Zwey und Zwanzigstes Kapitel.

[97] Des Sturmes End.


Land! Land! rief hier Pantagruel; ich seh Land, Kinder! Nur Lamms-Courag! Wir sind nicht weit vom Hafen mehr; schon seh ich im Norden den blauen Himmel: es klärt sich. Spürt ihr den Sirock? – Muth! Kinder, sprach der Steuermann, das Wasser fällt. Itzt Marsree auf! hieß auf! hieß auf! Die Kreuzbulienen! Kabelaring aufgeschrickt an Gang- und Bratspill! Wind', wind', wind'! Taljen dicht an! Hieß! hieß! Helmstock eingehangen! Läufer straff! Halt gut an! Tauwerk aufgeschossen! Halsen klar, Schoten klar, Bolinen klar! Backbordbrassen angeholt! Steuer in Lee! Steuerbordschoten angeholt, du Hurensohn! – Gelt, braver Knab, sprach Jahn zum Matrosen, du bist heilfroh, von deiner Mutter Zeitung zu hören? – Luv an! Luv an! Voll und Bey! Mittschiffs das Steuer; – Ist schon mittschiffs, schrie'n die Matrosen; – Fortgesteevt! und landwärts angelegen! Ho! ho! Ruderhaken! Fingerling! Leesegel backgelegt! Hieß auf! hieß, hieß! – Das heiß ich wohl gesprochen, sehr wohl bedacht, sprach Bruder Jahn: hussassassa! frisch Kinder, frisch! Bon. Hieß, hieß! Leewärts! Wohl gesprochen, sehr wohl bedacht. Ich glaub der Sturm geht itzt zur Neig und seligem End, Gott tröst[97] ihn. Gott sey Lob dafür. Unsre Teufel fangen an sacht auszukratzen. Fall ab! das ist sehr wohl und grundgelehrt gesprochen. Fall ab! Fall ab! Hieher, um Gott! mein artiger Ponokrates, baumstarker Hach! gebt acht, er macht euch nichts als Buben, der Hurenhengst. Eusthenes, o du edles Blut, ans Fockree! Hieß! hieß! Wohlgesprochen. Hieß auf, hieß auf, ins Herren Namen! hieß! »Alle Furcht hab ich verstossen, weil es heute Festtag ist; Christe, Christ.« – Dieß Celeuma, sprach Epistemon, schickt sich nicht übel und gefällt mir. Weil es heute Festtag ist. Hieß, hieß, Bon, rief er, ich gebiet euch von Stund an alles guts zu hoffen. Dort seh ich den Castor schon rechter Hand. –

Bebebububu, sprach Panurg, wenn's nur nicht etwann Helena die arge Hur ist! das fürcht ich sehr. – Wahrlich, antwort Epistemon, s'ist Mixarchagetas, wenn dir der Nam der Argiver besser dafür gefällt. Hay! Hay! ich seh Land; ich seh den Hafen; ich seh viel Volks am Strand; ich seh Feuer auf einer Blüs. – Hay! hay! hay! rief der Steuermann, itzt segelt mir das Kaap aus und die Dünen! – Sind schon ausgesegelt! schrie'n die Matrosen. – Es kommt, es kommt! sprach der Steuermann, auch die Convoy; itzt tummelt euch, und steht dem guten Wetter bey.

O, sprach Panurg, das heiß ich ein Wort! beym Sanct Johann! ein güldnes Wort. – Gna, gna, gna, sprach Bruder Jahn, wo du davon ein Tröpflein kostest, kost mich der Teufel. Versteht Er mich, Herr Hunds-Cujon? Da, Maat! nimm hin den vollen Stotzen, extrafein! Gymnast, ho! bring die Pullen her, und das grosse Beest die Schunken- oder Schinkenpastet, ist mir all eins. Paßt auf, paßt auf daß ihr nicht dwars kommt!

Muth! Kinder, Muth! rief Pantagruel, nur herzhaft, Kinder! seht, da kommen schon dicht an unser Schiff zwo[98] Luten, drey Pinken, fünf Ewer, acht Voluntair, vier Gondeln und sechs Fregatten, die uns die guten Leut vom nächsten Eiland zum Beystand senden. Wer ist aber nur der Ukalegon da drunten, der so untröstlich heult und brüllt? Hielt ich den Mastbaum denn nicht fest in meinen Armen, und wahrlich straffer als keine zweyhundert Kabeltau? – Es ist der arme Teufel Panurg, antwortet' Jahn; er hats Kalbsfieber, er zittert und bebt vor Furcht wann er satt ist.

Wenn er auch, sprach Pantagruel, in diesem schauderhaften Blast und grimmigen Wetter Furcht gehabt hätt, acht ich ihn, so er nur sonst sich ermuthigt, nicht um ein Härlein minder drum. Denn, wie es allerdings ein Merkmal blöder und weibischer Herzen ist, vor einem jeden Hurt zu erbeben, wie Agamemnon thät, derhalb ihm Achill auch spottweis fürwarf daß er ein Hirschherz und Hundsaugen hätt: so zeigt auch der, der gar nichts fürchtet wo ihm ein sichtlich Schreckniß droht, fast wenig oder keinen Verstand. Ist nun, nächst der Versündigung an Gott, hienieden noch was zu fürchten; will ich nicht sagen daß es der Tod sey, noch auch mich weiter in den Streit des Sokrates und der Akademisten einlassen, daß der Tod an sich nicht bös, an sich nicht furchtbar sey. Ich sag nur: diese Todesart durch Schiffbruch sey zu fürchten oder im Leben nichts. Denn, wie Homer spricht, ist es ein gar zu schauderhaft, entsetzlich unnatürlich Ding, im Meer zu ertrinken. Davon geben die Pythagoriker auch den Grund an: weil nämlich die Seel aus Feuer besteh und feurigem Stoff. Wenn nun der Mensch im Wasser stürb, dem Element das diesem grad entgegen ist, besorgen sie (wiewohl der Wahrheit zuwider) daß die Seel darinn ganz unterging. Wie auch Aeneas in dem Sturm, den bey Sizilien seine Flott erlitt, bedauert' daß er nicht lieber von der Hand des starken Diomedes erlegt wär, und dreymal selig und viermal die im Brand von Troja Gestorbenen pries. Bey uns hie ist kein Mensch gestorben. Gott dem Erhalter sey Lob dafür in Ewigkeit.[99] Allein fürwahr, in unserm Haus ists wild ergangen! Dieß Wrack will gut gebessert seyn. Nun, seht nur zu daß wir nicht stranden.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 97-100.
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