Kapittel 43

[646] Pomuchel kriggt en fierlichen Empfang von sine Daglöhners. Häuhning bewis't wedder mal 'ne grote Tapferkeit. – Herr Süßmann kümmt von den Ball un bringt Kurzen in 'ne wunderbor glückliche Lag', de Bräsig benutzt, üm Kurzen sine Ihrlichkeit en beten antaufrischen. – Rührdanz un Willgaus gahn nah den Großherzog, un Pomuchelskopp, David un de Herr Notorjus hollen geheimen Rat. – De Notorjus lett sich gichten un kriggt en schönes Attest von den Dokter.


De Minsch sall seindag' nich seggen, wat 'ne Sak is; vör allen sall hei äwer nich den Düwel an de Wand malen, denn hei kümmt velmals, ahn dat einer em röppt, hei kümmt ungeladen; un de Gäst, de Pomuchelskopp up Häuhning ehren Rat inladen süll, stunnen all vör den Dur tau Gürlitz un täuwten all up ehren Wirt un Wirtin. All de Inwahners von Gürlitz un Pomuchelskoppen sine Daglöhners, all tausamen stun'n, as de Sommermorgen an tau gragen fung, vör den Hoffdur un wull'n ehren Herrn in Empfang nemen. – »Kinnings«, säd Rührdanz, »wat sin möt, möt sin, äwer allens mit Orndlichkeit!« – »Ach mit dine Orndlichkeit!« rep Willgaus. »Is hei orndlich gegen uns west?« – »'t schadt nich«, säd Rührdanz, »wie dörwen uns' Recht nich ut de Hand gewen. Süh, dat is en Unverstand von di. Wenn wi nahsten nah unsen Großherzog hengahn un seggen em dorvon Bescheid, denn dat is nich mihr as billig, un hei fröggt denn: ›Willgaus, wo hewwt ji dat denn makt?‹, un du wullst em denn seggen: ›Je,[646] Herr, irst hewwen wi em un dat Wiw düchtig dörchschacht't, un nahsten heww'n wi em äwer de Grenz bröcht‹, wo würd dat woll stimmen? Wat süll de Mann dor woll tau seggen?« – »Ja«, säd oll Vatter Brinkmann, »Rührdanz hett recht! Wenn wi em äwer de Grenz bringen, denn sünd wi em los, un up Widlüftigkeiten bruken wi uns wider nich intaulaten.« – Dat würd denn nu ok fastset't, Un achter de Mannslüd' stun'n de Wiwer un de Gören, un de grote, starke Fru von den gistrigen Morrn stunn dor mang un säd: »Nu hewwen wi s' so wid, as wi s' hewwen willen. Wenn sei't nu nich dauhn un schaffen uns den Kirl un dat Wiw nich von den Hoff, ick slag' minen Kirl so lang', dat hei an de Wän'n in de Höcht geiht.« – »Ja, Vaddersch«, rep 'ne anner Fru, »wi möten, wie möten! Ick bün gistern nah den Preister hen west – ja, de Fru Pasturin hett mi wat gewen, un hei hett mi up de Geduld verwesen – wat? Geduld? Hett de Hunger Geduld?« – »Jochen Smidt«, rep 'ne grote slanke Dirn, »lop mal nah den Seebarg un kik mal äwer, wat s' all kamen. – Fiken, wat warden uns' beiden Mamsellings för Ogen maken, wenn s' up Reisen schickt warden.« – »Vadder«, säd Daglöhner Zorndt tau Brinkmannen, »will'n wi uns' Sak den Preister nich seggen? 't is doch mäglich gaud, dat hei dat ok weiten deiht.« – »Ne, Vadder Zorndt, dat hett keinen richtigen Zweck, dat nützt uns nicks, denn hei is in de Sak nich bewandt, hei is mi noch tau unbedarwsam. Ja, wenn de oll Herr Paster noch lewen ded!« – »Nu kamen s'«, kamm Jochen Smidt antaulopen. – »Na, wer red't nu?« frog Willgaus, »de Vörmähren will ick woll anfaten.« – »Ih, Rührdanz«, gung dat nu von Mund tau Mund. – »Ja, wenn ji dat taufreden sid, worüm süll ick nich reden?« säd Rührdanz. Allens was nu still.

