Kapittel 40

[591] Bräsig hett en Sparlingsnest in den Kopp un hett en Verbrüderungsball anstift't. Kurz steiht in'n Kropp, un de Herr Postmeister singt as en Karnalljenvagel. Bräsig sitt in de Fru Postmeistern ehr Allerheiligstes un schriwwt Breiw' nah Paris. – Fru Pastern probiert ehre Strikhölter, un as sei dormit farig is, äwernimmt Bräsig dit Geschäft. De Rahnstädter Post führt merkwürdigerwis' tau richtige Posttid af, un Bräsig erklärt sick bereit, in ganz Rahnstädt för en ollen Kuppelpelz tau gellen un bereit't Hawermannen up 'ne wichtige Nahricht vör, nahdem hei vörher Kählertsch in Iwersük set't hett. Worüm hei de Fru Pastern fast höllt, un worüm de Fru Pastern em tauletzt binah för enf Christen estemieren deiht.


Den annern Morgen, as Zacharias Bräsig upstunn, fot hei sick af un an mit de beiden Hän'n nah den Kopp un säd: »Korl, du kannst dir gratulieren, daß ich nich noch dollere Koppsmerzen habe, als ich sie in Würklichkeit habe; denn wer sollt' sonst heut Akzesser spielen? – Hätt ich Grammelinen seinen verfluchten Punschrezept nachgegeben, so säß mir jo woll heute morgen ein vollständiges Sperlingsnest in den Kopp. So aber habe ich ihn selbst gemacht.« – »Na, denn sid ji woll sihr fidel west?« frog Hawermann. – »Ih ja! was die jüngere Mitteilnahme anbetrifft, so war sie jo so handlich, indessen was ich war, ich hielt mir ümmer sehr returneh. – Ich saß mit dem Stadtmuskanten David Berger zusammen; aber – hör' mal, Korl! – kann der Kerl was vertragen! Ich denk mich so, das hört zu sein Geschäft; aber ümmer ein Glas nach dem andern, ümmer helleweg! Bloß zuletzt, da wurde er, was man sentimal nennt, da fieß er mich um, und die Tran stand ihm in den Augen, as er mir klagte: sein Verdienst wäre so slicht in diesen politischen Zeiten, daß mich und Herr Süßmannen, der bei Kurzen Ladendiener is, das jammern wurde. – Und Herr Süßmann machte den Vorslag in der Gesellschaft, was wir nicht in der nächsten Zeit zum Besten von David Bergern einen Verbrüderungsball anstiften wollten; das heißt einen politischen, wo sich alle Stände, Edelleute und Rittergutsbesitzer und Pächter und Bürger mit Frau und Kindern zusammenfinden sollten und sich die Hände drückten und mit enander tanzten[592] und meinentwegen auch küßten. – Und dies Indizium wurde angenommen, und Sonntag über acht Tage soll es sein. Und Herr Süßmann setzte gleich 'ne Massive auf, und for dir und mir und die Frau Pastern und Lowise habe ich gleich unterschrieben.« – »Bräsig, ick bidd di, wo ward de Fru Pastern und Lowise woll tau Ball gahn, un ick gor!« – »Das müßt ihr, denn es ist ein edler Zweck.« – »Un du wardst ok nich dortau kamen, Zacharies, denn den Fridag äwer acht Dag is Mining ehr Hochtid un den Sünndag dornah de Kirchgang, un wat würd min Swester seggen, wenn du fehltest un staats dessen up jugen dämlichen Reformball herümmerdüs'test.« – »Denn wird natürlich die Sache abgeändert und darum nu adjüs, Korl, ich will gleich mal zu den Herrn Süßmann und das besorgen, und dann muß ich zu Rathaus – weitst du? – sitzen, vier Groschen die Stunde.«

Hei gung driwens up Kurzen sinen Laden tau, Herr Süßmann was äwer nich dorin, Kurz sülben lep dorin up un dal un ret de Schuwladen up un kek herin un stödd sei wedder tau. – »Gun Morgen, Kurz, wo ist woll Ihr junger Herr?« – »Ich hab' keinen jungen Herrn; ich bin selbst Herr.« – »Kurz, nehmen Sie sich mit Ihre Worten in acht, wir leben in einem demokratischen Zeitpunkte, indem daß ...« – »Ah was! Hier? In acht nehmen? Ich huste in die ganze Demokratie, wenn mein Ladendiener des Morgens nicht aus dem Bette finden kann und die Nacht über Punsch trinkt; und alte Leute sollten sich schämen ...« – »Halt, Kurz! Sie fangen woll wieder an mit Ihre feinen Schmeicheleien von dem Sonntag her; aber auf Stun'ns leid ich so was nicht wegen meiner Stellung bei's Gericht. Un adje, Kurz! Aber Sie jammern mir, Sie haben sich angestochen mit der Inflorentia, Sie sollten zu Bette gehen, Ihnen liegt was in die Knochen, und wenn Sie sich unter die Ganaschen fühlen wollten, würden Sie schon einen vollständigen Ansatz zum Kropp fühlen. Aber adje, Kurz!« – Hei gung; äwer Kurz ras'te in den Laden rümmer un schimpte up de ganze Welt, bet em sine[593] Fru, grad as de Ladendeiner ut dat Bedd rute kamm, in't Bedd rinne kreg un em dor för dit Mal in Arrest namm.

