Das dritte Capitel.

[145] Es war gleich denselben Tag, als die Nacht zuvor meiner Fr. Mutter die Trüthüner waren gestohlen worden, da ich die ehrliche Geburts-Stadt verließ und meine sehr gefährliche Reise zum andern mahl zu Wasser und Lande wieder antrat.

Kaum waren wir einen Mußqueten-Schuß von der Stadt gefahren, so schmiß uns der Postilion um, das flugs alle 4 Räder an der Post-Calesse in Stücken brachen! Die Personen, so er geladen hatte, die lagen der Tebel hohl mer im Drecke biß über die Ohren, denn es war in einem greulichen Morast-Loche, da er uns umschmiß. Ich hatte noch von grossen Glück damahls zu sagen, daß ich hinten in der Schoß-Kelle saß, denn wie ich sahe, daß der Wagen fallen wolte, so sprang ich mit meinen Kober herunter, denn wenn ich wäre sitzen blieben, ey sapperment! wie würde ich mit meiner Nase in Dreck auch gelegen seyn! Da war nun Lachen zu verbeissen, wie sich die Passagirer so im Kothe herum weltzten! Der Postilion wuste nun seinem Leibe keinen Rath,[145] wie er fortkommen wolte, weil die Räder alle viere am Wagen zerbrochen waren!

Nachdem ich nun sahe, daß gantz keine Hülffe fortzukommen vorhanden war und ich mich nicht lange zu versäumen hatte, sondern wolte eiligst die Stadt Venedig besehen, so war ich her – ich nahm meinen grossen Kober und bedanckte mich gegen meine Reise-Gefehrten, welche noch in Drecke da lagen, vor geleistete Compagnie und gieng immer per pedes nach Italien und Welschland zu.

Denselben Tag wanderte ich noch zu Fuße 22 Meilen und gelangete des Abends bey zu rüste gehender Sonne in einem Kloster an, worinnen die barmhertzigen Brüder waren. Der Tebel hohl mer – gute Kerls! Sie tractirten mich mit essender Waare recht fürstlich, aber kein gut Bier hatten sie in demselben Kloster. Ich fragte sie auch, wie es denn käme, daß sie keinen guten Tisch-Trunck hätten? So gaben sie mir zur A[n]twort: Es hätte bey ihnen die Art so, nicht gut Bier zu brauen, dieweil sie mit lauter sauren Wasser versehen wären. Damit so lernte ich ihnen ein Kunst-Stück, wie sie könten gut Klebe-Bier brauen, welches auch so gut schmecken würde, daß sie es gar mit Fingern austitschen würden, und wie sie darnach würden lernen brav predigen können. O sapperment! wie danckten mir die barmhertzigen Brüder vor mein Kunst-Stück, welches ich ihnen gelernet hatte! Sie stellten auch noch selben Abend eine Probe an, den Morgen früh darauff hatten sie der Tebel hohl mer das schönste Klebebier im Bottge,[146] welches wie lauter Zucker schmackte. Ey sapperment! wie zu soffen sich die barmhertzigen Brüder in den Klebe-Biere und kunten nicht einmahl satt werden, so gut schmackte es [i]hnen. Sie musten bald immer das Maul mit Fingern zuhalten, so begierig soffen sie es hinein und wurdens nicht einmahl inne, wenn es ihnen gleich in die Köpffe kam!

Wie mir auch die Kerl deßwegen so gut waren und viel Ehre erzeugten, werde ich der Tebel hohl mer mein Lebtage nicht vergessen. Sie baten mich auch, daß ich eine Welle bey ihnen bleiben sollte, allein ich hatte keine Lust dazu. Da ich von denselben nun wieder Abschied nahm, gaben sie mir ein Hauffen Victualien mit auff den Weg, daß ich nicht verhungern solte, denn die barmhertzigen Brüder hatten gleich den Tag zuvor (welches der Freytag war im Kloster) 6 Ecker-Schweine geschlachtet, davon kriegte ich eine grosse lange Wurst und ein abscheulich Stücke dicke Speck mit auff meine gefährliche Reise. Nun kan ichs der Tebel hohlmer wohl sagen, daß ich dergleichen Speck mein Lebetage noch nicht in der Welt gesehen hatte, als wie ich bey den barmhertzigen Brüdern da antraff, und wenn er nicht sechs Ellen dicke war, so will ich der Tebel hol mer kein brav Kerl seyn!