Kutscher Jehann Jochen kamm nu antauführen un wull in't Dur rinne bögen; Willgaus kreg de beiden Vörmähren an den Kopp, dreihte sei en beten verdwars rümmer un säd: »Jehann Jochen, holl hir man en lütten Ogenblick still.« – Pomuchelskopp kek ut de Glaskutsch rute un sach dat ganze[647] Dörp vör sick stahn: »Wat's dit?« – Rührdanz, un mit em de ganze Gesellschaft, stunn all an den Kutschenslag un säd: »Herr, wi hewwen dat so unner uns utmakt, dat Sei nich länger as Herr von uns estimiert warden känen, denn Sei hewwen sick nich so as en Herr gegen uns bedragen un ok all vördem nich gegen anner Lüd', denn Sei warden woll en Ring üm den Hals hewwen, un en Herrn mit en Ring üm den Hals bruken wi nich tau liden.« – »Ji Röwers! Ji Spitzbauwen!« rep Pomuchel, as hei irst künnig würd, wat de Sak tau bedüden hadd. »Wat will'n ji, ji will'n jug an mi un dat Minige vergripen?« – »Ne, dat will'n wi nich«, säd oll Vatter Brinkmann, »wie will'n Sei blot äwer de Scheid' bringen.« – »Jehann Jochen!« rep Pomuchelskopp, »führ tau! Hau mit de Pitsch dormang!« – »Jehann Jochen«, säd Willgaus, »so drad du de Pitsch rögen wardst, smiten wi di von de Mähr. Un nu wen'n üm! – So! – So recht!« un Kutsch un Pird segen nah Rahnstädt tau. – Salchen un Malchen hadden tau Höchten krischt, Gustäwing was von den Buck sprungen un hadd sick tüschen de Daglöhners un sinen Vader stellt, dat hei sei em von den Liw' höll; allens was in Upruhr, blot uns' brav Häuhning satt stramm un stiw dor un säd kein Wurd. – »Wat will'n ji mit mi? Ji Röwerban'n!« rep Pomuchelskopp. – »Dat sünd wi nich«, rep Smidt, »Sei sall ok nich en Nadelsknop entfirnigt warden, un Gustäwing kann hir bliwen un kann wirtschaften un kann uns seggen, wat wi dauhn sälen.« – »Äwer dat Wiw un de beiden Dirns«, rep Kapphingstsch, »de will'n wi nich länger heww'n, de möten mit furt.« – »Still, Kinnings!« säd Rührdanz, »allens mit Orndlichkeit. Blot äwer de Scheid' bringen, dat geiht nich; wi möten em an unsen Gerichtsherrn, an den Rahnstädter Burmeister, afliwern. Dat möt allens mit rechten Dingen taugahn.« – »Rührdanz hett recht«, gung dat nu, »un Gustäwing, Sei gahn ruhig nah'n Hoff, Sei deiht keiner wat. Un du, Jehann Jochen, du führst en eben Schritt«, un nu stellten sick weck up de ein Sid, weck up de anner, un de Fohrt gung los – orndlich in en Parad'schritt. – Pomuchelskopp hadd sick[648] gewen, äwer in sin Schicksal hadd hei sick nich gewen, hei satt dor un wrüng de Hän'n un weihmert vör sick hen: »Herre Jesus! Herre Jesus! Wo geiht mi dit? Wo geiht mi dit?« un kek ut den Slag rut: »Lüd' ick bün jo doch ümmer so'n gauden Herrn gegen jug west.« – »En Minschenschinner büst du gegen uns west«, rep 'ne Stimm ut den Hümpel. – Salchen un Malchen weinten, Häuhning satt stiw dor as 'ne Thermometerstang', äwer wenn sick ein von de Daglöhners up so'n Thermometerding verstahn hadd, denn hadd hei ehr dat anseihn kunnt, dat ehr Stand all wid äwer den Kakpunkt räwer was, un Willgaus, de dicht an ehren Slag gung, hadd sick wat wohrt, denn mit einem Mal, ahn dat Geringste tau seggen, grep sei tau un hadd em in de vossigen, krusen Hor fat't un tuhlte dorin herümmer nah Hartenslust, un de Ogen blitzten un blänkerten ut den halwdüstern Wagen herute, as hadd sei sick in en Schuhut verpuppt un sach Willgaußen sinen Voßkopp för en jungen Hasen an. – »Gotts ein Dunnerwetter! Nu kik dat Aas an!« rep Willgaus. »Vadder Düsing! slah! – Gotts ein Dunner! Nu kik dat Nickel an! Slah ehr doch up de Knäwel!« – Je ja! je ja! Ihre Vadder Düsing em fri maken kunn, hadd em uns' oll tapfer Häuhning all en por Mal mit de Näs' up den Kutschengriff dal stukt, dat em dat Blaud piplings ut de Näs' lep. – »Gotts ein Dunner! Dat segg ick man! – So'n Ekel is doch gor nich tau trugen; äwer täuw, ick will di ...!« – »Holt!« rep Rührdanz, »Vadder, dat kannst du ehr nich verdenken, denn dit is wider nicks as de natürliche Boshaftigkeit, dorin mößt du nu för ditmal in Gelegenheit seihn; äwer du kannst ja den Großherzog dat seggen un kannst em jo ok taum Spaß din Näs' wisen, woans sei di hir traktiert hett.« – Häuhning säd nicks, de Tog gung wider; an de Scheid' schüchterten de Daglöhners ehre Wiwer un Gören, de so wid achter den Wagen her folgt wiren, nah Hus, un hen tau säben würd de Intog in Rahnstädt hollen, langsam und fierlich.

