An einen neuaufgenommenen Freymaurer

[155] Wien im Christmond 1784.


I wish not others to confine:

Be their opinions unrestrain'd as mine.

Churchill.


So bist denn nun auch du, mein wackrer Freund

Und Günstling meiner Seele! bist auch du

Der Eingeweihten Einer? Hast du nun

Nach langem Kampf es über dich vermocht,

Dein Ehrenwort auf Pflichten blindlings zu

Verbürgen, die man vor der Weihe dir

Geheimnissvoll in dichten Schleyer hüllt,

Und die du doch nachher gewissenhaft

Als Biedermann, dem Eid und Männerwort

Mehr ist, als Schellenklang, erfüllen musst?
[156]

Glück zu, mein Bruder, den ein neues Band

Nun fester noch an meinen Busen schlingt!

Und dreymal Heil dem Orden, der an dir

Ein Glied gewann, das seiner würdig ist!

Doch, junger edler Mann! du, dessen Herz

An Lauterkeit dem reinen Äther gleicht,

Und dessen angeborner warmer Hang

Für alles, was da gut ist, mir schon längst

Ein Zeugniss deines innern Werthes war,

An dem ich, seit dein offner freyer Sinn

Mein Herz an deines schloss, und Sympathie

Uns eng verbrüderte, mich nie betrog,

Lass uns nunmehr die Bahn, die du betratst,

Weil früher es zu thun des Maurers Pflicht

Nicht zugab, mit der Fackel der Vernunft

Beleuchten, wie es Wahrheitsforschern ziemt

Lass uns, dem weisen Scheidekünstler gleich,

Der das Metall von Schlacken sorgsam trennt,

Die Hoffnungen, die sich die Phantasie

Des Neugeweihten schwärmerisch erträumt,

Von jenen ächten sondern, die der Geist[157]

Des denkenden geprüften Maurers oft

In Stunden heil'ger Weihe sich erschafft!


Die Hoffnung, die das unbefangne Herz

Des reisern Maurers mit dem Vorgefühl

Beglückter Zukunft füllt, ist der Vernunft

Bescheidne Tochter. Ruh, Zufriedenheit

Und Mässigung sind die Gespielinnen

Der biederen Matrone. Kunstlos wallt

Ihr grünliches Gewand den Leib hinab.

Ihr hehrer feyerlicher Blick verheisst

Nur das, was weise Prüfung billiget.

Ernst und bedachtsam tritt sie in den Kreis

Erfahrner Denker, leitet ihren Rath,

Wählt und verwirft, und wieget Plan für Plan

Stäts auf der Wage der Erfahrung ab.


Ein Wesen andrer Art ist, was der Thor

Unrichtig Hoffnung heisst: der Kluge nennt

Die Dirne Täuschung; denn ein luftig Kind

Der Schwärmerey, von Träumen grossgesäugt,[158]

Wirft diese freche feile Buhlerinn

Sich jedem Gecken kosend in den Arm,

Und füllt ihm das benebelte Gehirn

Mit tollen läppischen Erwartungen,

Die oft das weite Reich der Möglichkeit

Kaum in sich fasst. Erklärten Metzen gleich,

Schweift sie geputzt, in prahlerischem Pomp,

Geschminket, bunt wie ein Chamäleon,

Den lärmerfüllten Heerweg auf und ab.

Stolz, Unzufriedenheit und Eitelkeit

Sind ihr zur Seite. Gierig folget ihr

Ein lächerliches Heer geblendeter

Glücksritter nach, das theils durch trügende

Trübangehauchte Brillen sieht, und theils

Der Sehkraft ganz beraubt ist. Das Gewand

Der Afterhoffnung ist dem Scheine nach

Zwar leicht und niedlich, doch von dichtem Stoff,

Damit kein Auge je die Missgestalt

Der Schändlichen in ihrer Blösse sieht.

Sieh! in der Hand trägt sie ein Füllhorn, voll

Phantastischer Entwürfe, die den Schwarm[159]

Schwachköpfiger von der geraden Bahn

Der prüfenden Vernunft in's Labyrinth

Zweckloser Grillen locken, und sogar

Genossen unsrer königlichen Kunst

In's Netz des Wahns am Zauberbande ziehn.

Das Licht erleuchtete hellschimmernd zwar

Die Finsterniss: doch sie erkannten's nicht.


Licht war die tröstliche Verheissung, Freund,

Die bey der Weihe dir von dem Altar

Entgegentönte. Lasst den Leidenden

Das Licht sehn, dessen er seit der Geburt

Beraubt war, scholl des Meisters ernster Ruf.