Nah desen lütten Trubel gung Bräsig up't Rathus un verdeinte sick an desen Dag ahn widere Mäuh un in alle Rauh fiw mal vir Gröschen, denn de Sitzung durte fiw Stun'n, un as hei tau Hus kamm, was all afeten, un as för em besonders wedder deckt würd un Fru Pastern anfung, äwer Unregelmäßigkeiten in den Lewenswandel tau spitzen, von des Morgens Klock twei tau Hus un des Middags Klock twei tau Disch kamen, satt Unkel Bräsig dor un grinte so sülwsttaufreden mit sick, as wull hei seggen: ja wenn du so wüßt'st, wat ick för swore Geschäften heww un in wecker Ort ick de dörchführ, du würdst mi strigeln un straken un würdst mi küssen un dauhn, wat du süs noch mein Dag' nich dahn hest; un as hei von't Eten upstunn, säd hei feierlich: »Frau Pastern, es kommt all an die Sonne, as der Herr Burmeister sagt«, un plinkte Hawermannen tau: »Bonus! as der Herr Presendent Rein sagt«, un gung up Lowise tau un fot sei rundting üm un küßte sei un säd: »Lowising, gib mich mal den feinsten Bogen Postpapier, den du finden kannst; denn ich will da ein kleines – na, Indizium will ich sagen – verpacken, daß es sich nicht scheuert, denn es soll weit verschickt werden.« – Un as hei ut de Dör gung, den Bagen in de Hand, dreihte hei sick wedder üm und säd: »Korl, as ich gesagt habe, was gemacht werden kann, wird gemacht.« – Un kamm noch mal wedder rinne un säd: »Frau Pastern, heut abend komm ich zu's Abendbrot.«

Hei gung nah't Posthus. De Herr Postmeister was tau Hus, hei was ümmer tau Hus, för 150 Daler Gehalt hadd hei sick up Lewenstid inspunnen laten, nich in 'ne Stuw, ne, in en Vagelburken, wat hei sin Komtur näumen ded, un wenn hei nicks von Postsaken tau besorgen hadd, denn satt hei dor un fläut'te un sung as de schönste Karnalljenvagel. Dit fröhliche Geschäft bedrew hei grad, as Bräsig bi em intred: »Gun Dag, Herr Postmeister. Sie sünd ein Ehrenmann, darum will ich mir Ihnen in einer delenkaten Sache ganz dekoffrieren.[594] Das Eigentliche natürlich brauchen Sie nicht zu wissen, das bleibt in Verswigenheit, und das, was ich Ihnen sage, muß auch in Verswigenheit bleiben. Ich will nämlich nach Paris schreiben.« – »Nah Paris? Plagt Sei der Deuwel? Wat hewwen Sei nah Paris tau schriwen?« – »Nach Paris«, säd Bräsig un reckte sick höger. – »Weit der Deuwel!« säd de Postmeister, »de ein von de Inspekters kriggt Breiw' ut Paris, un de anner will weck dorhen schicken. Na, will'n tauseihn, wat hei kost't.« – Hei slog nu ümmer rüm in sine Bäuker un säd tauletzt: »'t kümmt hir gor nich vör. Willen in'n pohlschen Bogen reken: unner sößteihn Gröschen kann'k 't nich dauhn.« – »Schad't auch nich; ich habe vermorrnzu schon zwanzig Gröschen auf's Gericht verdient.« – »An wen sall hei?« – »An den jungen Herrn Franz von Rambow.« – »Weiten Sei denn sin Adreß, wo hei wahnt?« – »Na, in Paris.« – »Ja, Paris is grot. De Strat möten Sei weiten un de Husnummer.« – »Gott soll mir bewohren!« rep Bräsig, »was Umstän'n! Die weiß ich nich.« – »Fragen S' doch Hawermannen.« – »Dat is's jo grad, der soll nichts davon wissen.« – »Je, denn weit ick ok keinen annern Rat, denn schriwen S' den Breiw, un denn möt wi em an de meckelbörgsche Gesandtschaft, an Doktor Ürtlingen schikken, de mag em jo woll utfünnig maken.« – »Das muß er«, säd Bräsig, »denn die Sache is von großer Wichtigkeit, und dafor kriegt er seinen Salehr. Aber was ich sagen woll, wollen Sie mir woll erlauben, daß ich den Brief bei Sie schreibe, indem daß es for Hawermannen ein Geheimnis sein soll?« – »Ih ja«, säd de Postmeister, »kamen S' hir man fix herinne, dat min Fru dat nich süht, denn obschonst dat dat eigentlich de Passagierstuw' sin sall, litt sei doch nich, dat uter Grafen jichtens 'ne Person dorinne gahn darf. Insluten möten Sei sick all gefallen laten.« – Dat wull hei ok, säd Bräsig, un nu satt hei dor von nahmiddags Klock drei, bet dat des Abends düster würd, un schrew sinen Breiw; vörn in sin Burken fläut'te un sung de Herr Postmeister; hei schrew; an de Dör räterte de Fru Postmeistern, sei wull in[595] ehr Allerheiligstes rinne un schull, de Herr Postmeister hadd den Slätel in de Tasch un fläut'te un sung; Bräsig schrew sinen Breiw. Endlich was hei farig, hei las em noch mal äwer, un wi känen jo ok mal rin kiken. Hir is hei:


Hochwohlgeborner junger Herr von Rambow!