Unkel Bräsig lagg in't Finster un rokte sine Pip Toback un äwerläd sick sine Heldendahten von den vergang'nen Abend.[649] – Kurz, obschonst hei sick den gistrigen Abend gor nich mal mit verbrüdert hadd, was hellschen ärgerlich un schull in sinen Laden rümmer: »Der dumme Bengel! der Hanswurst! Warte nur! Du komm mir nur nach Hause!« Un wo süll't denn tauletzt ok grot anners warden, hei müßt jo up de Längd tau Hus kamen, nämlich Herr Süßmann. Herr Süßmann danzte äwer den Süll, Kurz stemmte de beiden Hän'n up den Ladendisch un sach ut, as wull hei vör Bosheit äwer den Disch hüppen un Herr Süßmannen all up de Del begrüßen; hei let em äwer doch irst in den Laden rin. »Morgen, Prinzipal, Prinzipälchen, Prinziphälchen!« rep Herr Süßmann un schregelte in den Laden rüm un set'te sick tauletzt, den Haut schön scheiw up den Kopp, up den Rand von de Hiringstunn: »Morgen, Kürzchen, Schürzchen, Würzchen, F ...«, äwer mit dese Variation würd hei nich vull farig, denn Kurz fohrte em mit beide Hän'n in de Hor, stödd em den Haut in de Hiringstunn un treckte em an sine fettigen Bonjourlocken bet rinne nah den Laden. Herr Süßmann grep blindlings achter sick rüm, üm sick an wat tau hollen, hei kreg den Hahn von de Öltunn tau faten, de Hahn ret ut, un de Öl sus'te ut dat Tapplock. – »Herr du meines Lebens!« rep Kurz, »mein Öl, mein Öl!« – let Herr Süßmannen los un stek den Vörfinger von de rechte Hand in dat Tapplock. Herr Süßmann hadd den Hahn in de Hand un triumphierte dormit äwer den Kopp, un as dat nu männigmal passieren deiht, dat verrückte oder besapene Lüd' en ungeheuer ansläg'schen Kopp hewwen, so schot dat nu dörch Herr Süßmannen sinen Däts: de Sak möt vullstännig warden! Hei ret also ok den Hahn ut de Essigtunn. – »Herr du meines Lebens! Mein Essig!« rep Kurz un stek den Vörfinger von de linke Hand in de Essigtunn. Un wil dat hei nu vullstännig infungen was, sick stark bücken müßt un in korten Tüg' gung, was de Gelegenheit för Herr Süßmannen doch gor tau günstig. »Prinzipälchen! Kürzchen!« – schwabb! – »Leben Sie wohl, Tütendreherchen!« – schwabb, schwabb! – »Johanna geht, und nimmer kehrt sie wieder!« – schwabb, schwabb, schwabb! – Dormit langte hei[650] sick den Haut ut de Hiringstunn, set'te em mäglichst scheiw up den Kopp, läd de beiden Hahns en Fautener twintig von Kurzen af up den Ladendisch un lachte un danzte ut de Dör herute.