Nachdem ich nun von den Barmhertzigen Brüdern Abschied genommen hatte und mein grosser Kober ziemlich mit Proviant gespickt war, so nahm ich meinen Weg immer nach Venedig zu. Unterwegens abholete ich eine geschwinde Post, welche auch willens[147] war, nach Venedig zu fahren und weil der Postilion nicht viel Personen geladen hatte, so dingete ich mich auff dieselbe, doch trauete ich mich nicht unter die Compagnie mit zu setzen aus Furcht, der Post-Knecht möchte etwan auch umwerffen wie der vorige und man könte nicht wissen, wie das Umwerffen allemahl gelückte. So satzte ich mich wieder hinter mit meinem grossen Kober in die Schoßkelle und hieß den Postilion per postae nach Italien und Welschlande fortfahren.

Wir fuhren etliche Tage sehr glücklich und wie wir etwan noch einen Büchsenschoß von Venedig hatten, allwo man zwischen grossen hängigten Bergen fahren muß, so schmiß der Postilion, ehe wir es uns versahen, den Post-Wagen um, daß er wohl den einen Berg hinunter über 1000 mahl sich mit uns überkepelte und nahm der Tebel hohl mer keiner nicht den geringsten Schaden. Ausgenommen zwey Räder, die gingen an der Post-Calesse vor die Hunde. Aber die wir auff den Post-Wagen sassen, wurden alle mit einander wichtig von dem Sande bestoben, denn es glebt um Venedig herumb nichts als lauter sandigte Berge. Es war auch ein Hauffen Staub und Sand in meinen grossen Kober gekommen, daß an den Specke, welchen mir die barmhertzigen Brüder mit gegeben, wohl Ellen dicke Sand und Staub sich dran geleget hatte. Nachdem ich nun sahe, daß der Postilion in Ermangelung 2 Räder an seiner Post-Calesse sich lange da auffhalten wolte, so ging ich zu Fusse vollends nach der Stadt Venedig zu. Wie[148] mir aber unterwegens der Wind die Augen so voller Sand und Staub wehete, ist der Tebel hohl mer unbeschreiblich, denn es war dasselbe mahl ein unerhörter grosser Wind. Doch muß ich gestehen, daß sich die Stadt Venedig von ferne der Tebel hohl mer recht propre praesentiret, denn sie liegt auff einen grossen hohen Stein-Felsen und ist mit einen vortrefflichen Wall umgeben.

Als ich nun die Stadt Venedig zu Fusse mit meinen großen Kober erreichet, so kehrete ich im Weissen Bocke ein, allwo ich sehr gute Bequemligkeit und Bedienung hatte. Die Wirthin, welches eine Wittfrau war, die empfieng mich sehr freundlich und führete mich gleich in eine wunder schöne Kammer, worinnen über 200 die gemachten Betten stunden. Dieselbe Kammer gab sie mir zu Verwahrung meiner Sachen ein und nahm mit einer höfflichen Complimente wiederum Abschied.

Wie ich nun allein in der wunderschönen Kammer war, nahm ich meinen Kober vom Halse ab, machte ihn auff und langete mir aus demselben ein weiß Hembde, denn das Hembde, welches ich sehr lange auff dem Leibe getragen, in demselben war es nun eben nicht gar zu sicher, indem ich bey den barmhertzigen Brüdern mit etlichen Regimentern Kostgängern war beschencket worden! So bald als ich mir nun selwge vom Leibe geschafft und ein weiß Hembde angezogen hatte, versteckte ich meinen grossen Kober mit den Sachen unter ein gemacht schön Bette, damit ihn niemand finden solte und gieng aus der[149] Kammer wieder heraus, schloß sie zu und fragte die Wirthin: Was denn guts Neues in der Stadt Venedig paßirete? Die Wirthin, die gab mir zur Antwort und sagte: Es wäre ietzo allerhand (indem es Jahrmarckt wäre) auff den Sanct Marx-Platze zu sehen. O Sapperment! wie nahm ich meinen March nach den Sanct Marx-Platze zu, als die Wirthin vom Jahrma[r]ckte schwatzte. Ich war her und hohlte meinen grossen Kober mit meinen Sachen geschwinde wieder aus die Kammer und hing denselben an, damit mir derselbe, weil es Jahrmarckt war, nicht irgend weg kommen solte.

