Kapittel 39

[573] Wo einer up en Bullen un de anner up en Esel ritt. – Fru Kurzen will ehren leiwen Mann tau Bedd bringen, de will äwer leiwer Ökonomi bedriwen un führt sinen Meß up Bäcker Wredow'n sinen Acker. – Dat swarte Paket, un wat de Herr Burmeister tau dat Waßdauk säd. – Worüm Kählertsch abslut den Wewer Smidt frigen un Wewer Smidtsch de Beinen afslagen wull. – Kurz ward woll de Inflorentia krigen, un Hawermann kriggt en Marikenbläuming. – Worüm Jung'-Jochen up den Felln rümmer löppt. – Wat Fru von Rambow tau Fru Nüßlern säd', un worüm Bräsig ümmer »höger rup!« säd. – En Breiw ut Paris.


Den annern Nahmiddag nah de Kirch, denn't was Sünndag, kämm Kurz bi Hawermannen un Bräsigen rinne: »Gun Dag! gun Dag! – Ich bin falsch; nichts als Ärger den ganzen Tag! – Was? – So'n Volk! – Läßt einen ja nicht mal ausreden! – Ih, da möcht' ja doch einer lieber Schweine hüten als Demokrat sein! – Die dummsten Reden hören sie an und rufen ›Bravo‹ und bringen Ständschen und stören die Leute zur nachtschlafenden Zeit, und wenn einer ihnen einen bedeutenden Standpunkt klar machen will, denn trommeln und pfeifen sie? – Und das will ein Reformverein sein?« – »Hören Sie mal, Herr Kurz«, säd Bräsig un tred up em los, en por Toll gröter as för gewöhnlich, »das ist 'ne große Unpäßlichkeit von Sie, daß Sie sich über das Ständschen monkieren, denn ich habe das Ständschen gekrigt, un Sie hätten wieder Hau gekrigt, wenn der wollmeinende Herr Schulz und ich Sie nicht unter unsere Flügeldecken genommen hätten. – Was? – Wie sagt das schöne Sprüchwort:›Wo't Mod' is, ritt einer up en Bullen tau Stadt‹; aber in den Reformverein is das keine Mod', un wenn da einer ümmer auf en Bullen rumreiten un rumexieren will, denn wird das die Leute über, und sie smeißen einen mit samt den Bullen[573] raus; denn dazu is der Reformverein nicht da.« – »'s ist mir ganz egal! ganz egal!« rep Kurz, »andere reiten da auf'm Esel rum und werden noch fetiert.« – »Sie sünd jo ein Grobian!« rep Unkel Bräsig, »Sie sünd jo ein impenetranter Kerl! Wenn dies nich Korl Hawermannen seine Stub' wär, ich smiß Ihnen ja hier die Trepp herunter, daß Sie Ihre Knochen in en Sack nach Haus' tragen müßten.« – »Still, Bräsig, still!« stellte sick Hawermann dortüschen, »un Sei, Kurz, süllen sick wat schämen, dat Sei hir ahn Ursak Larm un Strid anfangen.« – »Lärm und Streit hab' ich gestern abend gehabt, Lärm und Streit hab' ich den ganzen Tag gehabt. Heut morgen, als ich knapp die Augen aufmachte, fing meine Frau schon an mit Lärm und Streit; sie will nicht, daß ich in den Reformverein gehn soll.« – »Denn hett sei nich mihr as recht«, säd Hawermann sihr argerlich, »Sei passen dor gor nich hen, denn Sei richten mit Ehr hastiges un unbedachtes Wesen nicks as Unheil an«, let em stahn un gung nah Bräsigen ranne, de in de Stuw up un dal lep un as 'ne Adder pust'te: »Bräsig, hei ward dat nich so meint hewwen.« – »Is mir ganz egal, Korl, was so'n wrampiges, wormmadiges, wahnschapenes Dirt von mir meint. – Auf'm Esel rumreiten? – Pfui, das is ja bloß die niederträchtigste Abgunst.« – »Ich hab'Sie aber nich gemeint«, rep Kurz un lep up de anner Sid in de Stuw up un dal, »ich hab' meinen Schwager Baldrian un den Färber damit gemeint und die andern Schafsköpfe. – Und da soll einer nicht toll werden? – Erst Lärm mit der Frau wegen Reformverein, dann Lärm mit den Ladendiener, schläft bis neun, singt gestern abend mit auf der Straße rum, kneipt bis heut morgen um vier; dann Lärm mit den Knecht und den Tierarzt, mein Sattelpferd hat die Influenza; dann wieder Lärm mit meiner Frau; sie will nicht, daß ich 'ne Ökonomie einrichten soll.« – »Dor hett sei ok wedder recht«, föll Hawermann in, »ut Ehren ganzen Wirtschaftskram ward nicks, wil Sei nicks davon verstahn.« – »So? Nichts davon verstehn? Nichts als Ärger! Nachher mit der dummen Stubendirn, hat zu Mittag ein Tischtuch aufgedeckt, was bis auf die Erde[574] reicht; na, wir sitzen, nu kommt ein Kunde, ich ärgere mich über den Ladendiener, daß er nicht fix aufspringt, spring' selbst auf, krieg das Tischtuch zwischen die Beine und reiß die Suppenschüssel und die ganze Musik in die Stube. – Sehn Sie, nun kommt meine Frau und hält mich fest und sagt: ›Kurz, gah tau Bedd, du hest hüt Unglück‹; und jedesmal, wenn ich mich ärgern will, sagt sie: ›Kurz, gah tau Bedd‹! – Dabei muß doch einer toll werden.« – »Un Ehr Fru hett wedder recht, hadden Sei sick tau Bedd leggt, denn hadden Sei hir keinen Strid anfungen«, säd Hawermann. –»So?« rep Kurz, »haben Sie schon mal mit gesunden Gliedern den ganzen Tag im Bett gelegen, weil's en Unglückstag ist? – Ich tu's nicht wieder, und wenn meine Frau auch noch soviel bittet. – Da muß sich ja einer tot bei ärgern! – Sie nimmt mir dann die Stiefel und die Hosen weg, und ich liege denn da und ärgere mich, daß ich nicht aufstehen kann, wenn ich will.