Es hat sich hier eine große Merkwürdigkeit begeben, indem daß Kaufmann Kurz seinen Meß auf Bäcker Wredow'n seinen Acker hat fahren lassen, der sein Gegenbuhler ist in Hinsicht der Stadtbollen. Darin hat Hawermann ein Stück schwarzen Waßduch mit das Rambowsche Wappen gefunden, was for ihn eine große Erleichterung in Hinsicht des Verdachts wegen den Luggerdor-Diebstahl von Anno 45 sein mußte, indem auch der Herr Burgemeister sagt, daß dies ein Indizium sei. Der Herr Burgemeister hat mich zum Akzesser bei's Gericht gemacht; es ist auch ein bischen dabei, aber for mich sehr sauer zu verdienen, indem daß ich als Ökonomiker an Bewegung gewöhnt bin, auch wegen dem Podagra soll; Mühe wäre grade nicht viel dabei; aber Schlaf, der einen in die Augen tritt wegen langwierigen Sitzen. Aber das Gute ist dabei, daß ich davon ganz genau Bescheid weiß, was Hawermann gar nicht weiß, weil es mich der Herr Burgemeister versagt hat. – Da Sie aber in Paris und nicht in Rahnstädt sünd, kann ich als Freund mit Ihnen frei über die Sache reden, und die Sache ist so: der Weber, der lügt, daß er keinen Umgang mit seiner geschiedenen Frau mehr hat, und der Herr Burgemeister sagt, daß dies wieder ein Indizium ist. Wir haben überhaupt schon so viele Indiziums, daß es einen Hund jammern könnte. Die Hauptgeschichte aber kommt noch, nämlich: Kählertsch; Kählertsch will nämlich den Weber abslutemang heiraten und is die richtige Meinung, daß der Weber ihr nicht will, indem daß die geschiedene Frau ihn selbst wieder ergattern will. Dies hat nu bei Kählertschen eine Bosheit zurückgelassen, was man Eifersucht benennen könnte, und so ist sie mit lauter verfluchte neue Indiziums rausgekommen, die, wie der Herr Burmeister[596] sagt, important und elewant sind oder, wie ich mir deutsch ausdrücke, sehr bewandt sind. Der Herr Burmeister sagt aber, einer muß da sehr vorsichtig sein, indem das Frauenzimmer vor Bosheit spuckt und auch Lügen aussagen kann. Indessen ihre Lügen haben sich bewährt, indem, daß sie die volle Wahrheit gesagt hat, daß der Weber ümmer dänsche Luggerdors gezeigt hat, wie audi Schlachter Krüger in zwei kompertinenten Fällen ausgesagt hat; nämlich als der Weber heute morgen vors Gericht stand und uns mit neue Lügen und neue Indiziums unter die Augen ging, haben sie, Höppnern an der Spitze, bei dem Weber Haussuchung gehalten und haben da neun dänische Doppelluggerdor in sein Schapp gefunden, an einem unbekannten Orte. Was er nachher auch sogar streiten wollte, aber nicht mit durchkam. – Sie, die Weberfrau, was die eigentliche Erztkarnallge is, is heute vermorrnzu auch eingestochen, indem daß sie bei ihrer Haussuchung eine Snuwtobacksdose gehabt hat, die den seligen Herrn Pastor hieselbst gehört hat und von der nachgelassenen Pastor-Fomilie als ein Heiligtum in einem Glaskasten aufbewahrt wurde, welche schändliche Tat ihr nun frei Quartier geschafft hat. – Kählertsch sitzt auch; aber vorläufig bloß puncto cichuriarum, indem sie in ihrer Bosheit das ganze Gericht, den Herrn Burmeister und mir selbst, als Akzesser, beleidigt hat. – Sie lügen alle, daß sie schwarz werden; aber was hilft ihnen das? – Der Herr Burmeister sagt, er wäre als moralischer Mensch überzeugt, daß sie es getan haben, und raus muß es, und raus kommt es. – Was wäre das for meinen Korl Hawermann for einen Tirumpf, wenn er auf seine alten Tagen als ein vollständiger Unschuldsengel weißgebrannt dastände und mit seinen weißen Haaren in dem weißen Unschuldskleide mang die Leute wieder herumginge. – Sie müssen sich schämen als ein begossener Pudel, daß sie ihm das angetan haben, ich meine – mit Respekt zu sagen – Pomuchelskoppen und den Pümpelhäger, die nun auch auseinander sünd, weil Zamwell den andern verklagt hat, was mich nicht weiter arretiert, indem daß ich[597] Pomuchelskoppen in unsern Reformverein die Meinung gesagt habe und Ihr Herr Vetter auf Pümpelhagen mir vor die Brust gestoßen hat. – Keinen guten Gang geht's mit dem nich, denn vermöge der Kündigung zu Jehanni von Mosessen sitzt er sehr in der Pardullge, indem er kein Geld hat, auch kein Futterkorn, und wovon soll er denn leben? – Er ist ein gänzlich unbewußter Mensch. – Diesem Briefe dürfen Sie meine Tage nicht vor Hawermannen Erwähnung tun, indem das heimlich ist. Sondern ich dachte mir, daß es for Sie interessant sein würde, die würklichen Spitzbuben kennen zu lernen, und daß Korl Hawermann – Gott sei Dank! – nich mang sie ist. – Er ist durch die letzten Verhältnissen sehr aufgemüntert und slägt auch mankerdurch schon achter aus as en Fohlen, wenn ihm der Sadel abgenommen ist. – Dieses halte ich for ein erfreuliches Zeichen der Zukunft. – Neues aus der Gegend von alten Bekannten kann ich Sie nur melden, daß echter Freitag Mining un Rudolf ihrer ehelichen Vereinigung in Erwartung stehen. Die Madame Nüß-lern, die Ihnen wohl noch als eine sehr schöne junge Frau in der Erinnerung steht, ist – unberufen! – noch sehr wohl, aber etwas kompletter geworden; auch Jochen befindet sich ja noch und zieht sich for seine zukünftige Pangsionierung einen neuen Thronfolger auf. – Ihr Herr Mitkollege von vordem, Triddelfitz, ist nun das Totum in Pümpelhagen; Hawermann sagt, er wird noch; ich sage, er ist ein Windhund, der mit Schießgewehren auf die Leute geht, weswegen er mir und die Madame Nüßlern förmlich in den Bann getan hat. – Eine Reform haben wir auf Stunds in Rahnstädt auch; der junge Herr Paster Gottlieb predigt gegen ihr, aber die junge Frau Pastorin Lining weiß ihn zu bequemen. – Rekter Baldrian hat die Sneidermamsells und einen gewissen Platow oder Patow oder Pätow oder so rum in der Reform durchgebracht; aber Kurz ist wiederholentlicher Maßen rausgesmissen; seine vier Pferde haben die Inflorentia; mit seine alte Sadelstut spann sich die Sache an, und mit ihm selbst wird sie woll aufhören, denn er kroppt schon. – Die alte[598] Frau Pastern Behrendsen ist noch immer unsere geehrte Hauswirtin, auch mit Essen und Trinken, indem daß Hawermann und ich Schlaf- und Wohnställe, so wie auch unsere tägliche Nahrung bei ihr haben; sie würde Ihnen ebenso as Hawermann grüßen lassen, aber sie kann's nich, denn sie weiß nichts nich davon. – Aber sprechen tun wir oftmals von Ihnen, indem Sie uns noch immer als ein gegenwärtiges Bild vor Augen stehen. – Mehr weiß ich auf den Sturz auch nicht zu erzählen – doch da fällt mich ein: Pomuchelskopp hat sich in die Reform aufnehmen lassen; der Zimmermeister Schulz ist ein sehr braver Mann, er stand mir dazumalen bei; Krischan Däsel ist von Ihren Herrn Vetter weggejagt worden, und von Regeln keine erfindsame Spur; aber Lowise Hawermann befindet sich – gottlob! – noch sehr wohl.

