Kapittel 37

[549] En kort Kapittel, äwer sihr wichtig, denn Jung'-Jochen will 'ne Red' hollen.


Jung'-Jochen gung mit Bauschanen up den Hoff up un dal, stunn denn männigmal still un rew sick den Kopp, as wenn hei wat nich recht wüßt; Bauschan stunn denn ok still, kek Jochen an, tillerte en beten mit den Swanz un versunk denn ok in sine eigenen trurigen Gedanken wegen de ßackermentsche Mitregentschaft. – Rudolf kamm: »Mein Gott, Vatting, büst du ok all up?« – »Ja, Rudolf, 't is wegen de ollen Gäus'«, hei wull noch wider wat seggen, kunn äwer nich so fix dormit p'rat warden, un Rudolf säd: »Na, Vatting, lat doch de oll Geschicht! Hüt is mi dat äwer würklich recht leiw, dat du all in de Bein büst, du bestellst woll an den Staathöller, wat de Lüd' dauhn sälen, ick bün gistern nich nah de Pümpelhäger Scheid' henkamen, ick will mal fix räwerlopen un tauseihn, wat dat dor all taum Haken geiht. – Wi bliwen grad so as gistern bi't Meßführen nah't Tüftenland.« – »Ja, Rudolf, äwer ...« – »Na, Vatting, dat finn't sick jo allens; ick möt äwer maken, dat ick henkam«; dormit gung hei af. – Jochen gung wedder up un dal; de Daglöhners kemen mitdewil up den Hoff, de Staathöller Kalsow kamm nah Jochen ranne: »Kalsow«, säd Jochen, »de Lüd' sälen all hir up den Hümpel tausam kamen«; dormit gung hei mit Bauschanen in de Stuw herinne. – De Daglöhners, de Husfrugens, de Hawlüd' stunnen all up einen Hümpel vör den Hus' tausam un frogen: »Wat säl' wi?« – »Dat weit ick ok nich«, säd Staathöller Kalsow. – »Je, denn gah doch mal rinne un frag em.« – Kalsow kamm rinne; Jung'-Jochen gung in de Stuw up un dal, Bauschan gung mit em, denn Jung'-Jochen hadd sine Mütz upbehollen, un dat was för Bauschanen dat Teiken, dat sine Begleitung notwennig was. – »Herr«, säd Kalsow, »de Lüd' sünd nu all dor.« – »Schön!« säd Jochen. – »Wat sälen wi?« frog Kalsow. – »Täuwen«, säd Jochen. – Kalsow gung rute, säd de Lüd' Bescheid, un sei täuwten. – Nah en beten kamm hei wedder[550] rinne: »Herr, sei täuwen.« – »Schön!« säd Jochen, »segg Hei ehr, sei süllen noch bet täuwen, ick wull ehr nahsten 'ne Red' hollen.« – Kalsow gung rute un säd: sei müßten noch täuwen, de Herr wull ehr nahsten 'ne Red' hollen. – De Lüd' täuwten, äwer as dor nicks nich tau Bred' kamm, säd Kutscher Krischan: »Kalsow, ick kenn em. Gah noch mal rin un purr em en beten an.« – Kalsow gung also wedder rinne un purrte: »Na, Herr, wo is't mit de Red'?« – »Dunnerwetter!« fohrte Jochen em an, »meint Hei, dat mi de Gedanken up den Puckel wassen?« – Staathöller Kalsow verfirte sick, kamm rute nah de Lüd' un säd: »Dat helpt uns nich, de Herr ward falsch, wi möten täuwen.« – »Mein Gott«, säd Fru Nüßlern tau sick up den Vörratsbähn, wo sei all flitig rüm regiert hadd, »wat heit dit, de Lüd' stahn jo noch ümmer vör den Hus'?« un ret dat Finster up: »Wat staht ji hir?« – »Je, Fru, wi stahn hir un täuwen.« – »Worup täuwt ji?« – »Je, Fru, wi weiten't ok nich; de Herr will uns jo 'ne Red' hollen.« – »Wer?« frog Fru Nüßlern. – »De Herr«, säd Kalsow. – »Wat will hei hollen?«, frog Fru Nüßlern. – »'ne Red'«, säd Kalsow. – »Dor möt jo doch ein Dunnerwetter inslagen!« rep Fru Nüßlern un smet dat Finster tau, lep runner nah Jochen, kreg em bi den Arm tau faten un schüddte em, as müßt sei em irst tau Besinnung bringen: »Wat willst du? – Du willst hir Reden hollen? – Wat willst du för Reden hollen? – Äwer mi oder Rudolfen un Mining?« – »Mutting«, säd Jochen – äwer stramm säd hei't – »äwer de Gäus'.« – »Gnad' di Gott!« säd Fru Nüßlern in den düllsten Arger, »wenn du mi äwer de Gäus' dat Mul updeihst.« – »Wat?« rep Jochen un set'te sick taum irsten Mal in sinen Lewen gegen sine Fru up de Achterbein. »Kann ick nich Reden hollen? All hollen sei Reden, Herr von Rambow höllt Reden, Pomuchelskopp, Bräsig redt in de Reform, wat? un ick bün di tau slicht dortau?«, un hei slog up den Disch, »Wiw! bün ick nich Herr? Un ick süll nich äwer min Gäus' reden?« – Fru Nüßlern würd ganz blaß, stunn stiw dor un kek Jochen in de Ogen, säd kein[551] Starwenswurt, fot mit de ein Hand nah ehr Hart un grawwelte mit de anner achter sick nah de Klink von de Dör, un as sei de fat't hadd, makte sei sei up un gung rügglings ut de Dör, ümmer de Ogen up Jochen – as en Löwenbänniger deiht, wenn hei süht, dat dat Beist den Respekt vergett. Äwer as sei rute was, smet sei sick up de Del up de Bänk dal un fung gradtau fürchterlich an tau rohren. – Ja, dat Johr 1848 was en schrecklich Johr, kein Regiment würd mihr estimiert, sülwst in dit was de apenbore Ungehursam utbraken. –