« – Hir fung Unkel Bräsig ludhals' an tau lachen. – »Na«, säd Hawermann, »nu kamt her un verdragt jug wedder.« – »Ach, wo?« säd Kurz, »ich habe ihn ja gar nicht gemeint, ich komme hier bloß her, um die beiden Herrn Inspektors zu bitten, ob sie nicht mit mir nach meinem Acker gehen und zusehen wollten, ob das Haken wohl schon ginge.« Dörch Hawermannen sin Taureden kamm nu en Verdrag tau Stan'n, un de drei Ökonomiker gungen tau Feld, denn Kurz rekente sick stramm mit dortau un verhaspelte sick in so'ne landwirtschaftliche Redensorten, dat Unkel Bräsig ümmer tau sick säd: »Wer nu woll auf'm Esel rumreitet?« –»Ich habe hier ein Stück Acker«, säd Kurz, »'s sind 150 Quadratruten, dazu habe ich mir 10 Fuder Dung gekauft von Schlächter Krügern, rechten fetten, kurzen Schlächter-Dung, ich will da Runkelrüben pflanzen; gestern hab' ich ihn streuen lassen; ist's nicht genug, meine Herren? – Sehn Sie hier!«, un hei bögte von den Weg up't Feld ruppe. – »Sehr slecht gestreut!« säd Bräsig, »en ordentlich afmest't Land muß wie 'ne Decke von Sanft aussehen«, un fung an, up de Meßklümp los tau hauen. – »Schad't nich«, säd Kurz, »da soll doch wohl[575] was wachsen, 's ist Schlächter-Mist, kost't mich 10 Taler.« – Mit einem Mal stunn hei äwer bomenstill, grawwelte mit de Hän'n in de Luft rümmer un kek wirr üm sick. – »Donnerwetter!« rep Bräsig, »was is?« – »Allmächtiger!« rep Kurz, »na, dor slag doch en Deuwel drin! Dit is jo gor nich min Acker, hier neben an is jo min, un dor führt mi de verfluchte Kirl minen Meß up frömden Acker! un ick lat en noch dortau streuen! – Teihn Daler! Fuhrlohn! Streulohn! Dor sall einer nich dull bi warden!« – »Ih, Kurz, dat is jo doch nich so gefährlich«, säd Hawermann, »dat kümmt jo woll vör, Ehr Nahwer ward jo billig sin un ward Sei den Meß betahlen.« – »Dat is't jo eben!« rep Kurz. »Dit is Bäcker Wredow'n sin Ackerstück, den ick mit de Stadtbullen up dat Kollett sitten dauh; de ward sick häuden!« – »Und das will nu en Ökonomiker sein«, säd Bräsig sihr ruhig, »fährt seinen Mist auf andere Leute Acker!« – »Un dor sall einer nich dull bi warden!« rep Kurz, »äwer wat redd't warden kann, möt redd't warden!«, un dormit lep hei an de Scheid un stek mit sinen Stock in de Meßklümp un smet sei nah sinen Acker räwer, un aust'te in den Meß herümmer, bet hei vör Wut un Arbeit ut de Pust kamm, un namm den Stock un smet em äwer dat Feld räwer, un pust'te ganz blaß de Würd' rut: »Ick will von nicks mihr weiten! – Worüm heww ick mi ok nich tau Bedd leggt! – Wenn 'ck nah Hus kam un den Kirl von Knecht krig' – Kinnings, ick bidd jug, hollt mi wiß – 't geschüht süs en Unglück!« – »Verlassen Sie sich ganz auf mir«, säd Bräsig, »ich halt Ihnen«, un kreg Kurzen all vörlöpig in den Rockkragen. – »Äwer, wat kann de Stock dorför?« säd Hawermann un gung hen, um den uptaunemen.

An den Stock hackte wat fast, Kurz hadd bi sin Wirken wat dormit dörchstött, un dat hadd sick an den Stock tau Höchten schaben; de Oll wull dat herunner trecken, äwer as hei't in't Og' faten ded, blew hei starr bestahn. Bräsig hadd irst mit Kurzen tau dauhn un hadd nich up sinen ollen Fründ acht gewen, nu rep hei: »Komm, Korl, wollen man gehn! Bei die Geschicht is doch nichts zu machen.« – Hei kreg kein Antwurt,[576] un as hei sick nah sinen Fründ ümsach, sach hei em stahn, wat Swartes in sine Hand, un sach em dorup starren un dat wen'n un dreihn. – »Mein Gott, Korl, was hast du denn?« frog Zacharias Bräsig un gung nah em ranne. – Hei kreg kein Antwurt, Hawermann kek, blaß as de Dod, dat an, wat hei in de Hand höll, un in em arbeitete dat, dat en hastiges Fleigen un Tucken dörch sine Mienen fohrte. –»Korl, mein Gott, Korl! Was hast du, was is dir?« – Un deip ut de Bost quüll dat tauletzt bi Hawermannen rute: »Dat Paket! – Dat Paket! – Dit is dat Paket!«, un dorbi höll hei Bräsigen en Stück swartes Waßdauk hen. – »Was? Was for'n Paket?« – »Oh, ich heww't jo mal in mine Hand hatt, ick heww't jo Johren lang seihn in'n Waken un in'n Drom! – Süh, hir is dat Rambowsche Wapen! – Süh, hir sünd de Kniffen in't Waßdauk! – So is't tausam leggt, so grot is't west! – So is't tausam leggt för de tweidusend Daler Gold! – Dit is dat Paket, wat Regel nah Rostock bringen süll!« – Dit allens kamm so stotwis, so beängstlich un beklummen herut, as wenn einer in den Drom red't, un de oll Mann würd ogenschinlich von sine Upregung äwernamen, dat Bräsig tausprung un em höll; äwer dat Waßdauk höll hei wiß, as wir't em an de Seel wussen, un Bräsig müßt dorvon afstahn, den Fund neger tau beseihn. – Kurz kamm nu ok ran, äwer ahn wat Besonders tau bemarken, denn hei was mit sinen Arger noch nich prat: »Na«, rep hei, »nun sagen Sie, soll einer nicht toll dabei werden? Da liegt mein Mist, da liegen meine zehn Taler auf Bäcker Wredow'n seinen Acker.« – »Zum Donnerwetter!