Was du nachher, als du den grossen Schwall

Der Eingeweihten staunend übersahst,

Mir in die Ohren rauntest, hat sich tief

In mein Gehirn geprägt. Wie? sagtest du

Halb zweifelhaft, hat dieses ganze Heer

Am Lichte Theil? Fürwahr! ich wähnte nicht,

Dass unsre Gegend an Erleuchteten

So, überreich sey ... Wahr ist's leider! Freund![160]

Dass sich die ehrnen Pforten, die den Blick

Profaner Neugier von dem Heiligthum

Der Maurerey entfernen, heut zu Tag

Zu willig öffnen. Wahr ist es, dass itzt

Manch armes Wichtchen in dem Kleid des Lichts

Einhergeht, dessen Wandel wahrlich mehr

Von Finsterniss, als von Erleuchtung zeugt.


In Mitte dieses traulichen Gesprächs

Kam, wie du weisst, ein Hocherleuchteter

So feyerlich, als hätt' er eben erst

Den ganzen Plan zum Tempel Salomo's

Mit eigner Hand entworfen, auf dich zu.

Willkommen, sprach er, Bruder! und ergriff

Dich bey der Hand, willkommen! Freun Sie sich

Des seltnen Glücks, das Ihnen heute ward!

Sie näherten dem Quell des Wissens sich.

Sie sind nun auf dem grossen Scheideweg,

Wo plötzlich das verworrenste Problem

Zum klarsten Axiom wird. Nur Geduld,

Geduld, mein Bruder! Ihre Hauptpflicht sey[161]

Von Stund' an Hoffen, Schweigen und Vertraun!

Betrachten Sie nie müde Tag und Nacht

Die grossen Wunder und Geheimnisse,

Die dieses Teppichs enger Raum umschliesst!

Was Sokrates und Aristoteles,

Was Plato, Epikur und Epiktet,

Was Newton, Leibnitz und viel andere

Nur oberflächlich sahn, liegt deutlich hier

In dieses Teppichs Zeichen aufgedeckt.

Sie werden einst ... Doch mehr zu sagen lässt

Mein Eid nicht zu: wohl dem, der's fassen kann!


Du lächeltest, als dieser Mystagog

Uns nun den Rücken wies, und sprachst erstaunt:

Sah dieser auch das Licht? ... Ja, junger Mann!

Auch dieser sah das Licht. Doch im Vertraun!

Es giebt der Lichter vielerley, und eins

Giebt helleren, das andre düstrern Schein.

Es flammt nicht nur der Sonne goldner Strahl;

Es leuchtet auch des Irrlichts schwacher Glanz.

Was aber dich ein Wunder dünken wird,[162]

Ist, Freund! dass mancher seines Irrlichts Schein

Für heller hält, als andrer Sonnenglanz.


So viel es Maurerhallen giebt, beynah

So viel verschiedne Lichter giebt es auch,

Und wenig Brüder nur sind eines Sinns,

Wenn man sie ausforscht, welche Wissenschaft

Doch eigentlich das grosse Mittel sey,

Wodurch der Suchende zum Zweck gelangt.

Chemie! Chemie! raunt nun ein Schwärmer dir

In's Ohr, und zeiget den geheiligten

Schmelztiegel dir. Magie! Magie! ruft drauf

Ein Seher andrer Gattung, und verweist

Voll Zuversicht dich an die Kabbala.

Politik! flüstert eine dritte Art

Von Träumern dir entgegen, und empfiehlt

Das Ordenskreutz der Tempelritter dir.


Nun sprich, o Freund! was kann, was soll ein Mann,

Dem die Natur gesunde Wissbegier[163]

Und Geist verlieh, von einer Wissenschaft,

Die hin und wieder schwanket, wie ein Rohr,

Das jedem leichten Wind zu Willen steht,

Mit Grund wohl hoffen? Ist es Unvernunft,

Ist's Hochverrath, wenn er bescheiden sich

Zur kleinen Zahl der Sceptiker gesellt?

Sieh! sassen nicht bisher die Weisesten

Der Brüder mehr als einmal schon zu Rath,

Und forschten fruchtlos nach, was doch das Ziel

Des freyen Maurers, ob es Wissenschaft,

Ob's blosse Tugend sey? Von neuem zwar

Versammelt nun sich ein Synedrium

Von Eingeweihten in dem Orient

Von Gallien, das diesen grossen Punkt

Entscheiden soll: doch bis dahin, o Freund!

