gewesen als der Bauer? Der mit Freuden nach seinem Dorffe mit dem unvermuthlichen Geschencke wieder weggegangen war. Doch gnug.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1673, S. 123-127.
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