« rep Bräsig, »so lassen Sie uns endlich mit Ihren dämlichen Mist in Ruh! Wenn Sie in's Reden kommen, denn is's doch grade, as wenn's Ihnen aus das Maul rausgeschüppt wird. – Da is Ihr Stock – Wir müssen nach Haus'. – Komm, Korl, besinn dich!« – Un as Hawermann en por Schritten dahn hadd, kihrte de Farw in sin Gesicht taurügg, un nu kamm 'ne fleigende Unrauh, 'ne jagende Hast äwer em, hei frog nah dit un frog nah dat: von wen Kurz den Meß köfft hadd, wenn hei upladen wir, wo hei upladen wir, wat de[577] Slachter Kräuger för en Mann wir, un denn stunn hei wedder still un läd dat Paket tausam un bekek de Brüchen in dat Waßdauk un dat Siegel, dat Kurz sinen Arger ganz verget un den ollen Entspekter ankek, wat den denn woll passiert sin künn, dat hei so'n Andeil an sinen Meß un sin teihn Daler namm. Tauletzt müßt Bräsig em man mit de Sak bekannt maken, äwer as hei't ded, sprok hei äwer Kurzen einen fürchterlichen Fluch ut, so drad Kurz ok man ein einzigstes Wurd dorvon wider vertellte: »denn«, slot hei, »Sie sünd einer von den Leuten, die das Maul wegläuft«. – Un nu stunnen sei wedder tausam up de Landstrat un judizierten, wo de Paketümslag nah den Slachter sinen Hoff henkamen kunn, un Kurz sowoll as Bräsig wiren de Meinung: de Slachter kunn unmäglich mit de Sak wat tau dauhn hewwen, dat wir en tau ordentlich Mann. – »Ja«, säd Hawermann, un de olle Dädigkeit un Bestimmtheit un Äwerleggung, de em in sin Gram un Led afhan'n kamen was, was ganz wedder äwer em kamen, »ja, äwer en Nahwer kann't räwer smeten hewwen, un wahnt denn de Slachter allein in dat Hus?« – Hei hadd in sinen Achterhus' Meidslüd' in, säd Kurz, äwer wat för weck, wüßte hei ok nich. – »Ick möt nah den Burmeister«, säd Hawermann, un as sei in de Stadt kemen, gung hei nah den sinen Hus'. Kurz wull mit gahn, äwer Bräsig höll em taurügg: »Wir beiden haben da nichts nich verloren.« – Un as hei em vör sinen Hus' »adjüs« säd, set'te hei hentau: »Sie haben mir heute auf das erbärmlichste beleidigt; ich habe Ihnen das vergeben, das ›auf'm Esel rumreiten‹; sagen Sie aber ein Wort zu einem von Korl Hawermannen seine Geschichten, denn dreh ich Ihnen das Gnick um bei lebendigem Leibe. – Sie oller verdrehter Siropsprinz, Sie!«

Hawermann drop den Burmeister tau Hus, hei vertellte em von sinen Fund, hei läd dat Waßdauk nah de vörhannenen Brüch tausam, un de Burmeister würd ümmer upmarksamer un säd tauletzt: »Ja, wirklich! wirklich! – Ich habe das Paket ja auch in der Hand gehabt, als ich dem Boten den Paß ausstellte; durch die gleich nachfolgende Untersuchung ist mir[578] die Erinnerung daran ganz deutlich geblieben, und wenn ich selbst Zeugnis ablegen sollte, ich müßte es für ein ganz ähnliches oder für dasselbe erklären. – Aber, lieber Herr Hawermann, die Spur ist gar zu undeutlich, denn z.B. der Schlachter Krüger hat sicher nichts mit der Sache zu tun; das ist einer unserer besten Bürger, dem ist solches nicht zuzutrauen.« – »Da sollen aber noch andere Leute in seinem Hinterhause wohnen.« – »Das ist wahr, ja! – Warten Sie einmal, wer wohnt da noch? – Nun, das wollen wir gleich erfahren.« – Un hei gung an de Klingel un klingelte, sin Stubenmäten kamm herin: »Fiken, wer wahnt in dat Achterhus bi Slachter Kräugern?« – »Je, Herr, dor wahnt jo de Witwe Kählerten un denn de Wewer Smidt«, säd Fiken. – »Smidt? – Smidt? – Is dat de Wewer Smidt, de von sine Fru scheid't is?« – »Ja, Herr, un de Lüd' seggen jo, hei will de Witwe Kählerten wedder frigen.« – »So? so? – Dat seggen de Lüd'? – Na, du kannst wedder rute gahn«, un de Burmeister gung up un dal un sunn un sunn, un blew dünn vor Hawermannen stahn un säd: »Ein merkwürdiges Zusammentreffen ist es freilich: das ist der geschiedene Mann von der Weberfrau Schmidt, die wir schon einmal wegen dieser Sache zur Untersuchung gezogen haben; Sie wissen, die damals den dänischen Doppellouisdor gefunden haben wollte.« – Hawermann säd nicks, Furcht un Hoffnung streden sick tau gewaltig in sine Bost. – De Burmeister gung wedder an de Klingel, Fiken kamm wedder: »Fiken, gah mal hen nah den Slachter Kräuger, un ick let em bidden, wat hei mi nich up 'ne Virtelstun'n en beten besäuken wull.« – Fiken gung, un de Burmeister säd tau Hawermannen: »Herr Inspektor, dies sind alles noch sehr weitschichtige Indizien; aber es ist möglich, daß ein festerer Anhalt daraus hervorgeht, ich kann Ihnen deshalb auch nur wenig Hoffnung machen. – Aber wenn wir auch keine Gewißheit erlangen, was liegt daran? Kein vernünftiger Mensch kann Sie in Verdacht haben. – Mit wirklicher Betrübnis habe ich gesehen, daß Sie sich einen so haltlosen Verdacht zu Gemüte gezogen haben. – Aber nun muß ich Sie bitten, sich zu[579] entfernen; die Leute halten Sie doch gewissermaßen für Partei. – Schweigen Sie aber durchaus über die Sache und sorgen Sie dafür, daß Kurz und Bräsig auch schweigen. – Ja – und – ja, das geht! – Den Inspektor Bräsig können Sie mir zu morgen um 9 Uhr herschicken.«

