Von der Himmelfahrt Jesu Christi

[276] Gnug, o Jesu, gnug gestritten,

Gnug ertragen und gelitten,

Gnug gedienet, theurer Held;

Kehr' in deine Wohnung wieder,

Setz auff deinen Stuhl dich nieder

Und regier wie vor die Welt.


Tod-Besieger, Höllen-Zwinger,

Sünden-Büßer, Friedens-Bringer,

Fahre heim, wir folgen dir.

Nicht betrübet uns dein Scheiden,

Denn du gehst zu deinen Freuden

Und nur eine Weile für.
[276]

War dein Hauß doch, Herr, verschloßen,

Seit wir jenes Baums genoßen,

Und gantz wüst dahin die Bahn,

Du wirst, Liebster, Weg und Thüre,

Und daß uns hie Nichts verführe,

Führt dein Geist uns selber an.


Menschen-Retter, Lebens-Geber,

O, Durchbrecher unsrer Gräber

Und des Himmels minder nicht,

Fahre heim, fahr heim gesegnet,

Schau, was dir für Lob begegnet

Da du deinen Zug verricht.


Tausend Diener gehn zur Seiten,

Tausend Wagen, Herr, begleiten

Deinen Einzug vor und nach;

Helden-Lorbeers, Sieges-Palmen,

Gnaden-Ölzweig, Freuden-Psalmen

Ist ganz voll das Stern-Gemach.


So gehst du zu deinem Throne

Nimmst den Zepter und die Krone

Deiner ewgen Majestät,

Hebst dich an des Vaters Rechte,

Wo die Schaar der reinen Knechte

Um dich frölich steht und geht.


Fahre, Jesu, fahre heime,

Fahr', es folgen meine Reime

Und ich selbst zu seiner Zeit;

Ich, dein Glied, muß hingelangen,

Wo mein Haupt ist hingegangen,

Dies nennst selbst du Billigkeit.


Wo der Schatz, da ist das Hertze,

So lehrst du, der Lehrer Kertze;

Ach, mein einger Schatz allhier,

Meine Hülle, Füll' und Gabe

Bist nur du, Herr, die ich habe,

So muß ich auch seyn bey dir.
[277]

Ja, ich häng' an dir, dir Einem,

Dir, mein Heyl, und sonsten Keinem,

Ja, ich bin, ich bin bey dir,

Du bist, dem ich gantz mich gebe,

Was ich hie noch bin und lebe,

Ist mein Schatten nur von mir.


Ach, ich koste schon mit Freuden,

Wie du künfftig mich wirst weiden,

Deinen Nectar und dein Mann';

Und mir dünkt, als kan ich sehen,

Wie geehrt es mir wird stehen,

Wenn ich deinen Rock hab' an.


Jesu, mein Mond, meine Sonne,

Mein gantz Himmelreich voll Wonne,

Ehren-König, Lebens-Fürst,

Jesu, Jesu, sey gepriesen,

Daß du mir so viel erwiesen

Und noch mehr erweisen wirst.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 276-278.
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