Der zehnte November 1848

[74] Ja wahrlich sie war schön, die Nacht der Barrikaden

in jenem Monat März, da, auch von Gottes Gnaden,

die Freiheit auf den Thron sich schwang!

Da hell im Mondenschein, voran den dunklen Massen,

die Trikolore flog! Da durch die stillen Gassen

der Donner der Kartätschen klang!


Doch schöner jene Nacht, da, Arm in Arm geschlossen,

aufrechten Haupts, umragt von starrenden Geschossen

die Volksvertreter wandelten!

Da selbst ein Wrangel sich vor Groll den Bart zerwühlte,

da in der engen Brust der Füselier es fühlte,

daß sie wie Männer handelten!


In jener Nacht zuerst, da ist, o Fürst geschehen,

was deine Söldlinge im Traum der Angst gesehen

bei Tag, bei Nacht, seit langer Zeit:[74]

Da wankte, da zuerst der Grund von deinem Throne,

da zitterte, o Fürst, auf deinem Haupt die Krone,

die Krone der Gerechtigkeit! –


Ihr habt von Haus zu Haus sie flüchtig jagen können,

dürft ihnen selbst daheim die karge Ruh' mißgönnen –

Ihr dürft es –: denn ihr habt die Macht!

Doch aber, o bedenkt, daß über jedes Haupte,

das nie verlöschende, von euch zwar nicht geglaubte,

der Freiheit heil'ges Auge wacht! –


's ist nicht das erste Mal, wird nicht das letzte bleiben,

noch öfter wird, wie heut, Gewalt das Recht vertreiben,

und doch berauscht euch nicht im Glück:

Es ging die Freiheit wohl schon öfters mit Verbannten,

in fremdem Sand verweht der Staub der kaum Gekannten,

sie selber aber kehrt zurück!


Quelle:
Robert Eduard Prutz: Prosa und Lyrik, Leipzig 1961, S. 74-75.
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