Vierter Auftritt


[470] Verwandlung.

Romantische Gegend auf Kallidalos. Die eine Hälfte der Kulissen stellen Häuser vor, die andere Wald. Lucina, Ewald, die Krone auf dem Haupte, treten auf.


LUCINA. Du bist hier auf der kallidalschen Insel. Erhole dich von deinem Schreck.[470]

EWALD. Vergib, daß meine Nerven ängstlich zucken, noch ist die Greuelsszene nicht aus meinem Hirn entwichen, und nimmer möcht ich solchen Anblick mehr erleben.

LUCINA. Hier wirst du leichteren Kampf bestehn, mein armer König ohne Reich. Nun horch auf mich. Auf dieser Insel herrscht die feine Sitte, daß sich der König und die Edelsten des Volkes am ersten Frühlingstag im Venustempel dort versammeln. Von allen Mädchen dieses Reichs, die zartgeputzt dem königlichen Aug sich zeigen, ernennet er die Schönste als des Festes Herrscherin und schmückt das wunderholde Haupt mit einer Rosenkrone. Dann wählet er aus rüstger Jünglingsschar den Tapfersten, der sich nicht weigern darf, und schenkt ihm ihre Hand, nachdem er ihn zuvor zu einem Amt erhebt. Das Brautpaar wird sogleich an Cyprias Altar vermählt. So endet sich das Fest und dieses Tages Jubel. Du sorgst, daß dieser Preis auf einem Haupte ruht, das sechzig Jahre schon des Lebens Müh getragen. Doch dürfen es nicht Rosen zieren, ein Myrtendiadem muß auf der Stirne prangen, durch Weiber aufgedrückt, die neidisch nach der Krone blicken, nach der sie selbst vergebens ringen. Wodurch du dies bezweckst, wirst du wohl leicht erraten. Die Krone leg nun ab, ich will sie selbst verwahren.


Ewald kniet sich nieder. Zwei Genien erscheinen aus der Versenkung. Sie nimmt ihm die Krone ab.


Sie ziemt nicht deiner Stirn. Gibt sie den Genien. Bewahrt sie wohl, beherrscht sie auch kein Reich, wird sie doch viele Reiche retten. Die Genien versinken damit. Hast du nun einen Wunsch, so sprich ihn aus.

EWALD. Ob mein Begleiter lebt, dies wünscht ich wohl zu wissen. Auch seiner Sendung Zweck ist mir ein Rätsel noch.

LUCINA. Er lebt. Wozu ich ihn bestimmt, wird sich noch heut enthüllen. Bald siehst du ihn, doch magst du nicht ob der Verändrung staunen, die sein Gemüt erlitten hat, sie währet nur so lang, bis so viel Blut durch seine Hand entströmt, als Wasser er aus meinem Zaubersee getrunken.[471]

EWALD. Wie! einen Mörder werde ich in ihm erblicken?

LUCINA. Sei ruhig nur, ich lenke seinen Arm. Befolge du nur mein Geheiß und fordre dann den Lohn. Für alles andre laß die hohen Götter sorgen, die oft durch weise Wahl gemeine Mittel adeln, daß sie zu hohen Zwecken dienen.


Ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 470-472.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die unheilbringende Zauberkrone
Raimundalmanach / Die unheilbringende Zauberkrone: Oder König ohne Reich, Held ohne Mut, Schönheit ohne Jugend