Hawermann gung, un Slachter Kräuger kamm. – »Lieber Herr Krüger«, säd de Burmeister, »ich habe Sie bitten lassen, mir über einige Fragen Aufschluß zu geben. – Bei Ihnen wohnen ja wohl die Witwe Kählert und der Weber Schmidt?« – »Ja, Herr Burmeister, de wahnen in minen Achterhus'.« – »Wie ich höre, will ja wohl der Weber Schmidt die Kählert heiraten? – Weiß die Frau aber auch, daß dem Schmidt allerlei gesetzliche Hindernisse zur Wiederverheiratung entgegenstehn?« – »Je, Herr Burmeister, dat Letzt, dat weit ick nich; ick kümmer mi üm de Lüd' äwerall nich; äwer Sei weiten woll – de Frugenslüd'! –, wenn so'ne Frigeratschon in de Luft is, denn sünd sei dor as de Immen un dragen einen Nahrichten in't Hus – na, Herr Burmeister, nehmen S' nich äwel, min is jo natürlich ok nich beter as all de annern, un de kamm denn nülich un säd, de Sak würd woll all so wid richtig sin, dat Kählertsch abslut wull, de Wewer wull äwer noch nich. – Un Kählertsch hadd jo tau Borchertsch seggt, sei kakte un waschte em nu all äwer'n Johr, un nahgradens wir dat denn ok woll Tid, dat hei Anstalten makte; äwer dor wir blot dat Nickel von sin scheid'te Fru an schuld, de lep den Wewer dat Hus in, dat hei sei wedder frigen süll. – Wenn sei nu äwer wedder kamen ded, denn wull sei ehr de Beinen intwei slagen, un de Wewer künn sick sülwst kaken un waschen.« – »De Wittfru Kählerten möt rein düricht sin«, smet de Burmeister so hen, »den Mann frigen tau willen. Sei hett doch noch en beten, wovon sei noterwis' lewen kann; hei hett jo doch äwer ok rein gor nicks as sinen Stauhl; dat kamm jo dunn bi de Scheidung taum Vörschin.« – »Ja, so was dat dunn woll. Äwer, seihn S' Herr Burmeister, ick kümmer mi dor nich üm. Wenn einer mi sine Meid' betahlt, gelt hei mi wider nicks nich an, un dat hett hei ümmer up Stick un Stun'n[580] ihrlich dahn, un hett mi noch – 't was jo woll vör en Johr – 'ne lütte Stuw', de an sin schütt, dortau afmeid't, un nu seggt min Fru jo, sei is dor mal mit Kählertschen rinne west, un dat sall jo dor idel nett utseihn, ordentlich mit en Sofa un mit Biller an de Wand.« – »Denn möt hei doch vel tau dauhn hewwen un möt vel verdeinen.« – »Je, Herr Burmeister, en Wewer! – Un denn is dat so'n verfluchtes Geschäft, dat hürt jo glik de ganze Nahwerschaft, wenn de oll Stauhl mal still steiht, un't gähn vele Dag' hen, dat ick sine Musik nich hür. – Ne, hei möt doch noch wat achter de Hand hewwen.« – »Un lewen deiht hei denn ok woll recht gaud?«– »Ih woll! Hei hett sin Fleisch alle Dag', un ick segg tau min Fru, sallst seihn, segg ick, dat is blot wegen dat schöne Hamelfleisch un Rindfleisch, dat Kählertsch em frigen will.«– »Na, Herr Kräuger, seggen Sei mal uprichtig – ick frag' Sei blot in'n Vertrugen –, hollen Sei den Mann för einen dörchut ihrlichen Mann?« – »Ja, Herr Burmeister, dat is hei. – Ne, up so wat bün ick hellsehen läufig; ich heww weck Meidslüd' hatt, de stödden sick up den Hoff en Spledder in de Fingern, un wenn sei'n sick in ehr Käk rute trecken deden, denn was't 'ne virfäutige Klaw' von min bäuken Blankholt, un wenn sei äwer de Del gahn deden, denn lep ehr en Pund Rindfleisch in de Rocktasch, un de Appeln von mine Appelböm föllen ümmer nah ehr Sid. – Ne, mit em is dat nich so; ick segg Sei: nich rühr an!« – De Burmeister was en wollmeinend Mann, was en Ihrenmann; äwer in desen Ogenblick was em so'n gaudes Tügnis äwer einen von sine Mitminschen sihr tauwedder, hei hadd't leiwer seihn, dat de Lüd' den Wewer för en Spitzbauwen höllen. – So wat is swer tau erklären; äwer so vel is gewiß, dat vele düstere Afgrün'n in de minschliche Natur vörhannen sünd un dat so ein Afgrund, wenn hei sick bi dat Richteramt updahn hett, all dusende von unschüllige Minschen verslungen hett. – »Richter, richte recht! – Gott ist dein Herr und du sein Knecht!« is en schönen Spruch, den mi as lütten Jungen min seel Vader all seggt hett; äwer de Erbärmlichkeit von de minschliche Natur lett dat nich[581] ümmer dortau kamen, von de apenbore Slichtigkeit, de ehren Vurtel dorin söcht, gor nich tau reden.

De Slachtermeister was gahn, un de Burmeister gung in de Stuw up un dal un let sick de Sak dörch den Kopp gahn, woans hei dat Ding anfaten müßt, üm herut tau krigen, up wecke Wis' dat Waßdauk up den Slachter sinen Hoff kamen was. – Em drewen twei Ding' mächtig tau de Unnersäukung, einmal dat deipe Mitgefäuhl mit Hawermannen sine Lag', un taurn annern de faste Äwertügung, dat dit de Ümslag von dat Geldpaket was, wat hei einmal sülwst in de Hand hatt hadd. Äwer wat hei ok sinnen ded, en sekern Faden hadd hei noch nich in de Hand, an den hei entlang gahn kunn; äwer so vel wüßt hei doch all, dat den Wewer sine scheid'te Fru mit em noch ümmer Kommersch hollen ded.