In Erwartung der nicht vorhandenen Störung oder Unbequemlichkeit meines geneigten Schreibens, habe ich die Ehre, mich in tiefster Ehrfurcht zu empfehlen und grüße Ihnen recht von Herzen als alten Freund!


Rahnstädt, 13. Mai 1848.

Ew. hohen Gnaden ganz gehorsamster

Zacharias Bräsig,

immeriter Entspekter und augenblicklicher Akzesser.


Nachschrift.

Apopoh! Diesen Brief schreibe ich in der Frau Postmeistern ihr Allerheiligstes, indem mich der Herr Postmeister expreß derowegen eingeschlossen hat, und er hat es mir zugeschworen, nichts davon zu sagen. Dies geschieht allens wegen der Heimlichkeit, denn Hawermann und die Frau Pastern und Lowise wissen nichts davon; Lowise hat mich aber diesen Postpapierbogen gegeben, er stammt von ihr, und glaube ich, daß dies vor Sie eine kleine Beglückung ist, indem ich mich meine eigenen jugendlichen Zeiten erinnere, wo ich dazumalen drei Brauten auf einem Male hatte. – Sie ist aber auch in aller Liebe und Wehmütigkeit um ihren alten Vater[599] rum und um andere eine kostbare Perle des menschlichen Geschlechts. – Wenn ich Antwort von Ihnen erhalte, daß Sie nichts dawider haben, schreibe ich noch öfter über die eingestochenen Spitzbuben. – Wenn Sie den Sonntag über 8 Tage schon wieder in unserer Gegend sind, so lade ich Sie zu unsere Verbrüderung ein; die Näh- und Schneidermamsells werden alle eingeladen.

Der Obigte.


As hei mit sin sures Stück Arbeit farig was, kloppte un butterte hei an de Dör, un as de Herr Postmeister em upslot un rute let, stunn hei dor, un de Sweit drüppte em äwer dat Gesicht. – »Mein Gott«, säd de Postmeister, »wo seihn Sei ut! – Nich wohr? Ungewennte Arbeit makt Quesen.« – Dormit namm hei em den Breiw ut de Hand und slog em in en Ümslag un makte de Addreß an den Herrn von Rambow, un dunn noch mal in en Ümslag, de mit de Addreß von de meckelbörgsche Gesandtschaft tau Paris beschrewen würd, Bräsig betahlte vörlöpig, gliksam as Pand, sößteihn Gröschen, un de Breiw kunn nu in Gottes Namen sine Reis' antreden, denn de Post, de em mitnemen süll, höll all vör de Dör. – Un dorbi sung de Herr Postmeister in sin Burken: »Ein Leipziger Student hat jüngst nach Haus' geschrieben: Frau Mutter, sagen Sie, darf denn kein Mädchen lieben?«, un as Bräsig ut de Dör gung, sung hei: »Custine schickt eine schnelle Post, die nach Paris reiten muß: die Sachsen und Preußen marschieren ins Feld, um Mainz zu bombardieren, und wenn ich keinen Sukkurs bekomm, denn muß ich kapitulieren.« – »Meinentwegen kapitelieren Sie, soviel Sie wollen; aber halten Sie reine Mund, as Sie das versprochen haben«, säd uns' oll Fründ un gung nah Hus un hadd nich allein dat schöne Gefäuhl in sine Bost, dat hei en gaud Wark gaud tau Stan'n bröcht, ne, ok dat binah ebenso schöne, dat hei en swores Stück mit grote Geschicklichkeit dörchführt hadd, indem hei sick dat för pure Finessen anrekente, dat hei Lowise, as hei tau sick sülwst säd, ganz fein, so praeter propter[600] un so circa mit in den Breiw herinne fligt hadd, dat einer all en hellschen finen Rüker hadd hewwen müßt, wenn hei wat marken süll.

