Daß man von Gott in allen Dingen den Anfang machen soll

Wilstu, daß dein Thun und Sinnen

Soll erwünschten Gang gewinnen,

Stell es erst mit Gott in Rath;

Heist es der, so wird es gehen,

Spricht er Nein, so muß es stehen,

Sein ist Beydes, Will und That.


Was ein Vogel sonder Flügel,

Sonder Licht und Glanz ein Spiegel,

Was ein Schiff ohn Ruder ist,

Was der Tag ohn Sonnen-Strahlen

Und was sonder Kern die Schalen,

Ist ein Werk, das ihn vermist.


Und was magstu dir vertrauen?

Kanstu, was dir dient, erschauen?

Ist nicht böser Will dein Rath?

Ist nicht Unverstand dein Führer,

Noth und Ohnmacht dein Regierer,

Sünd' und Eitelkeit die That?


Bistu nicht ein Kind der Erden?

Mustu das nicht wieder werden?

Bistu nicht des Glückes Ball,

Ein Gehege vieler Sorgen?

Lebest immerfort auch morgen

Und vergehst letzt wie ein Schall.
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Gott nur weiß, was dir erträglich

Und so nützlich, als behäglich,

So erwünscht, als selig fällt;

Er ist, der dich hat gemachet,

Der dich kleidet und bewachet,

Dich beschirmet und erhält.


Sonder seiner Güt und Gnade

Ist all, was du thust, dein Schade

Und nichts, als nur Midas Gut:

Geld must du zum Hunger wehlen,

Ehre zum Beschwer der Seelen,

Klugheit zum verkehrten Muth.


Baue Schlösser, setze Schrifften,

Laß dir grosse Denkmahl stifften,

Ohn ihn geht es Alles ein;

Hie wird dich die Krafft der Höllen,

Dort die Zeit- und Welt-Macht fällen,

Hie dein Fleisch dein Tod selbst sein.


Herr, ich bin weit zu geringe,

Daß ich dich nach Würden singe,

Laß es, Liebster, dennoch seyn.

Gehstu vor, so wird es gehen,

Stehstu ab, so soll es stehen,

All dein Nein und Ja ist mein.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 239-240.
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