[235] Ernst Gotthart allein, wirft sich auf einen Stuhl.
Nun! jetzt ist es mit mir geschehen! länger kann ich es nicht aushalten! Es geht mir auch alles in der Welt die Quere! kaum erfahre ich, daß kein ander Mittel für mich sei als die Ehe, und kaum entschließe ich mich auch dazu, so ist alle Hoffnung wieder auf einmal aus. Ja, wenn ich ein ander Mädchen lieben könnte als meine Muhme! aber das kann ich nicht; und wer wird auch einen so verdrießlichen, mürrischen, melancholischen Kerl haben wollen? Ach! es muß sie noch ein rechter guter Engel regieren, daß sie mich noch vor Augen leiden mag! ... Aber was werde ich ihr antworten, wenn sie nach ihrer Tresse fragt? ... Wird sie wohl glauben, daß ich sie verloren habe? Wird sie nicht denken, ich habe sie verspielt, versoffen oder noch was ärgers damit gemacht? ... Wird sie mich nicht aufs ärgste hassen? ... Wird sie mich nicht allenthalben anschwärzen? Nein, ich kriege in meinem Leben keine Frau! ... Mit meinem Malo werde ich ins Grab fahren müssen! ... Und wer weiß, ob ich mich nicht noch achtzig Jahre darmit quälen muß? ... Ach! Himmel! noch achtzig Jahre das Malum hypochondriacum zu haben? Wie will ich das ausstehen? ... Nein! ich muß mich umbringen! ... Es kömmt auf eine böse Minute an! ... Er sucht in allen Taschen. Ich habe kein Messer bei mir ... So muß ich mich erhenken ... Er sieht sich rund in der Stube herum. Es ist kein Nagel hier, der mich tragen könnte ... Nun gut! Ich will mich mit meinem Strumpfbande erwürgen. Er fängt sich an, ein Knieband abzunehmen. Doch das Licht könnte Schaden tun! ... Es könnte ein Feuer werden, das die ganze Stadt verzehrte ... Ich will es erst auslöschen, damit ich nicht noch nach meinem Tode ein solches Elend und Unglück anrichte. Er löscht das Licht sehr sorgfältig aus, spuckt auch gar in den Docht. Heinrich schleicht sich hinter den Stuhl. Nun kann es doch wohl nicht wieder anbrennen. Er geht noch einmal hin und besieht es. Wohlan! lieber einmal gestorben als täglich solche[235] Höllenangst ausgestanden! ... Ich kriege doch wenigstens ein ehrliches Begräbnis und eine christliche Leichenpredigt: denn die ganze Stadt weiß, daß ich melancholisch gewesen bin. Er bindet sich das Band um den Hals. Nun gute Nacht, Welt: du Angstkasten!