Wie ich nun auff dem St. Marx-Platze kam, ey Sapperment! was stunden da vor wunderschöne Häuser, desgleichen ich in Holland und Engelland, wie auch in Schweden und gantz Indien an keinen Orte niemahls noch nicht gesehen hatte. Sie waren der Tebel hol mer mit den kostbarsten Marmorsteinen ausgemauret und war ein Hauß wohl über funfftzig Geschoß hoch, und vor einen iedweden Hause ringst um den Marckt herum stund eine grosse Plumpe aus Ursachen, weil das Wasser da so seltzam ist. Mitten auff dem St. Marx-Platze nun stund eine grosse Glücks-Bude, da griff nun hinein wer wolte. Es muste aber die Person vor einen iedweden Griff einen Ducaten geben. Es waren aber auch Gewinste darinnen zu 60 bis 70 tausend Thalern und gab auch sehr geringe Gewinste, denn der gerin[g]ste Gewinst wurde nur auff einen Patzend werth geschätzet, welches in Teutschland 6 Pfennige macht.[150]

Wie ich nun sahe, daß manche Leute brav gewannen, so war ich her und wagte auch einen Ducaten dran und wolte mein Glück versuchen. Als ich nun in den Glücks-Topff hinein griff, O sapperment! was waren da vor Zeddel – ich will wett[e]n, daß wohl über tausend Schock Million[e]n Zeddel in dem Glücks-Topffe da vorhanden waren! Indem ich nun in den Glücks-Topff mit beyden Händen hinein fühlte, so that ich auch einen solchen Griff, daß ich die Zeddel bald alle auff einmahl mit beyden Fäusten heraus griffe. Da dieses der Glücks-Töpffer sahe, O sapperment! wie klopffte er mich auff die Finger, daß ich so viel Zeddel heraus geschlept brachte, welche ich aber mit einander flugs wieder hinein schmeissen muste und hernach vor meinen Ducaten nur einen eintzigen hinaus nehmen, welches ich auch that. Wie ich nun vor meinen Ducaten einen Zeddel aus dem Glücks-Topffe heraus genommen hatte und ihn auff machte, so war es eine gute Nummer und zwar Nummer 11. Dieselbe muste ich nun dem Glücksbüdner zeigen. Nun meynten damahls alle Leute, ich würde was rechts davon tragen, weil ich eine ungleiche Nummer ergattert hätte, aber wie darnach gesehen wurde, was Nummer 11 mit sich brachte, so war es ein Bart-Bürstgen vor 6 Pfeng. O sapperment! wie lachten mich die um die Glücks-Bude herumstehenden Leute alle mit einander mit meinen Bart-Bürstgen aus! Ich kehrte mich aber an nichts, sondern war her und griff noch einmal in den Glücks-Topff hinein und langete noch einen Zeddel heraus. Derselbe hatte nun wiederum eine gute Nummer, denn es war Nummer 098372641509. Sapperment![151] wie sperreten die Leute alle mit einander in und an der Glücks-Bude die Mäuler auff, daß ich so eine vortreffliche Nummer ergriffen hatte! Dem Glücksbüdner muste es nun wohl flugs sein Hertze gesagt haben, daß ich was rechts aus seiner Bude ergriffen hätte, denn sobald als er den Zeddel nur ansichtig wurde, so fing er erschrecklich an zu schwitzen und roch um ihn, als wenn er seine Hosen inclusive und exclusive starck balsamiret hätte.