Hawermann gung in sine Stuw ok up un dal, hastig, unrauhig. Ach, wo drew em dat, sine Hoffnungen, sine Utsichten in dat Hart von sin Kind un von de lütte Fru Pastern uttauschüdden? – Äwer Unrauh för de beiden? – Hei hadd naug an sine eigene. – Bräsig satt up en Stauhl un dreihte ümmer mit den Kopp, so as Hawermann up un dal gung, un kek em an; grad as Bauschan, wenn Jochen Nüßler sick de Mütz upset't hadd. – »Korl«, säd hei endlich, »ich freu mir ordentlich über dich, es ist 'ne Alertigkeit über dich gekommen, und du sollst sehn, daß die 'ne Wohltätigkeit über dir ausübt. – Aber ich sage, du mußt dich einen Avkaten annehmen. – Nimm dich den Herrn Avkaten Rein; er is en Lebermann, der sich zu drehn un zu wend'n weiß trotz seiner Längde. – Allein findst du da nich mit durch, Korl; er kann dir aber helfen, und wenn du das verlangst, kann ich ja die Sache in den Reformverein vorbringen, daß dich deine Mitbürger zu dein Recht verhelfen.« – »Bräsig, ick bidd di üm Gottes willen! Wo künnst du woll so wat an de grote Klock bringen! Ick heww all dusend Angst, dat Kurz doräwer reden ward.« – »Kurz? Ne, Korl, hab' du keine Bang'; heut red't er noch nich drüber, denn ich bün bei ihm gewesen und hab' ihm so rekommandiert, daß ihm Hören und Sehen vergangen[582] ist, und, sollst sehn, morgen steht er so im Kropp, daß er kein Wort Hals geben kann.« – »Bräsig, ick bidd di: Kurz in'n Kropp?« rep Hawermann un müßt sülwst in sine Unrauh lachen. »Wat red'st du eigentlich all?« – »Korl, lach du da nich drüber! – Süh, seine Sadelstute hat doch die Inflorentia, das hat der Tierarzt auch gesagt und hat das anordniert, daß die alte Tät von ihre Nebengenossen separiert werden soll wegen der Ansteckung, und nun läuft Kurz ümmer in seinen bomwullen auswattierten Slaprock zu die Kranke und befühlt ihr hier und befühlt ihr da, und denn läuft er wieder zu die Gesunden, was sie es auch schon haben, und so sticht er sich die Gesunden auch mit an, denn der Stickstoff von die Krankheit setzt sich in die Bomwull von den Slafrock – wattierte Bomwull is nämlich for den Stickstoff un for den Stinkstoff das Allerangenehmste – und du sollst sehn, er stickt sich noch selbst an, un morgen steht er in'n Kropp. – Der Rotz sticht an, worum denn nich die Inflorentia?«

Hawermann hadd 'ne schreckliche Nacht vull Unrauh; äwer trotzdem, dat hei kein Og' taudahn hadd, was hei den annern Morgen strack un stramm, en Hoffnungsstrahl was in sine Nacht follen un vergollte sine Utsicht wid ümher, äwer't led em nich in'n Hus', de vir Wän'n preßten em dat Hart tausamen, hei müßt mihr Rum hewwen för sine Unrauh, un lang' vörher, dat Bräsig Klock nägen taum Rathus gung, as de Burmeister dat verlangt hadd, wankte Hawermann de stillen Fautstig' entlang dörch de gräunen Frühjohrsfeller. – Un wat was't för en schönes Frühjohr! 't was ordentlich, as wenn de Hewen tau de Ird sprok: »Hoff du man drist!« un de Ird wedder tau de Minschen: »Hofft ji man drist!« un ok den ollen Entspekter rep sei ut gräunes Frühjohrslow mit Vagelsang tau: »Hoff du man drist!« –

De Hewen höll de Ird nich Wurd, dat anner Johr würd en Nodjohr; de Ird höll de Minschen nich Wurd, dat anner Johr würd en Elendsjohr; süll sei den ollen Mann Wurd hollen? – Hei wüßt't nich; äwer hei trugte up de Botschaft. – Hei[583] gung wider un wider, hei kamm dörch Gürlitz, hei gung den sülwigen Fautstig, den hei mal an den Palmsünndag-Morgen mit Franzen tausam gahn was, as sin Döchting konfirmiert warden süll. – Hei wüßt, dat sick an desen Dag in Franken sine Bost de Leiw tauirst rögt hadd – de junge Mann hadd't em mal schrewen, hei schrew oft an em –, un 'ne grote Bitterkeit wull in em upbegehren, dat en Glück, wat sick so still un so rein in twei unschüllige Harten anspunnen hadd, von den Unverstand un de Unrechtfarigkeit von en annern Minschen verwirt un terreten was, un hei bögte in einen annern Stig, de nah Rexow führte, rechtsch af, dat hei nich nödig hadd, dörch den Pümpelhäger Goren tau gahn. – Dunn kamm em en Mäten entgegen, dat hadd en Kind up den Arm, un as sei neger kamm, blew sei stahn un rep: »Herre Gott doch, Herr Entspekter! Herr Entspekter! – Ich heww Sei doch ok gor tau lang' nich seihn.« – »Gun Dag, Fik«, säd Hawermann un kek dat Kind an, »wo geiht di dat denn?« – »Ach, Herr, slicht geiht't mi: Krischan Däsel hett sick jo ok mit de Sak gegen den Herrn inlaten, dat wi uns doch nu nahgradens frigen wullen, un de Herr hett em wegjagt, un ick süll ok weg, äwer dat hett jo woll de gnedig Fru nich leden. – Na, willst du runner, denn lop!« säd sei tau dat Kindting, dat mit Arm un Bein stangelte, dat dat von den Arm wull. – »Üm dese Tid«, set'te sei hentau, »möt ick ümmer en beten mit ehr gahn, indem dat de gnedige Fru denn ümmer in de Wirtschaft rümmer wirken deiht un de Lütt denn nah ehr unrauhig ward.« – Hawermann kek dat Kind an. – Dat Kind plückte Blaumen an de Grabenburt un kamm up em tau: »Da! – Mann!« un gaww em en Marikenbläuming in de Hand, un dörch Hawermannen sin Hart schot de Erinnerung an so'n Bläuming, wat em vör langen Johren ok mal so'n Kind – 't was sin Kind – in de Hand gewen hadd, un hei böhrte dat Kind tau Höchten un küßte't, un dat Kind strakte em äwer de witten Hor: »Ei! ei!«, un hei set'te't dal un wend'te sick üm, tau gahn, un säd: »Fik Degels, gah nah Hus, 't ward glik regen.« – Un as hei sine Weg' gung, föll de Frühjohrsregen[584] in lise Druppen tau Irden, un sin Hart glänzte dornah as de junge Saat. – Wo was sin Haß blewen?

