[72] Susanna. Beniamin. Jahel. Joachim. Helchias. Elisabeth.
SUSANNA.
O Gott der du allein gerecht
Du hast mich nu gerochen recht
Und mich errett aus disem todt
Denn du allein in aller not
Der helffer bist / und nicht verlest
Die sich auff dich verlassen fest
Dein zusag bleibet allzeit wahr
Kein mensch dich lügen zeihen thar
Du hast deinn kindern / zusag than
Du wölst sie nimmer mehr verlahn
Sie sölln die rach nur dir zugebn
Du wöllest sie wol rechen ebn
Das hast an mir auch wahr gemacht
Und deiner zusag recht gedacht
Darumb ich dich auch preysen wil
Weil ich in mir das leben fül
Und wil auch weiter des zu dir
Versehen mich / du werdest mir
Mein leben lang in aller noth
Erzeygen dich einn trewen Gott /
O lieben frummen eldern mein
Und yhr o liebster gmahel fein
Last uns von hertzen lobn / und ehrn
Den almechtigen Gott / und herrn
Der sich so freuntlich her geneygt
Und uns sölch wolthat heut erzeigt /
Und yhr auch liebsten kindlein mein
Last das euch zum exempel sein
Das yhr stets fürchtet Gott den herrn
Yhn liebt / vertrawt / und haltt in ehrn
Dann yhr ja ytzt habt gsehen frey
Wie Gott der her mir gstanden bey
Mich hat errett bey meinem lebn
Und mich gesund euch widergebn[73]
BENIAMIN.
Ja liebe hertzne muter mein
Wir wollen nu viel frümer sein
JAHEL.
Ich auch wil fumb / und thosam sein
SUSANNA.
Ja thu es / du liebes töchterlein
JOACHIM.
Susanna liebste frawe mein
Ein steynen hertz fürwahr müst sein
Das Gott nicht dancket fur die gnad
Die er uns heüt erzeiget hat
Das er euch hat errett so fein
Und wunderlich vons todes pein
Ich hatt mich eur schon gar verzign
Nu abr ich euch thue wider kriegn
So solt yhr mir viel lieber sein
Weil yhr eur ehe gehalten rein
Und Gott eur unschuld selbs bekant
Mit dem / das er von euch die schand
Hat in die lügner selbs gesteckt
Und wider sie den knabn erweckt
HELCHIAS.
Das ist mir auch ein grosser trost
Das du dich rein erhalten hast
Und heut bestehst mit allen ehrn
Vor Gott / und auch vor disen herrn
Das kann ich Gott verdancken nicht
Das er dein unschult hat gericht
ELISABETH.
Ja freilich künn wir nimmer mehr
Bezalen Gott die grosse ehr
Die er an uns hat heut gewandt
Das er den knaben hat gesandt
Dein unschuld hie zu offenbarn[74]
Drumb solln wir auch kein zeit nicht sparn
Und dancken Gott on unterlaß
Das er uns hat erzeiget das /
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