Die drei Gesellen

[61] Es waren drei Gesellen,

Die stritten wider'n Feind,

Und thäten stets sich stellen[61]

In jedem Kampf vereint.

Der ein' ein Österreicher,

Der andr' ein Preuße hieß,

Davon sein Land mit gleicher

Gewalt ein jeder pries.

Woher war denn der dritte?

Nicht her von Östreichs Flur,

Auch nicht von Preußens Sitte,

Von Deutschland war er nur.


Und als die drei einst wieder

Standen im Kampf vereint,

Da warf in ihre Glieder

Kartätschensaat der Feind.

Da fielen alle dreie

Auf einen Schlag zugleich;

Der eine rief mit Schreie:

Hoch lebe Österreich!

Der andre, sich entfärbend,

Rief: Preußen lebe hoch!

Der dritte, ruhig sterbend,

Was rief der dritte doch?


Er rief: Deutschland soll leben!

Da hörten es die zwei,

Wie rechts und links daneben

Sie sanken nah' dabei;

Da richteten im Sinken

Sich beide nach ihm hin,

Zur Rechten und zur Linken,

Und lehnten sich an ihn.

Da rief der in der Mitten

Noch einmal: Deutschland hoch!

Und beide mit dem dritten

Riefen's, und lauter noch.


Da ging ein Todesengel

Im Kampfgewühl vorbei,

Mit einem Palmenstengel,[62]

Und liegen sah die drei.

Er sah auf ihrem Munde

Die Spur des Wortes noch,

Wie sie im Todesbunde

Gerufen: Deutschland hoch!

Da schlug er seine Flügel

Um alle drei zugleich

Und trug zum höchsten Hügel

Sie auf in Gottes Reich.

Quelle:
Friedrich Rückert: Werke, Band 1, Leipzig und Wien [1897], S. 61-63.
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