Bräsig kamm mit Fläuten un Singen de Trepp hendal; äwer wo snabbte hei af, as hei sinen ollen Schatz in sinen Jammer sach! – »Daß du die Nase ins Gesicht behältst! Was is los? Zu dieser klockenigen Stun'n, Madame Nüßlern, halwig säben, sitzen Sie in Tranen?« Dormit smet hei sick bi ehr up de Bänk un wull ehr de Schört von't Gesicht trecken. – Fru Nüßlern wehrte sin Hän'n af. – »Madame Nüßlern, ich bitte Ihnen um Gottes willen, sagen Sie mich doch Bescheid.« – Tauletzt un tauletzt stödd Fru Nüßlern ut deipste Bost rute: »Jochen!« – »Herre Gott!« rep Bräsig, »war doch noch gestern ganz gesund! – Is er dod?« – »Den Deuwel is hei dod«, rep Fru Nüßlern, ret sick sülwst de Schört von't Gesicht un kek Bräsigen mit rode, fürige Ogen an, »verrückt is hei wor den!« – »Gott soll mir bewohren!« rep Bräsig un sprung pil in'n En'n, »was macht er denn?« – »'ne Red' will hei hollen.« – »Was? Jung'-Jochen 'ne Red? Dat 's en slimm Zeichen!« – »Herre Gott! Herre Gott!« jammerte Fru Nüßlern, »un de Daglöhners stahn all 'ne Stun'n up den Hoff, un mi hett hei jo woll ut de Dör rute smeten, ick weit gor nich, wo ick rute kamen bün.« – »Na, so was krauft nich auf den bäwelsten Bähn!« rep Bräsig, »aber sein Sie ruhig, Madame Nüßlern, ich fürcht' mich nich, ich wag' mich rin.« – Dormit gung hei in de Stuw'.

Jochen gung up un dal un rew sick den Kopp. – Bräsig set'te sick an de Dör up den Stauhl un folgte em ümmer mit de Ogen, säd äwer kein Wurd; up de anner Sid von de Stuw'[552] satt Bauschan, folgte sinen Herrn ok ümmer mit de Ogen un säd ok kein Wurd – 't was 'ne recht beängstliche Geschicht, taum wenigsten för Jochen un för Bräsigen; Bauschan was tämlich ruhig. – Tauletzt frog Bräsig recht sachtmäudig: »Wo is dich, Jochen?« – »Ick weit nich«, säd Jochen, »mi is so verwurrn in den Kopp, un min Gedanken lopen so dörchenanner, as wenn mi einer dor en Schepel rugen Hawern rinner schüddt hadd.« – »Glaub ich dich, Jochen, glaub ich dich«, säd Bräsig un kek em wedder nah, as hei up un dal gung. Mit en Mal blew Jochen – baff – bestahn un rep hellschen falsch: »Un der Deuwel kann Andacht an 'ne Red' hewwen, wenn ji beid' einen ümmer so ankikt!« – »Also 'ne Red' wolltst du halten? Wozu wolltst du 'ne Red' halten?« – »Bräsig, bün ick slichter as jeder anner? Sünd min Daglöhners slichter as anner Lüd' ehr Daglöhners? – Sei willen in desen slichten Tiden ok ehr Vergnäugen hewwen; äwer ick bün dor nich richtig up tausneden, mi ward de Sak tau sur; du büst up sowat gewitzter, dauh mi den Gefallen, holl du ehr ein.« – »Worüm nich?« säd Bräsig, »wenn ich dich einen Gefallen damit tun kann; aber nu stör' mir auch nich!« Un nu gung Bräsig in de Stuw' up un dal, un Jochen satt up den Stauhl un kek em an. – Mit en Mal ret de Herr Entspekter dat Finster up un rep: »Kamt hir mal all ran!« – De Daglöhners kemen. – »Mitbürger ...«, fung Bräsig an; äwer – swabb! – smet hei dat Finster tau. »Donnerwetter, das paßt jo doch nich, denn es sünd jo doch man Daglöhners, und die kann man jo doch nich als Bürgersleut anreden! – Un nu sühst du, Jochen, wo swer das is, 'ne Red' zu hollen; un du wolltst dich mit 'ner Sach' bemengen, die ich nich mal fertig kriege?« – »Je, Bräsig, äwer ...« – »Sweig still, Jochen, ich weiß, was du sagen willst!« – Un hei gung an't Finster, makte dat wedder up un säd: »Kinnings, gah ein jeder för hüt an sin Arbeit, ut de Red' ward hüt nix.« – »Ja, dat is ok ganz egal«, säd Kalsow, »äwer de Herr ...« – »De hett sick besunnen«, föll Bräsig em in de Red', »hei meint, up den Frühjohr is't em noch en beten[553] vull tidig dortau; up den Harwst, bi de Austköst, will hei jug dorför 'ne rechte dägte hollen.« – »Ja«, säd Kalsow, »dat is denn ok woll dat Best. – Na, Lüd', denn kamt!«, un sei gungen an ehr Arbeit. –