»Hülfe!« rep Kurz, »Hülfe! – Hül – fe!« Äwer sin Lüd' wiren nich tau Hus, un sin oll brav Avkat was in den Achtergorn un stek Spars', un de einzigst, de em hüren ded, was Unkel Bräsig. »Korl«, säd de, »mir is, as wenn bei Kurzen was bröllt. Ich will doch mal herumgehn, ob da was arriwiert is.« – »Hül – fe!« rep Kurz. – »Gott du bewohre uns«, säd Bräsig, »was machen Sie denn schon des Morgens Klock säben for en Aufstand?« – »Infamer Halunke!« – »Wo? So wollen Sie mir kommen?« – »Niederträchtiger Spitzbube!« – »Sie sind ja ein Grobian!« – »Geben Sie mir die Hähne, die auf dem Tische liegen.« – »Holen Sie sich Ihre smierigen Hahns selbst, Sie Esel, Sie!« – »Ich kann ja nicht, mir läuft ja das Öl und der Essig aus, und ich meine ja nicht Sie, ich meine ja Süßmannen.« – »Das ist denn was anderes«, säd Bräsig un set'te sick mit en Wupp up den Ladendisch un bammelte mit de Beinen, »was fehlt Sie denn eigentlich?« – Kurz vertellte nu, woans hei in dese Lag' kamen was. – »Sie kommen mich komisch vor, Kurz; aber nehmen Sie sich hieran einen Exempel: der Mensch wird ümmer an die Glieder gestraft, womit er gesündigt hat.« – »Ich bitt Sie ...« – »Ruhig, Kurz! Sie haben ümmer mit Öl und Essig gesündigt, indem daß Sie ümmer die Pottmaß mit en Wupp ausgegossen haben, damit daß ümmer noch en Eßlöffelner drei drin geblieben sünd. Wollen Sie ümmer richtig Maß geben? Wollen Sie meindag' nich wieder beim Bostohn in die Karten kucken?« – »Herre Jesus, ja, ja!« – »Na, denn will ich Ihnen erlösen«, un dormit bröchte hei em de Hahns.