Geh mit dir selbst zu Rath, ob du mit Fug

Erwarten kannst, dass Kell' und Schürze dir,

So wie zur Stunde noch die Sache steht,

Ein neues Feld von höhern Kenntnissen

Eröffnen wird, ob dir's behäglich ist,

Des Lebens Spanne, die uns die Natur[164]

So kärglich zumass, einer Wissenschaft

Zu weihen, deren Daseyn immer noch

Ein mystisches verworrnes Räthsel ist.

Ist dir es Ernst, der Seele heissen Durst

Nach Licht zu stillen, so beschäftige

Dich mit dem Schatz entschiedner Kenntnisse,

Den grauer Weisen Mund uns hinterliess,

Und kein Gewebe von missgünstigen

Mysterien in dunkle Schatten hüllt.


Doch wenn dich auch die süsse Hoffnung täuscht,

Dass König Salomo's gepriesne Kunst

Je deinem Geist mehr Licht gewähren wird,

So darf dich's doch des Schrittes nie gereun;

Denn sieh! ein Strahl von Hoffnung, der die Nacht

Der ungeweihten Welt nur schwach erhellt,

Glänzt in dem Heiligthum der Maurerey

In voller Schöne. Bruderliebe, Trost

Und Hilfe, wenn des Schicksals strenge Wuth

Dich anfällt, feste Treu', Ergebenheit

Und Wohlthun sind des Ordens süsser Lohn,[165]

Auf den du festes Muths vertrauen kannst.

Wenn eines Freunds Besitz Entschädigung

Für den Verlust der Welt ist, welch ein Glück

Verheisst dir ein Verein, der jedes Glied

Des ganzen Bunds zu deinem Bruder macht!


Glaub', edler Jüngling! ächte Maurerey

Wohnt nicht im Kopf: ihr Wohnsitz ist das Herz.

Ich neige vor dem theoretischen

Freymaurer tief und ehrfurchtsvoll das Haupt:

Den praktischen fass' ich mit traulichem

Entzücken bey der Hand. Der ist mein Mann,

Der ein gefühlvoll Herz im Busen trägt,

Der Mensch zu Teyn nie säumet, und so gern

Für andrer Wohl und Weh empfänglich ist.

Gross ist es zwar, wenn der Erleuchtete

Sich einst des Steins der Weisen rühmen kann:

Doch süsser ist's, wenn mein Gewissen mir

An der Vollendung Ziel das Zeugniss giebt:

Ich war ein guter Mann ... ich half, so viel

Es meine Habe zuliess, Darbenden ...[166]

Ich rettete den Bruder mitleidsvoll,

Als ihn des Schicksals eisernes Gewicht

Schon halb zu Boden drückte ... meine Hand

War's, die der Wittwe Thränen trocknete ...

Ich stillete das wimmernde Geschrey

Verlassner armer Waisen ... ohne mich

Wär' itzt die edle Mutter, die ein Kreis

Von wohlerzognen Kindern eng umschliesst,

Der Schande Raub, erkaufter Lüste Ziel.


Der ist beglückt, der andre glücklich macht.

Wohlthätigkeit ist ein Naturgeschenk,

Das Kunst und Wissenschaft weit überwiegt.

Ich kenne, Freund! kein grässlicher Geschöpf

Auf Gottes Erde, denn ein menschlich Thier,

Das nie des Mitleids sanfte Regung fühlt.

Du sahst gewiss hilfloser Menschen Noth

Nie unempfindlich an, warst jederzeit

Der Menschheit wärmster Freund: sey es nunmehr.

Da Schürz' und Kelle dir zur Pflicht es macht,

Gedoppelt! Lass durch Zeichendeuterey[167]

Und durch Symbolenkram dir nie die Zeit,

Die du dem Wohlthun widmetest, entziehn!

Verirre nie auf Nebenwegen dich!

Bleib auf der offnen Bahn! Die Stimme des

Verkünders in der Wüste, wenn doch je

Solch eine Stimme schallt, wird dir auch hier

Wohl ruchtbar werden. Ist sie aber, Freund!

Ein Bild des Wahns, ein nichtig Traumgesicht,

So opfertest du keinem Hirngespinst

Dein kurzes Daseyn auf, so glaubtest du

Nicht ohne Grund, dass ächte Maurerey

Im Herzen nur, nicht in dem Kopfe wohnt.

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 155-168.
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