Na, wenn nu einer so'n seliges Gefäuhl von gaude un gescheute Dahten in sick dröggt un sick doran as an en warmen Aben tau Winterstid en beten warmen will, denn möt einen dat duwwelt eklich vörkamen, wenn en wohren Stormwind un Regen von allerlei Vörwürw' un Schell up einen los sus't; un dit passierte Bräsigen, as hei bi de Fru Pastern, de mit den lütten Akzesser tausam satt (Lowise was nich dor), in de Stuw' herinne kamm. Fru Pastern was grad dorbi, de Lamp antausticken, äwer de Strikhölter wullen nich fangen, einmal, wil Kurzen sin äwerall nich recht fungen, un taum tweiten, wil Fru Pastern – villicht ut Sporsamkeit – de Gewohnheit an sick hadd, de afgebrukten un afprobierten, de nich fangen wullen, ümmer wedder in de Schachtel tau leggen, wodörch so'n Strikholt in sinen korten Lewen wenigstens twintig Mal dat Vergnäugen hadd, probiert tau warden, wat för so'n Strikholt sihr pläsierlich sin mag, för anner Lüd' äwer sihr verdreitlich is. – »Na, da sind Sie ja!« rep de Fru Pastern argerlich un probierte ein Strikholt. »Endlich sind Sie ja da!« – dat tweite Strikholt. »Sie treiben sich den ganzen Tag in der Stadt herum« – wedder en Strikholt; »aber Sie gehen jawohl mit blinden Augen umher« – twei Strikhölter mit einmal – »und mit tauben Ohren!« – wedder en Strikholt – »Sie wissen ja sonst immer alles« – en Strikholt –, »und wenn's drauf ankommt, denn wissen Sie nichts« – drei Strikhölter mit'n Mal. – Bräsig was gegen de Fru Pastern ümmer sihr höflich un gefällig, hei namm ehr also de Schachtel ut de Hand un säd: »Erlauben Sie!« – ein Strikholt – »Woans meinen Sie das?« – dat tweite Strikholt – »Habe ich Sie was zu Leide getan?« – dat drüdde Strikholt – »Kurz kann sich mit seine Dinger vergolden lassen!« – twei Strikhölter – »Was bei ihm anstechen soll, das sticht nich an, und was bei ihm nich anstechen soll, das sticht an.« – drei Strikhölter – »Die verfluchten Dinger haben jo woll auch die[601] Inflorentia!«, un dormit smet hei de ganze Schachtel up den Disch un halte sin Füergeschirr ut de Tasch un makte Licht an. – »Bräsig«, säd de Fru Pastern un sammelte sorgfältig de afprobierten Strikhölter in de Schachtel, »ich muß mich sehr über Sie ärgern. – Ich bin nicht neugierig; aber wenn etwas passiert, was Hawermannen und Luise angeht, so bin ich doch gewiß die Nächste dazu, die es wissen muß. – Warum muß unsere kleine Anna damit herauskommen, was Sie mir schon längst hätten sagen müssen, denn Sie haben's gewußt, ich seh's Ihnen an, Sie haben's gewußt.« – »Woso?« frog Bräsig un wull noch grot den Dummen an den Hals slagen; äwer de Fru Pastern was tau argerlich, indem dat sei sick von em up dat Schändlichste bedragen höll, un säd: »Sie wollen sich noch verstellen? – Ich weiß, daß Sie alles wissen, und Sie sagen mir nichts?« Un nu fung sei an, den Ollen antautappen, un de lütt Akzesser bohrte den Herrn Akzesser ok an; fin un ümmer finer fädelten de beiden Frugenslüd' ehre Fadens in un treckten doran allens ut Bräsigen herut, wat hei bi de Seel hadd, denn Swigen was eigentlich nich so recht sin Sak, un as hei tauletzt in helle Vertwiflung utrep: »So, nun weiß ich aber nichts mehr«, dunn stellte sick de lütte runne Fru Pastern vör em hen un säd: »Bräsig, ich kenne Sie, ich sehe es Ihrem Gesicht an, ich sehe, Sie wissen noch was. Heraus damit! Was wissen Sie noch?« – »Frau Pastern, es ist 'ne Prowatangelegenheit.« – »Das ist ganz gleich: heraus damit!« – Un Bräsig schürte up den Stauhl hen un her un kek rechtsch un linksch; äwer't hulp em nicks, hei müßt Hals gewen un säd endlich: »Ich habe derentwegen an den Herrn Franz von Rambow nach Paris geschrieben; aber Korl Hawermann darf es nicht wissen.« – »Nach Paris!« rep de Fru Pastern un set'te de Hän'n in de Siden, »an den jungen Herrn von Rambow! – Was haben Sie an ihn zu schreiben? – Sie haben was von Luise geschrieben, ich seh's Ihnen an! Ja, Sie haben was geschrieben, und was ich mir kaum getraut haben würde, das haben Sie getan!« un sprung an de Klingel un lüd'te Storm: »Fik, lop nah den Posthus', de Herr Postmeister[602] süll glik den Breiw wedder rute gewen, den Herr Bräsig nah Paris schrewen hadd.« – Terengterengtentereng! blos' de Postilljon, un de Post un Bräsigen sin Breiw führten mit Trumpetenklang an Fru Pastern ehre Näs' vörbi, grademang nah Paris, un Fru Pastern sackte in höchsten Arger in ehre Sofaeck tausam, jog Fik nah de Käk taurügg, un – leider Gottes möten wi dat ingestahn – in ehr wir binah en lises Murren gegen den Ratsluß Gottes upbegehrt, dat hei dat – ditmal villicht taum irsten Mal – taulaten hadd, dat de Rahnstädter Post tau richtige Posttid afführt wir, üm Bräsigen sine Dummheiten in Paris tau besorgen. – Bräsig swur Stein un Bein, hei hadd de Sak mit mäglichste Finheit infädelt, so dat ok nich dat geringste Indizium vörleg. – »Haben Sie von ihr gegrüßt?« frog de Fru Pastern. – »Nein«, säd Bräsig, »ich habe bloß geschrieben, sie befindet sich sehr woll.« – »Haben Sie sonst noch was von ihr geschrieben?« – »Ich habe bloß geschrieben, daß der Postpapierbogen von ihr herstammte und daß sie eine Perle des menschlichen Geslechts ist.« – »Das ist sie«, smet de Fru Pastern dormang. – »Und denn habe ich einen freundschaftlichen Sluß gemacht, indem ich den jungen Herrn zu unsern Verbrüderungsball eingeladen habe.« – »Darin liegt eine Dummheit«, rep de Fru Pastern, »das kann er merken, daraus kann er die Absicht herauslesen, daß er wieder mit Luisen zusammenkommen soll.« – »Frau Pastern«, säd Bräsig un stellte sich vör ehr hoch hen, »Ihre Worte, die Sie hier gesprochen haben, in allen Ehren! Aber is das 'ne Dummheit un 'ne Slechtigkeit, wenn einer die Absicht hat, daß er zwei Menschen wieder zusammenbringen will, die die Boshaftigkeit und die Niederträchtigkeit von anderen Menschen auseinandergespalten hat? – Ich habe diese Absicht gehabt, und derowegen habe ich den Brief geschrieben; Hawermann konnt's nicht; denn worum? Er ist der Vater dazu, und es hätte ihn slecht gekleidet. – Sie konnten's nicht, denn worum? Weil sie Ihnen hier in Rahnstädt in diesen Hinsichten schon allerlei entfamte Ehrentitel angehängt haben. – Mich aber ist es ganz Partie[603] egal, was sie mich for einen ollen Aportendräger schimpfen; mich hackt so was nich an; ich will nu mal Aporten nach Paris tragen, und wenn sie mich man in Paris for 'nen ehrlichen Mann und ausbefundenen Freund von Korl Hawermannen und Lowise taxieren, ist es mich Partie, ob ganz Rahnstädt mich for einen alten Kuppelpelz schimpft.« – »Ja, Frau Pastorin, ja!« rep de oll lütt Akzesser un föll de oll Fru üm den Hals, »der Herr Inspektor hat recht. Was liegt an dem Geklätsch von Rahnstädt? Was liegt an den dummen Urteilen der Welt, wenn zwei Menschen glücklich werden sollen? – Franz muß kommen, und Luise muß glücklich werden«, un dormit sprung hei in ehre Hartensfreud up Bräsigen tau un fot em rundting üm un gaww em en Kuß grad up den Mund. – »Sie sind ein alter lieber Onkel Bräsig!« – Un Bräsig gaww ehr den Kuß taurügg un säd: »Je, Sie olle lütte Klaviermamsell, Sie olle lütte Lewark, Sie! Sie möchten auch wohl mal in solchen Verhältnissen Ihr Glück probieren! – Aber halt! Wir wollen nicht zu zeitig kakeln, noch is die Sache weit inzwei, noch haben die Spitzbuben nicht eingestanden, und so, as ich Korl Hawermann kenne, muß er erst ganz rein in der Sache sein, ehe er sich in die Verhältnissen bequemt, und darum habe ich nichts nich von der Sache gesagt, daß er und Lowise nicht in Unrauh kommen sollen. Und 'ne Gnade von Gott ist es, daß Kurz die Inflorentia hat, denn sonst hätt der schon lange sein Maul aufgetan.« – »Bräsig«, säd Fru Pastern, »allens in allen – ick glöw, Sei hewwen't recht makt.« – »Nich wohr, Fru Pastern? Und es war Sie bloß ärgerlich, daß Sie nicht zuerst geschrieben hatten. Dafor aber sollen Sie auch die Ehre haben, daß Sie an den jungen Herrn schreiben, wenn erst allens raus ist.«