Knapp was Kurz fri, so stört'te hei ut de Dör, as wenn Herr Süßmann noch dorachter stunn un up em täuwte. Bräsig folgte, un de beiden kemen grad tau Rum, as Pomuchel von de Daglöhners rinne bröcht würd. – »Gott bewohr uns, was is dies? Rührdanz! wat heit dit?« – »Nemen S' nich äwel,[651] Herr Entspekter, wi hewwen unsern Herrn utlücht't.« – Bräsig schüddelte den Kopp: »Dor hewwt ji en schönen dummen Streich makt!« un gung mit den Tog, un vele Lüd', de up de Strat wiren, folgten bet tau den Burmeister sinen Hus'; hir strängten de Daglöhners de Pird af, un Rührdanz un Willgaus un Brinkmann un noch en por gungen tau den Burmeister rinne. – »Na, Herr«, säd Rührdanz, »nu bringen wi em hir.« – »Wen?« – »Je, unsen Herrn Pomuchelskoppen.« – »Was? Was ist das?« – »Oh, nicks nich wider, wi will'n em blot nich wider as unsen Herrn hewwen.« – »Mein Gott, Leute, was habt ihr gemacht?« – »Nicks wider, as wat recht is, Herr Burmeister.« – »Habt ihr euch an dem Herrn vergriffen?« – »Nich en Spirken; äwer wat sei is, dat Wiw, dat hett sick an minen Vadder Willgaußen vergrepen, indem dat sei ...« – Äwer de Burmeister was all ut de Stuw rut un stunn an den Wagen un bed de Gesellschaft, sei süll rute kamen. Dat geschach, un de Burmeister bröchte de Fomili in sine Wahnstuw rinne. – »Wie geht uns dies! Wie geht uns dies!« jammerte Pomuchel. »Herr Bürgermeister, Sie wissen, ich bin so ein guter Herr gegen meine Leute gewesen.« – »Kopp, schäm di«, rep Häuhning dormang. – »Nein«, säd de Burmeister, ahn up Häuhning tau achten, un kek den Herrn Gaudsbesitter drist in de Ogen, »das sind Sie nicht gewesen. Sie wissen, daß ich Ihnen oft deswegen Vorstellungen gemacht habe, Sie wissen, daß ich gerade wegen Ihres Verhaltens zu den Leuten als Ihr früherer Justiziarius zurückgetreten bin. Ich habe mit der Sache deshalb gar nichts zu tun, und wenn ich mich als bloße Privatperson dahineinmische, so geschieht's nicht um Ihretwillen, sondern der armen, verblendeten Leute wegen. Entschuldigen Sie deshalb ...« – »Ach Gott, geben Sie mir doch Ihren Rat: was soll ich nun anfangen?« – »Nach Gürlitz können Sie nicht wieder zurück, jetzt noch nicht, das würde Gelegenheit zu Gewalttätigkeiten geben, Sie müssen das Ende hier abwarten. – Aber, warten Sie; ich will noch mal mit den Leuten reden.«[652]

Je, wat sull dat helpen? De Lüd' hadden sick de Sak tau fast äwerleggt; de slichten Gesellen, de dormang wiren, hadden sick in den Sluß von de ruhigeren, öllern Daglöhners un Inwahners finnen müßt, un nu wiren sei so fast äwertügt, dat sei up den richtigen Weg wiren, dat sick doran nich rüppeln un rögen let. – »Ne, Herr«, säd Rührdanz, »taurügg nemen dauhn wi em nich; dat mag gahn, as't geiht.« – »Ji, hewwen jug en grot Verbreken tau Schulden kamen laten, un dat ward jug dür tau stahn kamen.« – »Ja, dat mag all sin; äwer wenn von Verbreken de Red' is, denn hett Herr Pomuchelskopp mihr an uns verbraken as wi an em.« – »Lüd', ji hewwt jug von unverstännige Lüd' in den Reformverein den Kopp dick snacken laten.« – »Nemen S' nich äwel, Herr Burmeister, dat ward ümmer seggt, is äwer nich wohr. Wat? Uns' Herr Pomuchelskopp is jo ok in den Reformverein, un hett jo ok dor red't; äwer, Herr, hei seggt Lägen, un dat möt wi beter weiten.« – »Na, wat will'n ji nu äwer anfangen?« – »Herr, Gustäwing is dor, un wenn de seggt, wi sälen dit un dat dauhn, denn dauhn wi dat; Willgaus äwer un ick, wi will'n nah den Großherzog un will'n em de Sak vörstellen, un derentwegen wullen wi Sei bidden, dat Sei uns dortau Poppieren mitgewen.« – »Je, wat sall ick jug för Papieren mitgewen?« – »Na, Herr Burmeister, nemen S't nich äwel, denn schad't dat ok nich. Seihn S', ick bün all mal ahn Poppieren nah de oll Iserbahn west – dor hewwen s' mi natürlich rut smeten –, äwer uns' Großherzog is jo kein Iserbahn, un hei ward jo so unbescheiden nich sin, un wenn wi kein Poppieren uptauwisen hewwen, denn kannst du, Vadder Willgaus, din Näs' upwisen, woans di dat Wiw traktiert hett, un ick wis' mine ihrlichen Hän'n, dat dor kein unrecht Gaud anhackt.« – Dormit gung de Oll herute, un buten stunnen de Daglöhners tausam un grawwelten in ehre Taschen herümmer un halten dat taum Vörschin, wat sei an Schillings un Gröschens bi sick hadden: »So, nu gaht! Äwer ok gradwegs nah Swerin!« un: »Vadder, vergett dat ok mit Kapphingsten sin Dirn nich!« un: »Vadder, wenn hei di[653] fragen deiht, wovon wi denn eigentlich lewt hadden, denn kannst du em jo ihrlich seggen, unsern Herrn hadden wi nicks nich stahlen; äwer bi Fru Nüßlern hadden wi bi de Tüftenmiten en beten revediert, indem dat sei sick dor gor nicks ut maken ded.«