As Hawermann tau Rexow ankamm, sprung em sin Swester, so gaud as ehre Vülligkeit dat hergaww, entgegen: »Korl! Herr Jesus, Korl! – Wo kümmst du endlich mal her! – Herre Gott, un wat du munter utsühst! un so smuck! – Korl-Bräuding, is di wat passiert? Is di wat Gauds passiert?« – »Ja, Kind, ja; äwer dorvon nahsten. – Wo is Jochen?« – »Jochen? – Leiwer Gott, dor fröggst du vel. – Wo de is, dat weit kein Minsch; de kümmt un geiht up Stun'ns as de Vagel up den Tun. – Sörre de Tid, dat dat nu fastset't is, dat Rudolf un Mining sick in de anner Woch, den Fridag, frigen sälen – du kümmst doch ok tau Hochtid? –, hett hei kein Rauh Dag un Nacht, nu kriggt hei't mit Wirtschaften, nu dat de Frühjohrssaat bestellt is un dat Gott in der Welt nicks tau dauhn is, nu löppt hei in den Felln herümmer, un wenn hei tau Hus kümmt, makt hei Elend. – Ja, 't is grad, as wenn hei in de gaud acht Dag', de noch bet tau de Hochtid sünd, dat nahhalen will, wat hei in de fiwuntwintig Johr versümt hett.« – »Ih, lat em! – Wat Slimms is jo dat nich.« – »Dat segg ick, äwer Rudolf argert sick jo doräwer, dat hei em alles dörchmunstert.« – »Na, dat ward sick ok gewen. – 't is doch allens ruhig bi jug?« – »Ja woll, un wenn Jochen dunn nich de Red' wegen de Gäus' hadd hollen wullt, hadd wi von den ganzen Larm gor nicks markt; äwer in Gürlitz un in Pümpelhagen sall't slimm utseihn.« – »In Pümpelhagen ok?« – »Ih, woll, woll! – Sei seggen't beid' nich; hei segg't nich, un sei segg't nich; äwer de ganze Gegend weit jo, dat dat dor alle Dag' losgahn kann. – Hei sall jo so vele Schulden hewwen, un nu willen de Daglöhners ehren Lohn hewwen, un den ward hei woll hewwen upsummen laten, un denn willen sei di jo wedder taum Entspekter hewwen.« – »Ih, dat Letzt is dumm Tüg!« – »Dat heww ick ok seggt. – Ne, säd ick tau de gnedige Fru: up dit Flag geiht min Korl-Brauder nich wedderhen.« – »Wat?« frog Hawermann hastig, »büst du denn bi ehr west?« – »Jawoll, Korl. – Hett di dat Bräsig nich seggt, dat[585] wi dorhen wullen?« – »Dat ji dat wullen, hett hei seggt, äwer, dat ji dor west sünd, dat weit ick nich.« – »Je, Korl, dat was so: Triddelfltz kamm hir jo her mit allerlei Scheitgewehr un säd jo, sei wullen de Daglöhners dormit begrüßen, dunn säd ick tau Jochen, wi müßten hen nah de Lüd'. – Na, sei hewwen uns jo vördem vör den Kopp stött, un wi hadden jo dat nich nödig; äwer, Korl, de Tid! – Wenn einer doch nu mal Nahwer is, un hei will in so 'ne Tid de Hand nich utrecken, denn kann hei minentwegen mi velmal grüßen laten. – Na, wi führten jo denn ok nah ehr räwer; äwer wat Jochen dor mit den jungen Herrn afspraken hett, dat kriggt jo natürlich kein Minsch tau weiten. – ›Jochen‹ frog ick, ›wat säd hei tau di?‹ – ›Nicks nich‹, seggt hei. – ›Wat sproken ji denn mit enanner?‹, frog ick. – ›Je, wat süllen wi vel reden?‹ seggt hei. – ›Wat säd hei denn tauletzt tau di?‹ frog ick. –›Adjüs säd hei‹, seggt hei, ›äwer, Mutting, ick führ dor nich wedder hen.‹ Dor ward nu mal einer dull oder klauk ut!« – »Na, wo namm sei di denn up?« frog Hawermann. – »Je, Korl, ick glöw, wenn sei't sick hadd marken laten wullt, sei wir mi mit bläudige Tranen üm den Hals follen. – So äwer nödigte sei mi in ehre Stuw rinne un sach dorbi fründlich, äwer einerlei ut, un as ick tau ehr seggen ded, dat mi Fründschaft un Nahwerschaft tau ehr hen driwen ded, wat ick ehr von Nutzen in jichtens 'ne Sak sin künn, kek sei mi fründlich un ruhig in de Ogen un frog: ›Sagen Sie, was macht Ihr Bruder?‹, un as ick ehr seggt hadd, dat güng jo noch – Gott sei Dank! – mit di, frog sei nah Lowise, un as ick dorvon ok gaude Nachrichten gewen hadd, würd sei ganz fröhlich un vertellte von ehre Wirtschaft, hirvon un dorvon; äwer't was doch nich so, as wenn sick en por ordentliche Frugenslüd', so von mine Ort, tausamen vernünftig hensetten un kortfarig ehre Wirtschaft dörchspreken; 't was mi en beten tau hastig; äwer so vel kunn einer seihn, sporsam intaurichten versteiht sei't. – Leiwer Gott, sei mag't jo woll ok nödig hewwen! – Süh, Korl, dunn fot ick mi en Hart un stunn up un namm ehre Hand in mine beiden un säd: sei süll mi nich taurügg[586] wisen; keiner süll unrein Water utgeiten, ihre hei nich reines wedder hadd; sei künn in Verlegenheit kamen – un gewiß hadd sei Frün'n, äwer de wiren mäglich nich tau Städen –, denn süll sei mi raupen laten, denn as Nachborin wir ick de Negste dortau, as de Fru Pastern seggt, un wat ick jichtens künn, dat süll gescheihn. – Süh, Korl, dunn stunn ehr 'ne Tran in dat Og', un sei wend'te sick af un drückte sei ut dat Og', un as sei sick wedder nah mi ümdreihte, was äwer ehr Gesicht so'ne Fründlichkeit un Fröhlichkeit, un sei namm mi bi de Hand un säd, dorför süll ick ok minen Dank hewwen, un treckte mi in de anner Stuw herinner un namm ehr lütt Kindting up den Arm, un reikte sei mi hen, un de Lütt müßt mi en Kuß gewen. – Wat was't äwer ok för en olles lüttes, leiwes Gör!