Äwer nu, as de Luft rein was, dreihte sick Bräsig nah Jochen üm, un all de Würdigkeit, de hei in sinen Liw' beharbargen kunn, sprok mit Arm un Bein tau Jochen, un all de Influß, den hei up Jochen sid Johren utäuwt hadd, strömte nu up den armen großherzoglichen Kammerpächter in, as hei säd: »Wo? Du sollst verrückt sein? Du büst so wenig verrückt as Bauschan un ich; aber du büst dämlich. – Wozu haben dich deine lieben – wollt ich sagen – seligen – wollt ich sagen – ßackermentschen Eltern in die Welt gesetzt? – Dazu, daß du Reden halten sollst und sollst deine liebe Frau auf den Proppen setzen, die dich fünfundzwanzig Jahr an ihren Brüsten gesogen hat as en neugeborenes Kind? – Gleich kommst du mit un verbittst dich un sagst, du willst das nicht wieder tun.« – Un Jochen hadd jo woll allens dahn; äwer dese Afbed, taum wenigsten de Ort un Wis', in de Bräsig sei verlangen ded, süll em schenkt warden, denn Fru Nüßlern kamm in de Dör: »Jöching, Jöching! Wat hest du mi för Elend makt!« – »Je, Mutting ...« – »Jöching, du bringst mi noch in de Ird!« – »Und das noch dazu mit verfluchte imposante Redensorten«, föll Bräsig in. – »Mutting, ick will jo ok nich ...« – »Ach, Jöching, ick glöw, du lettst dat nu nich mihr, du hest di einmal dorför upsmeten, sallst seihn, dat kümmt öfter.« – Jochen säd nu: ne, hei hadd naug dorvon. – »Dat gew' de leiw' Gott!«, säd Fru Nüßlern, »un dat du sühst, dat ick di ok tau Willen bün, so kann jo minentwegen Rudolf all äwermorgen frigen.« – »So«, säd Bräsig, »un nu is wedder Fred' in den Hus', nu is allens in die Reih, nu gebt euch en Kuß! – Noch einen, Jochen, daß die linksche Hälfte von deine Mund nicht zu kurz kommt!«

Un dat geschach, un Unkel Bräsig peikte af, graden Weg's nah Gürlitz, dat hei sin lütt Pät Mining ehre glücklichen Utsichten mellen wull. – Hei gung den negsten Fautstig, un dat[554] was de, up den de Herr Riddergaudsbesitter Muchel den Pricken hadd steken laten, dat hei för verbaden gellen süll; hei was dor äwer nich mit dörchkamen, un Gottlieb hadd up Bräsigen sin Anstiften sick dat nicht gefallen laten un hadd den Prozeß gewunnen.

As nu Bräsig desen Stig entlang gung, müßte em grad de Herr Gaudsbesitter entgegen kamen un makte all von Firn en sihr fründliches Gesicht un säd, as hei neger kamm: »Guten Morgen, mein lieber ...« – wider kamm hei nich, denn Bräsig strahlte up em los un säd, ahn em antauseihn: »Ein Gewisser will mir ja hier die Stiebeln ausziehn lassen, daß ich as 'ne Kreih mit nakte Beinen hier rümhüppen soll«; un dormit gung hei hen un kek sick gor nich mal üm.

Un as hei nu sin Gewarw' bi Mining in Gürlitz anbröcht hadd un nah en grotes Freuen von sin lütt Kropzeug Lining em bed, hei süll den Dag noch bi ehr bliwen, müßt äwer Gottlieben entschuldigen, denn't wir Sünnabend, un hei müßt Predigten maken, säd hei: »Frau Pasturin Lining, jedermann hat seine Geschäften, un wenn der Herr Pastohr Gottlieb seine Predigt macht, worum ich nicht auch eine? Denn ich muß heute abend noch in die Reform«; un somit gung hei nah Rahnstädt.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 549-555.
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