Wie nun in der Glücks-Bude nachgesehen wurde, was meine vortreffliche Nummer vor einen Gewinst hatte, so war es ein Pferd vor 500 Rthlr. und des Glücksbudners seine Frau, welche auff 1000 Ducaten stund! O mor pleu! was war vor ein Zulauff, wie es kundbar wurde: Signor Schelmuffs[k]y hätte sich in der Glücks-Bude so wohl gehalten! Ich muste mich nun gleich auff das gewonnene Pferd setzen und die 1000 Ducaten an statt des Glücks-Töpffers seiner gewonnenen Frau wurden alle an ein Pater noster gereihet. Dieselben muste ich über meinen grossen Kober hängen und in der gantzen Stadt herum reiten, damit die Leute meinen Gewinnst sahen. Es musten auch vor meinem Pferde hergehen 99 Trommelschläger, 98 Schallmey-Pfeiffer und ihrer drey mit Lauten und einer Zitter. Die 2 Lauten und die eintzige Zitter klungen auch so anmuthig unter die Trommeten und Schallmeyen, daß man der Tebel hohl mer sein eigen Wort nicht hören kunte. Ich aber saß darbey sehr artig zu Pferde und das Pferd[152] muste wohl seyn auff der Reut-Schule und auff den Tantz-Boden gewesen, denn wie die Music ging, so tantzte es auch und trottirete der Tebel hohl mer unvergleichlich. Wie mich auch das Frauenzimmer zu Venedig, als ich auff den St. Marx-Platz kam, in einem ansahe, kan ich der Tebel hohl mer nicht gnungsam beschreiben, denn es lachte alles an meinem gantzen Leibe und kunte ein ieder flugs sich an den Fingern abzehlen, daß meines gleichen wohl schwerlich würde in der Welt zu finden seyn.

Unter währenden Herumreuten liessen mir wohl über dreißig Nobels-Personen auf der Gasse nachschicken, und liessen mich unterthänigst grüssen und schöne bitten: Ich möchte ihnen doch berichten, wer und wes Standes ich wäre, damit sie ihre schuldigste Auffwartung bey mir abstatten könten. Ich ließ aber denen Nobels-Personen allen sehr artig wieder zur Antwort sagen, wie daß ich mich zwar was rechts in der Welt schon versucht hätte und wäre in Schweden, in Holland und Engelland, wie auch bey dem grossen Mogul in Indien gantzer 14 Tage lang gewesen und wäre mir auff seinem vortrefflichen Schlosse Agra viel Ehre wiederfahren; wer ich nun seyn müste, das könten sie leichtlich rüchen.

Hierauff so ritte ich mit meiner Music nun wieder fort und als ich vor dem Rath-Hause vorbey trottiren wolte, so fielen mir unvermutheter Weise 26 Häscher meinem Pferde in Zaum und schrien alle zugleich: Halt! Wie ich nun stille halten muste, so kamen die grossen Raths-Personen, welche in vierzehen hundert Nobels bestunden, die becomplimentireten mich und schätzten sich glücklich, daß sie die[153] hohe Ehre haben solten, meine vornehme Gegenwart zu genüssen. Als sie solch Compliment gegen mich nun abgeleget hatten, so antwortete ich zu Pferde überaus artig auch wieder, in halb Engeländischer, Holländischer wie auch bisweilen teutscher Sprache.

Sobald als nun meine Antworts-Rede aus war, hiessen mich die sämtl. Raths-Herren absteigen und baten mich, daß ich ihr vornehmer Gast seyn solte. Worauff ich mit meinen grossen Kober alsobald abstieg und gab Ordre, mein Pferd so lange ins Häscherloch zu ziehen, biß daß ich gegessen hätte. Welches auch geschahe.

Damit so führeten mich drey Präsidenten in der Mitten auff das Rathhauß hinauff, hinter mir her giengen nun die sämtl. Mit-Glieder des Raths, alle zu zwölffen in einer Reihe. Wie wir nun 11 Treppen hoch auff das Rath-Hauß gestiegen waren, ey sapperment! was präsentirete sich da vor ein schöner Sahl! Er war mit lauter geschliffenen Werckstücken von Glase gepflastert und an stat des Taffelwercks waren die Wände mit lauter Marmorsteinern Gipse ausgemahlet, welches einen fast gantz die Augen verblendete. Mitten auff dem Saale nicht weit von der Treppe stund eine lange von Venedischen Glase geschnittene Taffel gedeckt, auff welcher die raresten und delicatesten Speisen stunden.