« – »Ja, ja!« säd Hawermann, »ick heww't hüt morgen seihn. Äwer klagte sei di gor nicks?« – »Kein Wurd, Korl. Sei sprok nich von em un ok nich von ehre Lag', un as wi nah Hus führten, dunn wiren wi eben so klauk as vörher, taum wenigsten ick; denn Jochen seggt mi jo nicks, wenn hei würklich wat von den jungen Herrn hürt hett.« – »Na, Swesting, dat is ok egal. Dat de jung' Herr in grote Geldverlegenheiten sitt, weit de ganze Welt: Pomuchelskopp hett em sin Geld kündigt un het't tau Antoni nich kregen un hett em nu verklagt; Moses hett em tau Johanni kündigt, un ward ok sin Geld nich krigen, denn in so'ne Tid un bi so'ne Ümstän'n kann hei nicks schaffen, un denn ward em dat Gaud verköfft, un wollfeil ward't weggahn, un Pomuchelskopp köfft't. – Wenn anner Tiden äwer in't Land kamen un 'ne vernünftige Wirtschaft up dat Gaud bedrewen ward, denn kann dat Gaud noch vel lasten. – Du willst de gnedige Fru helpen un ick ok; min beten Kaptal will ick girn hengewen, wenn de jung' Herr sick tau 'ne vernünftige Wirtschaft bequemt; äwer dat makt den Kohl nich fett. Ji möten ok wat dauhn, mit Mosessen ward ick noch mal irnstlich reden, un dat wir jo doch en Schimp un 'ne Schan'n, wenn ihrliche Lüd' nich gegen einen Halunken upkamen kün'n, de irst dat Water dick makt, dat hei nahsten sine Karpen beter rute fischen[587] kann?« – »Ja, Körling, wenn hei vernünftig wirtschaften wull, un du dor wedder Entspekter würdst, denn ...« – »Ne, Kind«, föll Hawermann bestimmt in, »up dat Flag gah ick mein Dag' nich wedder. Äwer – Gott sei Dank! – 't giwwt in unsern Lan'n noch düchtige Landlüd naug, un so einen möt hei sick nemen, un den möt hei wirtschaften laten, dat maken wi em tau faste Bedingung.« – »Ja, Korl, dat is all recht gaud, äwer nu hewwen wi de Utstüer för Mining -Kurz künn bi de Sak mihr dauhn, 't is jo doch man sin einzigst Sähn; äwer de klagt einen jo ümmer de Uhren vull –, un, Korl, nu möten wi jo uns doch mit Rudolfen utenanner setten un möten jo ok dorför sorgen, dat wi in unsern ollen Dagen tau lewen hewwen, un denn steint uns' Geld all fast up Hypotheken.« – »Dat bringt Moses in de Reih. Süh, Swesting, du hest tau de Fru seggt, du wullst helpen, un ick weit, dat du dat nich so baben den Harten weg seggt hest – nu is't Tid, nu help!« – »Ja, Korl, äwer Jochen! Wat seggt Jochen?« – »Ih, Jochen! Jochen hett nu all fiwuntwintig Johr lang dahn, wat du hest hewwen wullt, hei ward't nu ok woll dauhn.« – »Korl, dor hest du recht, hei möt't ok dauhn. – Wat? Ich heww ümmer taum Gauden wirtschaft't, un nu wull hei sick gegen mi setten? Hei makt äwerall up Stun'ns ümmer Larm; dat is jo gor nich mihr mit em uttauhollen!« un dormit sprung Fru Nüßlern von ehren Stauhl up un slog mit de Fust vör ehren Korl-Brauder up den Disch, as wenn de Jochen heiten ded. – »Min leiwes Kind«, säd Hawermann, »du hest in de langen Johren vel Gaudes dörchset't, du wardst dit ok dörchsetten. – Un dorbi erholl di Gott! un nu adjüs!« un gaww sin Swester en Kuß un gung. Wat was dat för en schönen Gang! – Sine Unrauh von gistern un von hüt morgen was von em gahn, so'ne sekere Hoffnung was äwer em kamen, un allens, wat hei üm sick sach, de blage Hewen un de gräune Ird, stimmte so schön mit em tausamen, stimmte mit den Freden, de in sine Bost intagen was, un as hei tau Hus kamen was un sin Döchting em schüll un de Fru Pastern sick des Dods verwunnern wull, dat hei nich[588] tau Middag tau Hus kamen wir, dat irste Mal nich Stun'n hollen hadd, dunn lachte so'n munteres Wesen ut em rute, dat Zacharias Bräsig em ganz verdutzt ankek un tau sick säd: »Korl muß 'ne neue Indizium ausfündig gemacht haben; denn den Morgen äwer hadd hei vele nige latinsche Redensorten lihrt. – Un nu satt hei dor un sned Hawermannen de abscheulichsten Gesichter tau, de de Oll tauletzt as Rutewinken verstunn un mit em nah sine Stuw' ruppe gung.«