Drei Dag' nah dese Unnerredung kamm Bräsig nah Hus, begegente up de Del de lütt Fru Pastern, de de rechte Hand in 'ne Bind hadd, indem sei sick de dörch en Fall up de Kellertrepp verstukt hadd, un säd mit groten Irnst un Nahdruck de Würd': »Frau Pastern, ich komme gleich wieder runter und sag' Ihnen was.« Dormit steg hei de Trepp nah[604] Hawermannen ruppe. Hei säd nich »gun Dag« un nicks, as hei bi Hawermannen in de Dör kamm, sach sihr fierlich un äwerein ut un gung driwens dörch de Stuw in de Slapstuw. Dor schenkte hei en Glas vull koll Water in un gung mit dat Glas an Hawermannen ranne: »Hier, Korl, trink mal!« – »Wat? Wotau sall ick drinken?« – »Weil dich das gut is. Was dir nachher von Notwendigkeit is, kann dir vorher nicht schaden.« – »Bräsig, wat hest du?« rep Hawermann un wehrte dat Water af; äwer hei markte, dat em wat Besonders bevörstunn. – »Na, Korl, wenn du nicht willst, denn willst du nicht; aber nimm dich zusammen, nimm dich forsch zusammen«; dormit gung hei up un dal, un Hawermann folgte em ganz blaß mit de Ogen, hei fäuhlte dat ut Bräsigen sine Anstalten herute, dat in desen Ogenblick en Upsluß äwer sin Schicksal lagg. – »Korl«, frog Bräsig un stunn vör em, »hast du dich zusammengenommen?« – Un hei hadd't würklich dahn, hei stunn up un rep: »Bräsig, segg, wat du tau seggen hest; wat ick so lang dragen heww, kann ick noch länger dragen.« – »So is nicht die Meinung«, säd Bräsig; »es ist raus; die Spitzbuben haben's eingestanden, und wir haben das Geld, wenn auch nicht allens, doch was.« – Ja, woll hadd de oll Mann sick up wat fat't makt, up dat nige Verlöschen von den Schämer, den de Hoffnung an sinen Hewen hadd upgahn laten; äwer as de Sünn von de Gewißheit, dat för em en nigen Dag anbrok, em krall un prall in de Ogen schinte, dunn was sin Og' blen'nt, un dusend Sünnen flirten üm em rümmer: »Bräsig! Bräsig! – Min ihrlich Nam! – Min Lowise ehr Glück!«, un hei sackte up den Stauhl taurügg, un Bräsig höll em dat Glas Water hen, un de oll Mann drunk un verhalte sick en beten un fot Bräsigen, de vör em stunn, üm de Knei: »Zacharies, du hest mi meindag' nicks vörlagen!« – »Nein, Korl, es ist die pure Wohrheit und steht in's Protokoll, und die Spitzbuben kommen nach Dreibergen, as der Herr Burmeister sagt, erst aber nach Bützow ins Kriminal.« – »Bräsig«, säd Hawermann un stunn up un gung in de Slapkamer, »lat mi allein un segg nicks tau Lowise! – Ja,[605] segg ehr, sei sall ruppe kamen!« – »Ja, Korl«, säd Bräsig un stellte sick an't Finster un kek in de Luft un wischte sick de hellen Tranen ut de Ogen, un as hei ut de Stubendör gung, kunn hei sinen Korl in de Slapstuw' up de Knei liggen seihn. –

Lowise gung tau ehren Vader, Bräsig säd ehr wider nicks. – Äwer bi de Fru Pastern gung't nich so stillswigend af. – »Mein Gott«, säd de lütte Fru, »nun ist Luise weggegangen, und Hawermann kommt nicht, und Sie, Bräsig, kommen auch nicht zur rechten Zeit; das Essen wird kalt, und wir haben solche schöne Fische. – Was wollten Sie mir denn sagen, Bräsig?« – »Oh, nichts nich«, säd Unkel Bräsig un sach so ut, as hadden em de Spitzbauben mit allerlei Schelmenstücken anstickt un hei müßt sei nu gegen de Fru Pastern dorför utäuwen, wil sei em wegen den Breiw so kapittelt hadd. »Nichts nich weiter, als daß Hawermann und Lowise nicht zu Tisch kommen. – Wir beiden können ja aber essen.« – »Ih, Bräsig, warum kommen sie denn nicht?« – »Nun, wegen der Schürze!« – »Der Schürze?« – »Ja, weil sie naß war.« – »Welche Schürze war naß?« – »Nun, Kählertschen ihre. – Aber wir wollen essen, Frau Pastorin, die Fische werden kalt.« – »Keinen Happen!« rep de Fru Pasturin und deckte en por Teller äwer de Fisch un doräwer 'ne Salviett un doräwer ehre lütten runnen Hän'n un kek Bräsigen mit ehre run'n Ogen so wild an, dat Bräsig nich mihr in sine Rull bliwen kunn un herute platzte: »Wir haben's raus, Frau Pastern, und sie haben's eingestanden, und das meiste Geld haben wir auch wieder.« – »Und das sagen Sie mir nun erst!« rep de lütte Fru und tründelte üm den Disch herüm un wull ut de Dör un nah Hawermannen ruppe burren. – Dat led Bräsig äwer nich, un dörch dat Verspreken, hei wull't ehr all utführlich vertellen, kreg hei sei bi sick up den Sofa dal. »Frau Pastorin«, säd Bräsig, »das Eigentliche, was das oberste Indizium war, ist durch Kählertschen rausgekommen, das heißt eigentlich nicht durch ihr selber, sondern durch ihre boshaftige Eifersucht, was eine hellisch glupsche Eigenschaft[606] von viele Frauenzimmers ist, die die erbärmlichsten Folgen an sich trägt. – Ihnen mein ich nicht damit, ich mein hier bloß Kählertschen. – Sehn Sie, das Frauenzimmer hatte sich das prekawiert, sie wollte den Weber heiraten, und der Weber wollte ihr nicht. Nun ist sie die richtige Meinung, daß das geschiedene Weberweib ihn selbst wieder heiraten will, und lauert ihnen auf Schritt und Tritt nach, und so begab es sich, daß ihre Schürze – ich mein Kählertschen ihre – einmal naß geworden war und daß sie sie auf dem Gartenzaune trocknen wollte. Indem da sie nun achter die Schürze in halber Verborgenheit steht, regardiert sie den Weber, daß er mit seine Geschiedene da 'ne Rangdewuh abhält – na, Sie wissen ja Bescheid, Frau Pastorin.« – »Bräsig, ick segg Sei ...« – »Ruhig, Frau Pastorin! Und in einem Graben saßen sie nicht, sie standen mang die Stakbohnen, indem daß das Frauenzimmer von achter in den Garten über den Zaun gerangt sein mußte, weil sie nicht durch das Haus gekommen war. – Kählertsch in ihrer boshaftigen Eifersucht rief nun die Slachterfrau Krügern zu der gleichen Betrachtung, und da sahen denn die beiden, daß die beiden hinter die Bohnenstaken verswanden und daß 'ne kurze Zeit darauf das Frauenzimmer über den Zaun stieg und der Weber sich vorsichtig in den Gartensteig begab, worauf sich die beiden Frauen heimlich exküsierten. – So weit waren wir nu, und wahr war es, denn die Slachterfrau hatte es besworen. – Da sagte der Herr Burmeister, wenn Kählertsch bloß reden wollte, die würde noch mehr wissen. Da sage ich: Herr Burmeister, mit der weiblichen Eifersucht! Da sagt er: Aber wie? Da sage ich: Herr Burmeister, ich kenne das von dazumalen her, als ich die drei Brauten mit en Mal hatte, es ist 'ne abscheuliche Natur in der Eifersucht, und sie kennt kein Gnad' und Erbarmen. Lassen Sie mich man machen. – Und als nu Kählertsch wieder vorkam, sag' ich so verloren: Na, wenn nu der Weber auch nicht jede andere so förfötsch weg heiraten kann, seine Geschiedene kann er jo woll stantepeh wieder heiraten. – Und der Herr Burmeister verstand meinen[607] Pfiff und sagte: ja, wenn er das will, dazu gibt ihm allerheiligstes Kunserstorium gleich 'ne Desperatschon. Sehn Sie, da geriet dies Frauenzimmer selbst in 'ne Desperatschon und prust'te raus: wenn's so kommen sollte, denn wollt sie auch allens sagen, der Weber hätte Geld mit aus dem Garten gebracht, denn erst hätte er kein Geld in's Schapp gehabt, aber nachher hätt sie nachgesehen, und da hätte er Geld, lauter Doppelluggerdors gehabt. – Sehn Sie, nu hatte sie sich selbst verfangen, indem sie mit en Nachslüssel bei anderer Leute Schapp gegangen war. Der Herr Burmeister ließ ihr also abführen und auch einstechen; so hätten wir nu also schon ihrer drei Karnallgen fest. – As der Weber nun wieder vorkam und wieder log, woans er zu das Geld gekommen war, und wieder die Slachterfrau ins Gesicht log, daß seine Frau nicht bei ihm im Garten gewesen wäre, sehn Sie, da wurde die Slachterfrau auch giftig und sagte, sie hätte das Mensch nicht bloß im Garten gesehn, sondern sie hätte auch ihre Waden gesehn, as sie über den Zaun gestiegen