Ich muste mich nun mit meinen grossen Kober gantz zu oberst an die Taffel setzen und neben mir sassen die drey Präsidenten, welche mich die 11 Treppen[154] hinauff geführet hatten. Weiter an der Taffel hinunter sassen die übrigen Mitglieder des Raths und sahen mich alle mit höchster Verwunderung an, daß ich solchen Appetit zu essen hatte! Unterwärender Mahlzeit wurde nun von allerhand discuriret, ich aber saß anfänglich gantz stille und stellte mich, als wenn ich nicht drey zehlen könte. Da ich mich aber satt gefressen hatte, so that ich hernach mein Maul auch auff und fing an zu erzehlen, wie daß ich in Indien einsmahl von den grossen Mogul so vortrefflich wäre beschencket worden und wie daß ich denselben den Calculum wegen seiner Einkünffte hätte führen müssen und wie ich noch halb so viel Überschuß heraus gebracht, als er jährlich hätte einzunehmen gehabt; und wie daß der grosse Mogul mich deßwegen zu seinen Reichs-Cantzler machen wollen, weil ich Adam Riesens Rechen-Buch so wohl verstanden. O Sapperment! wie horchten die Herren des Raths zu Venedig, da ich von dem Reichs-Cantzler und Adam Riesens Rechen-Buche schwatzte! Sie titulirten mich hernach nicht anders als Ihr. Hochwürden und fingen alle mit einander gleich an, meine Gesundheit zu trincken. Bald sagte Einer: Es lebe derjenige, welcher in Indien hat sollen des grossen Moguls Reichs-Cantzler werden und hats nicht annehmen wollen! Bald fieng ein anderer an und sagte: Es lebe derjenige, welcher noch halb so viel Überschuß über des grossen Moguls Einkünffte heraus bringen kan, ob ers gleich nicht einzunehmen hat. Welche und dergleichen Gesundheiten wurden nun von allen über der gläsern Taffel mir zu Liebe getruncken![155]

Wie nun meine Gesundheit herum war, so fieng der eine Präsident, welcher flugs neben mir saß, zu mir an und sagte: Ich solte doch meine hohe Geburt nicht länger verborgen halten, denn er hätte schon aus meinen Discursen vernommen, daß ich nicht eines schlechten Herkommens seyn müste, sondern es leuchtete mir was ungemeines aus meinen Augen heraus. Hierauf besann ich mich, ob ich mich wolte zu erkennen geben oder nicht. Endlich so dachte ich: Schiß dir auch drauff, du wilst ihnen doch nur die Begebenheit von der Ratte erzehlen, damit sie Maul und Ohren brav aufsperren müssen, weil sie es nicht besser wollen gehabt haben. Und war her und fing an, von der Ratte zu schwatzen und in was vor ein Loch sie gelauffen wäre. O Sapperment! was erweckte das Ding bey den vierzehen hundert Rathsherren vor groß Auffsehens, als ich von der Ratte anfieng zu schwatzen! Sie stackten der Tebel hohl mer an der Tafel die Köpfe alle mit einander zusammen und redeten wohl drey gantzer Seiger-Stunden heimlich von mir. Was sie aber durch einander plißperten, das kunte ich gar nicht verstehen. Doch so viel ich von meinen Herren Nachbar zur rechten Hand vernehmen kunte, sagte er zu den einen Präsidenten, wann ichs annehmen wolte, so könte ich Überauffseher des Raths zu Venedig werden, weil sie indem niemand hätten, der sich darzu schickte. Nachdem sie sich nun alle so durch einander heimlich beredet hatten, so fingen sie alle zugleich an zu reden und sagten: Wir wollen Ihr. Hochwürden zu unsern Raths-Inspector machen – wollen Sie es wohl annehmen? Auff dieses gute Anerbieten gab[156] ich den sämptlichen Raths-Collegio flugs sehr artig wieder zur Antwort und sagte:

Vielgeehrte Herren und respective werthe Hertzens-Freunde! Daß ich ein brav Kerl bin, dasselbe ist nun nicht Fragens werth und daß ich mich in der Welt, so wohl zu Wasser als Lande was rechts versuchet habe, solches wird der bekante See-Räuber Hanß Barth, welchen ich auff der Spanischen See mit meinen vortrefflichen Rücken-Streicher einen grossen Flatzschen von seiner krummen Habichts-Nase gesebelt, selbst gestehen müssen, daß meines gleichen in der Welt wohl schwerlich von Conduite wird gefunden werden. O Sapperment! wie sahen mich die 14 hundert Raths-Herren alle nach einander an, daß sie von meinen Rücken-Streicher und von meiner Conduite höreten!