›Bräsig‹, rep Hawermann in Upregung, »weitst du wat äwer de Sak? Is wat rute kamen?« – »Korl«, säd Bräsig un gung mit 'ne lange Pip up un dal un treckte an en por Vatermürder, de em mäglich unbequem seten, indem hei sei süs nich drog, »Korl, siehst du mir gar nichts an?« – »Ja, Bräsig«, säd Hawermann, »Vatermürder, un dat du hellsehen upkratzt büst.« – »Das is gar nichts. Höger rup!« – »Je, denn weit ick't nich.« – »Korl«, säd Bräsig un stellte sick vör em hen, »so as du mir hier siehst, bün ich zum Akzesser bei das kriminalische Gericht ernannt worden und krieg for die Stunde Sitzen acht Schilling preußschen Kurant.« – »Ach, lat dat! Segg mi äwer, is denn Utsicht, dat de Sak rute kümmt?« – Bräsig kek sinen Fründ stramm in de Ogen, plinkte dunn so en beten un säd: »Korl, ich darf dich nichts sagen un sag' dich auch nichts; der Herr Burmeister hat es mich expreß verboten, hier in der Stadt was zu sagen und vor allem nich zu dir, denn der Herr Burmeister sagt, for dich wäre das 'ne unnütze Quälerei und wir müßten mehr Indiziums haben, denn ohne Indiziums kann er auch nichts machen; und diese verfluchten Dinger spinnen sich bloß in großer Verschwiegenheit an, sagt der Herr Burmeister, und wenn das die ganze Stadt wüßte, so gäbe das bloß Gelegenheit zu allerlei Konfusionen mang die Gaunerbande. – So viel kann ich dich aber sagen, gelogen haben sie schon, und sie werden weiter lügen, bis sie sich fest lügen, d.h., bis sie eingestochen werden.«

't würd an de Dör kloppt; en Breiwdräger kamm rinne un bröchte Hawermannen en Breiw. »Ut Paris!« säd hei un[589] gung. – »Gott du bewohre, Korl! Du hast ja hellschen vornehme Bekanntschaften; den Deuwel nich mal! Aus Paris!« – »Hei's von Franzen«, säd Hawermann und brok hastig den Breiw up; de Hand bewerte em dorbi. Franz hadd frilich öfter an em schrewen, äwer jedesmal was 'ne Unrauh äwer em kamen, wenn hei en Breiw von em kreg, un jedesmal kamm hei in Verlegenheit, wat hei sin Kind von desen Breiwwessel seggen süll oder nich. – Bet jitzt hadd hei ehr nicks dorvon seggt. – Hei las; de Breiw was vull Fründschaft un olle Anhänglichkeit; in jedes Wurd sprok sick de Erinnerung an frühere Tiden ut; äwer kein einziges zielte up sine Leiw'. – Taum Sluß schrew hei, dat hei noch bet gegen Jehanni in Paris bliwen un denn nah Hus taurügg kamen wull. – Dit Letztere säd Hawermann tau Bräsigen, as hei den Breiw in de Tasch stek. – Bräsig was wildeß in Gedanken up un dal gahn, un Hawermann hadd't hüren müßt, wat hei vör sick hen red'te, wenn hei nich tau sihr mit den Breiw tau schaffen hatt hadd. – »Merkwürdig, ganz merkwürdig! Das is mich wie ein Fingerzeig von der Gnade Gottes! Dagegen kann der Herr Burmeister nichts nich sagen. Paris hat nichts mit die Indiziums zu tun; dies ist 'ne reine Provatgeschichte. – Korl«, frog hei tauletzt lud' un stunn vör Hawermannen un kek em mit den Blick an, den hei vermorrntau den Herrn Burmeister aflihrt hadd, as hei den Wewer utfrog, »Korl, sag mich die reine Wahrheit: weiß dein junger Herr von Rambow, versteh mir, dein voriges Element mein ich, daß ich weiß, daß du und die Frau Pastern wissen, daß mang ihm und Lowise was passiert is, was kein Mensch wissen soll?« – »Je, Bräsig, ick weit nich ...« – »Schön, Korl, ich seh', ich hab' meine Meinung nich richtig ausdrückt: ich meine, was er woll die Meinung is, daß du und die Frau Pastern meinen, daß ich es mit seiner Liebe zu Lowisen gut meine, und daß ihr mich das gesagt habt. Das is meine Meinung, nu sag' mich deine.« – »Ih, Bräsig, dat du dat weitst, weit hei, un dat du dat gaud meinst, weit hei ok; äwer wat sall dat?« – »Schön, Korl; verlier kein Wort! Aber ich muß[590] nu gehn, ich hab zu heut abend bei Grammelinen David Bergern mit seine Posaunengels und den ganzen männlichen Gesangverein auf Punsch eingeladen, und nu muß ich das besorgen. Also adje, Korl!«, un hei gung, kamm äwer wedder rin: »Korl, sag' die Frau Pastern, daß ich heut nich zu's Abendbrot komme. Wenn ich ihr das von den Punsch sag', denn macht sie mich noch geistliche Anmerkungen; und du, Korl, verfir dich nich, wenn ich diese Nacht spät nach Haus' komm. Den Slüssel hab' ich.« Äwer hei kamm noch mal rin un säd: »Korl, was gemacht werden kann, wird gemacht.« – »Dat glöw ick«, säd Hawermann, denn hei dacht an den Punsch, »du wardst din Sak woll maken.« – Bräsig nickte em tau, as künn hei sick ganz up em verlaten, un gung.

Hawermann satt dor un las sinen Breiw noch mal, un wer wull em dat verdenken, dat em ut de Schriwwt wedder allerlei schöne Hoffnungen entgegenbläuhten? De warme Fründschaft, de sick in den Breiw utsprok, fichelte em an as hüt morgen dat Frühjohrsweder, un de truhartige Ton klung em leiwlich as de Vagelsang von den Morgen. Süll sine Hoffnung wedder bedragen warden? De Tid ward't lihren! – Ach, Tid un Hoffnung! Sei stahn sick entgegen as Kukuk un Säbenstirn; wecke Minsch, de nah lange Nacht ut dat bindelste Hart wedder tau hoffen wagt un den irsten Schämer von Glück an den düstern Hewen uptrecken süht, müggt woll nich de Tid utstriken, bet de Sünn vull an den Hewen steiht!

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 573-591.
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