wäre – nehmen S' nich übel, Frau Pastorin –, aber so sagte sie. – Und so wurden denn nu dem Weber zehn auf die Jacke zudiktiert, denn bei uns sind – Gott sei Dank! – for entfamte Lügen noch Prügel in der Gewohnheit; und der Herr Burmeister stellte ihm Himmel und Hölle vor, daß er Meister wäre und aus das Weberamt gestoßen würde; aber wollte er woll? Er wollte nich. – So drad' er aber die ersten drei in die Jacke hätte, fiel er auf die Knie, was for mich ein schauderhaftiger Anblick war, indem daß ich mich umwenden müßte, und sagte, er wollt' allens gestehn, und das tat er, indem daß er es nicht selbst gestohlen hatte, sondern das Weib. – Das Weib hat nämlich den Tagelöhner Regeln in bewußtlosen Zustand das swarze Paket aus der Westentasche gerissen und hat es im Holze unter Musch und Busch verstochen und hat es da an die zwei Jahr liegen gelassen, indem daß sie, wenn sie zum Holzsammeln gegangen ist, ümmer ein paar Füchse rausgeholt hat, die sie mit Hilfe von alte Judenweiber umgewechselt hat – bei Kurzen is sie ja auch gewesen. – Und da[608] is sie denn vor ungefähr anderthalb Jahr den Weber mal begegent und hat ihm gefragt, was sie sich nich wieder heiraten wollten, denn sie wäre nu nich mehr power, sie hätte nu was, und da hat sie ihm eine Doppelluggerdor geschenkt; er hat aber noch nich wollen, indem daß er dazumalen sich in Kählertschen verliebt hat – ich bitt Sie, Frau Pastorin: in Kählertschen! Mir kann einer Kählertschen auf en Presentierteller bringen, ich verliebe mich nicht in ihr. – Die Luggerdor hat er aber genommen, und sie hat nach mehr gesmeckt, und sie hat ihm auch noch mehr zu genießen gegeben, bis ihm zuletzt 'ne Zuneigung zu ihr wieder erwacht ist, daß er nichts mehr von Kählertschen hat wissen wollen. Und da hat sie ihm ihren ganzen Schatz gezeigt, und da haben sie mit rum gehurrickt, bald hier, bald da, daß sie ihn verbergen wollten, und zuletzt haben sie ihn diesen Frühjahr in eine Schachtel verfestigt, und er hat das swarze Waßduch in den Slachter seine Mistkuhl gesmissen, und den Schatz haben sie in den Garten vergraben. – Und da sünd wir mit dem Weber hingegangen und haben da in die Tüften vierzehnhundert Daler gefunden. – Denken Sie sich, vierzehnhundert Daler in die Tüften! Denn das andere haben sie vermöbelt.« – »Herre Gott doch!« rep de Fru Pasturin, »de Herr Burmeister un Sei möten doch gefährlich klauk west sin, so wat rut tau krigen!« – »Sünd wir auch, Frau Pastorin«, säd Unkel Bräsig ruhig. – »Aber das Weib?« rep de lütte Fru. »Sie ist ja doch die Nächste dazu.« – »Ja, Frau Pastorin, das war denn nu ein erhabener Anblick, denn der Herr Burmeister hatte das Indizium von Schachtel und Geld unter seinem täglichen Hute verborgen, und als das Weberweib in Gegenwart ihres Mannes vorgeführt und noch einmal zur Wahrheit ermahnt war und demgemäß log, so nahm der Herr Burmeister den Hut zu Höchten und sagte: ›Schad't ihm nicht, wir haben sogar schon das Geld.‹ – Sehn Sie, wie sie die Schachtel sah, da fuhr sie als 'ne Kriegsfurie auf den Weber los, und in'n Ümseihn hätte sie ihm das ganze Gesicht abgezogen, bloß mit die Nägel, und rief: ›Verfluchte Kirl![609] Ick wull em glücklich maken, un nu makt hei mi unglücklich!‹ – Frau Pastorin, die Liebe is noch doller als die boshaftigste Eifersucht. Das hätt Kählertsch nie getan! – Aber Frau Pastorin, ich glaub' unsere Fische werden wohl kalt.« – »Ach, Bräsig, wo känen Sei an so wat denken! Äwer ick möt ruppe nah Hawermannen, ick möt em seggen ...« – »Daß Sie sich sehr freuen zu seiner endlichen Reinigung«, säd Bräsig un treckte de Fru Pastern sacht wedder up den Sofa dal, »das sollen Sie auch, aber nahsten. Denn sehn Sie, ich glaub', Hawermann hat sich en bischen mit unsern Herrgott zu besprechen, und Lowise wird ihm woll dabei helfen, und das ist auch gut, aber auch genug; denn Frau Pasturin – als Pasturin müssen Sie das wissen – unser Herrgott ist ein eifersüchtiger Gott, und wenn er sich mit einer dankbaren Seele bespricht, denn leid't er nicht, daß andere Frauenzimmer da mang rein reden, sondern zieht sich zurück, und wo früher der heilige Schein Gottes geglänzt hat, da stellt sich denn die menschliche Erbärmlichkeit wieder ein.« – De lütte Fru Pasturin kek em starr an un brök endlich in de Würd' ut: »Mein Gott, Bräsig! Ich habe Sie immer für einen greulichen Heiden gehalten; Sie sind am Ende gar ein Christ!« – »Weiß ich nicht, Frau Pasturin; ist mich nichts nich von bewußt. Das weiß ich aber, daß ich das, was ich mit meine swachen Kräften in diese Sache getan habe, nicht als Christ ausgeführt habe, sondern als Akzesser bei's Kriminal. – Aber, Frau Pasturin, aus uns' Fischessen wird woll nich recht was, mich is auch gar nich recht esserig zu Mut, mich is allens hier zu eng. – Adje, Frau Pasturin! Ich muß ein bitschen auf die Luft.«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 591-610.
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