De beiden gungen af nah Swerin; de annern Daglöhners gungen nah Hus; Jehann Jochen führte mit de leddige Glaskutsch achter her; dat Volk, wat in en hellen Hümpel vör den Burmeister sine Dör stunn, denn de Sak was as en Lopfüer dörch de Stadt gahn, verlep sick, un Unkel Bräsig säd tau Hawermannen: »Korl, er is seinen gerechten Richter nich entgangen. – Ich bün en bitschen mitgegangen, nich wegen ihn, sondern wegen die armen Kerls von Tagelöhner; als er selbst zu Raum kam, bün ich weggegangen, ich mocht ihn in seiner smutzigen Erniederung nich sehn.«

Pomuchelskopp was mit sine leiwe Fomili nah Grammelinen gahn un satt dor in Jammer un Elend vör den Notorjus Slus'uhr sin Bedd, de sick nah sine Prügel gliksten tau Bedd leggt hadd, üm de Sak en rechten gefährlichen Anstrich tau gewen. – »Ick heww glik nah den Dokter schickt un will mi gichten laten, dat ick den Herrn Entspekter richtig faten kann. Strump is nich tau Hus, de anner ward äwer glik kamen.« – »Ach, was sind Sie glücklich!« säd Pomuchel. – »Dat wüßt ick grad' nich«, säd de Herr Notorjus und läd sick up de anner Sid, »dat dat en besonderes Glück is, wenn einer mit en Krüzdurn as en Dum dick 'ne Jack vull Släg kriggt.« – »Sie können sich doch rächen; aber ich – ich armer Mann! Was kann ich tun?« – »En Kommando Soldaten sälen Sei sick kamen laten, un denn sälen Sei de Kirls schinnen, dat sei an't Lewen verzagen, un wenn Sei tau waschlappig dortau sünd, denn folgen S' man Ehr leiwe Fru, de kriggt so wat farig.« – »Du lieber Gott! nein! nein! Ich habe genug! Mit Pümpelhagen wird's doch nichts, und nach Gürlitz gehe ich nicht wieder, sie stechen mir ja das Haus über den Kopf an. Nein, nein! Ich verkaufe, ich verkaufe!« – »Wissen Se was Neues?« säd David, de in de Stuw kamen was un de letzten[654] Würd' hürt hadd, »Se haben recht: verkaufen Se; ich besorg's Ihnen, ich weiß ...« – »Entfamte Judenbengel!« säd Slus'uhr un läd sick wedder up en anner Flag. »Au! Dunnerwetter! Meinst du, dat wi dat nich allein farig krigen? Ja, Herr Pomuchelskopp, verköpen S' man, denn wenn sei ok grad' nich dat Wahnhus ansticken, de Mieten un de Schüns warden sei woll tau finnen weiten, denn Sei hewwen sick dor mit de Tid 'ne schöne Ort antucht't.« – »Nu, Herr Notorjus, was wollen Sie? Sie haben verdient Geld, Sie können machen ein klein Geschäft mit en Bauerhof, mit 'ner Mühl; aber mit en Rittergut? Da muß kommen mein Vater.« – »Ehr Vader? Wenn de hürt, dat dat för Pomuchelskoppen sin sall, denn seggt hei: Kasten! Wi stahn all drei bi em in en schönen Kredit.« – »Wenn ich sag'«, fung David an, dunn kamm de Dokter, de Vader von den lütten Akzesser, rin: »Guten Morgen, Sie haben mich rufen lassen?« wend'te hei sick an Slus'uhren, »Sie wünschen?« – »Ach, Herr Doktor, Sie sind ja gestern auch auf dem Ball gewesen. – Oh, meine Schmerzen! Sie haben gewiß schon gehört ...?« – »Hat gekriegt Schacht«, säd David, »ich bin gewesen Zeuge. Er is geworden mißgehandelt for die Gewalt.« – »Hollen S' Ehr verfluchtes Mul!« rep Slus'uhr. »Herr Doktor, ich wünsche, daß Sie mich ärztlich untersuchen; ich kriege ja wohl den Gebrauch meiner Glieder nie wieder.« – De Doktor gung nu, ahn wat wider tau seggen, an den Patschenten ran, tog em dat Hemd von den Puckel, un dor was denn nu allerdings vel drup tau lesen, wat up einen gewöhnlichen minschlichen Puckel nich steiht, un de Schrift was mit rode Dint in 'ne rechte, grote, düdliche Flakturschrift schrewen. – Pomuchelskopp satt dor un hadd in deipste Weihleidigheit de Hän'n folgt; äwer as hei de Schrift up den Puckel las, flog äwer sin Gesicht en recht behaglichen Schin, un David sprung tau Höchten: »Gott, du gerechter! Wie sieht er aus! – Herr Dokter, ich will mich auch lassen besichtigen: der Zimmermeister Schulz hat mich rausgeßogen aus dem Tisch und hat mir gerissen entzwei den ganzen neuen Frack.« – »Schicken Sie zum[655] Schneider!« säd de Dokter ruhig un wend'te sick an den Notorjus: »Ich werde Ihnen hier unten bei Grammelinen sogleich ein Attest ausstellen. Guten Morgen, meine Herren!« Dormit gung hei, un nah en beten kamm Grammelinen sin Stuwenmäten un bröcht en Poppier, dat schickte de Dokter den Herrn Notorjus. Slus'uhr makte dat Poppier up un las:


»Pflichtschuldigst bezeuge ich hiemit, daß der Herr Notarius Schlus'uhr recht gehörige, raisonnable Prügel erhalten hat, wie es an den Sugillationen auf dem Rücken desselben deutlich zu ersehen. Sie haben ihm aber nicht geschadet.

Soundso. Dr. med.«


»Dat schriwwt de Kirl mi?« fohrte de Herr Notorjus tau Höchten, »sie haben ihm aber nicht geschadet? – Na, täuw! Wi spreken uns mal up en anner Flag.« – »Gott, du gerechter!« rep David, »as es is doch besser: sie haben mir nicht geschadet, as: sie haben mir geschadet.« – »Sei sünd en Dämlack. – Äwer wat ligg ick hir noch länger?« säd Slus'uhr. »Nehmen S' nich äwel, ick möt rut, ick möt mi bi den Herrn Entspekter doch bedanken för de Släg' – mit 'ne lütt Klag'schrift.« – »Vergessen Sie mich nicht, lieber Freund«, säd Pomuchel, »Sie wollten für mich heute noch nach Pümpelhagen schreiben.« – »Verlaten S' sick up mi. Mi is äwerall so giftig tau Maud', ick müggt woll gegen de ganze Welt schriwen. – Hewwen Sei nich ok wat tau schriwen, David?« – »Hab' ich was zu schreiben, denn schreib' ich; hab' ich nichts zu schreiben, schreib' ich nicht«, säd David un gung mit Pomuchelskoppen ut de Dör.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 646-656.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Olle Kamellen
Olle Kamellen III; UT Mine Stromtid Erster Theil
Olle Kamellen. De meckelnbörgschen Montecchi un Capuletti oder De Reeis' nah Konstantinopel.: Hoch- und Niederdeitsche Ausgabe. Auf einem Blick
Olle Kamellen: III -V. Ut Mine Stromtid (German Edition)
Sämmtliche Werke: Bd. Schurr-Murr. Eine Heirathsgeschichte. Olle Kamellen Iii: Ut Mine Stromtid, 1. Theil (German Edition)
Sämmtliche Werke: Bd. Hanne Nüte. Olle Kamellen Ii: Ut Mine Festungstid. Gedichte (German Edition)

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon