Siegeslied

[152] Nach Ovids zwölftem Gedicht im zweyten Buch seiner Liebeslieder.


Wien im Weinmond 1784.


Schlingt Lorbern um mein Haupt! Triumph!

Triumph! o Freunde!

Korinn' ergiebt des Siegers Armen sich:

Umsonst vereinigten sich alle meine Feinde,

Sich Gatte, Schloss und Wächter wider mich.


Es töne doppelt laut des Ruhmes Siegstrompete!

Denn meine Beut' ist unbefleckt von Blut:

Nicht einen schwachen Wall, nicht unhaltbare Städte,

Ein stattlich Weib bezwang mein Heldenmuth!
[153]

Als einst im zehnten Jahr die Stadt der Dardaniden

Ein banger Raub der Griechen wurde, schrieb

Der Ruf so Vielen Lob und Preis zu, dass Atriden

Für seinen Theil nur wenig Ehre blieb.


Mir bleiben meines Siegs Verdienste ganz; nicht Einer

Nahm hilfreich Theil an meinem Heldenstreich:

Ich kämpft' und siegt' allein, war Feldherr und Gemeiner,

War Füsilier und Kürassier zugleich.


Mein Sieg ist nicht das Werk des Zufalls einer Stunde,

Ich überwand durch Geistesgegenwart:

Mein Unternehmen ist nicht Neuerung; die Kunde

Der Vorzeit strotzt von Fehden dieser Art.
[154]

Als Tyndars Tochter einst mit Paris floh, geriethen

Europa nicht und Asien in Streit?

Ward nicht ein rauher Schwarm Centauren und Lapithen

Einst durch ein Weib beym Trinkgelag entzweyt?


Ein Weib riss das Gefolg Äneens in des milden

Latins Gebiet zu neuen Kämpfen hin:

Des Weibes Reitz bewog Roms Stifter, sich den wilden

Verwägnen Grimm der Schwäger zuzuziehn.


Oft reitzt die blendende milchfarbne Kuh, zur süssen

Begattung reif, die Bullen zum Turnier:

Seht! so erhob auch ich, doch ohne Blutvergiessen,

Auf Amors Wink der Liebe Kriegspanier.

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 152-155.
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