Worauff auch der eine Präsidente zu mir gleich sagte: Das sämptliche Collegium hätte nun schon aus meiner Antwort vernommen, daß ich solche angetragene Charge wohl schwerlich acceptiren würde, indem mein Gemüthe nur an dem Reisen seine Lust hätte. Hierzu schwieg ich nun stock mause stille und machte gegen die drey Präsidenten ein über allemassen artig Compliment und stund, ehe sie sichs versahen, wie ein Blitz von der Taffel auff. Da solches dieselben nun sahen, daß ich auffstund, fiengen sie gleich auch an, alle mit einander auffzustehen.

Da sie nun merckten, daß meines Bleibens nicht länger bey sie seyn wolte, so beschenckte mich der gantze Rath mit einen künstlich geschnittenen Venedischen[157] Glase, welches auff zwantzig tausend Thaler geschätzet wurde. Dasselbe solte ich ihnen zum ewigen Andencken auffheben und zu Zeiten ihre Gesundheit daraus trincken. Es wäre auch geschehen, wenn ich nicht – wie man ferner hören wird – solches unverhoffter weise zerbrochen hätte.

Nachdem ich nun von den sämptlichen Rathe zu Venedig wieder Abschied genommen und mich vor so grosse erzeugte Ehre bedancket hatte, stackte ich das geschenckte schöne kostbare Glaß in meinen grossen Kober und ließ mir von etlichen Claudittgen mein in der Glücks-Bude gewonnenes Pferdt aus dem Häscher-Loche wieder heraus ziehen und auff den Sahl oben hinauff bringen. Daselbst satzte ich mich nun mit meinen grossen Kober wieder zu Pferde und ritte mit so einer artigen Manier im vollen Courier die Treppe hinunter, daß sich auch die Raths-Herren alle mit einander über mein reuten höchst verwunderten und meyneten nicht anders, ich würde Halß und Beine brechen müssen, weil es so glatt auff der Treppen wäre, indem die Stuffen von den schönsten geschnittenen Venedischen Glase gemacht waren. Allein mein Pferdt, das war gewand, es trottirete wie ein Blitz mit mir die gläsernen Treppen hinunter, daß es auch nicht einmahl ausglatterte. Unten vor dem Häscherloche, da paßten nun meine Musicanten wieder auff und so bald sie mich sahen von dem Rath-Hause herunter geritten kommen, so fiengen die mit den Trommeten gleich an, eine Sarabande[158] zu schlagen. Die Schalmey-Pfeiffer aber pfiffen den Todten-Tantz drein und die zwey mit den Lauten spielten das Lied darzu: »Ich bin so lange nicht bey dir gewesen«, und der mit der Zitter klimperte den Altenburgischen Bauren-Tantz hinten nach.

Nun kan ichs der [T]ebel hohl mer nicht sagen, wie die Music so vortrefflich zusammen klang und mein Pferdt machte immer ein Hophegen nach einander darzu. Damit so wolte ich nun noch einmahl umb den St. Marx-Platz herum reuten und zwar nur deßwegen, die Leute dadurch an die Fenster zu locken und daß sie sich wacker über mein vortrefflich Reuten verwundern solten. Welches auch geschahe. Denn als ich mit meinem grossen Kober über den St. Marx-Platz wieder geritten kam, so stackten wohl auf dreißig tausend Menschen die Köpffe zun Fenstern heraus, die sahen sich bald zum Narren über mich, weil ich mit meinem grossen Kober so galant zu Pferde saß. Wiewohl mir auch das Ding von denen Leuten gefiel, daß sie die Augen so brav über mein vortrefflich zu Pferde Sitzen auffsperreten – dasselbe werde ich der Tebel hohl mer Zeit Lebens nicht vergessen! Aber was ich auch dabey vor einen Pfui dich an mit einlegte, davon werden noch biß dato die kleinen Jungen zu Venedig auff der Gasse davon zu schwatzen wissen.

Man höre nur, wie mirs gieng. Indem ich nun mit meinem grossen Kober überaus artig umb den St. Marx-Platz herumb ritte, und alle Leute Maul[159] und Nasen über mich aufsperreten, so zog ich ein Pistoll aus der einen Halffter und gab damit Feuer! Der Glücks-Töpffer hatte mir aber zuvor (als ich das Pferdt bey ihm gewonnen) nicht gesaget, daß es Schoß-Scheu wäre und kein Pulver rüchen könte. Wie ich nun so in aller Herrligkeit das Pistoll loß schoß, so that das Pferdt – ehe ichs mich versahe – einen Ruck und schmiß mich der Tebel hohl mer mit meinen grossen Kober flugs aus den Sattel heraus, daß ich die Länge lang auff dem St. Marx-Platz dorthin fiel und das wunderschöne Glaß, welches so kostbar seyn solte, in hundert tausend Stücken zerbrach. O sapperment! wie fiengen die Leute an, alle mit einander mich auszulachen! Ich war aber her und stund mit meinen grossen Kober geschwinde wieder auff und lieff immer hinter dem Pferde her und wolte es wieder haschen. Wenn ich denn nun bald an es war und wolte das Raben-Aaß hinten beym Schwantze ergreiffen, so fing die Schind-Mehre allemahl geschwinde an zu trottiren und carbetirete eine Gasse hinauff, die andere wieder nieder! Ich jagte mich wohl drey gantzer Stunden mit dem Schind-Luder in der Stadt Venedig herumb und kunte es doch nicht kriegen. Endlich so lieff es gar zum Thore hinaus und in ein Stück Hafer, welcher flugs vorm Thore auff einen Stein-Felsen gesäet stunde, hinein. Da dachte ich nun, ich wolte es ergattern und lieff ihn immer in Hafer nach, allein ich kunte es der Tebel hohl mer nicht habhafftig werden, denn ie mehr ich dem Aaße nachlieff, ie weiter trottirete[160] es ins Feld hinein und lockte mich mit den Narrens-Possen biß vor die Stadt Padua, ehe ich solches wieder bekommen kunte. Ich hätte, halt ich dafür, dasselbe wohl noch nicht gekriegt, wenn nicht ein Bauer aus der Stadt Padua mit einen Mist-Wagen wäre heraus gefahren kommen, welcher eine Stute mit vor seinen Wagen gespannet hatte. Bey derselben blieb mein gewonnenes Pferd (weil es ein Hengst war) stille stehen.

Wie ich dasselbe nun wieder hatte, so satzte ich mich mit meinen grossen Kober gleich wieder drauff und berathschlagte mich da mit meinen Gedancken, ob ich wieder nach Venedig oder in die Stadt Padua flugs Spornstreichs hinein reuten wolte und selbige auch besehen. Bald gedachte ich in meinen Sinn, was werden doch immer und ewig die Musicanten dencken, wo Signor Schelmuffsky muß mit seinen grossen Kober geblieben seyn, daß er nicht wieder kömmt? Bald gedachte ich auch, reutest du wieder nach Venedig zu und kömmst auff den St. Marx-Platz, so werden die Leute den von Schelmuffßky wacker wieder ansehen und die kleinen Jungen einander in die Ohren plißpern: Du siehe doch, da kommt der vornehme Herr mit seinen grossen Kober wieder geritten, welchen vor vier Stunden das Pferdt herunter warff, daß er die Länge lang in die Gasse dahin fiel. Wir wollen ihn doch brav auslachen! Endlich dachte ich auch, kommst du nach Venedig wieder hinein und der Rath erfähret es, daß du das wunder schöne Glaß schon zerbrochen hast, so werden sie dir ein andermahl einen Quarck wieder schencken! Fassete derowegen eine kurtze Resolution und dachte: Gute[161] Nacht, Venedig! Signor Schelmuffsky muß sehen, wie es in Padua aussiehet; und rann[te] hierauff in vollen Schritte immer in die Stadt Padua hinein.

Quelle:
Christian Reuter: Schelmuffskys kuriose und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und Lande. Stuttgart 1979, S. 145-162.
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