Kapittel 44

[656] Wenn en Gewitter in de Luft is. – De Pümpelhäger Daglöhners un en Breiw ut Swerin. – Ein arm Eddelfrölen. – »Er ist zum Hundsfott geworden!« – Worüm de junge Fru von Rambow in Gewitter un Nacht up de Landstrat lep, un wat Bauschan dortau säd. – De Kamellentee deiht sin Ding', un Krischan möt jagen. – Fru Nüßlern leggt sick in ehre ollen Dag' up't Leigen un Hawermann up de Zympati.


Trurige, swore, blierne Stun'n hadden up de junge Fru von Rambow sörre den Besäuk von Pomuchelskoppen last't; langsam, Schritt för Schritt, wiren sei äwer ehr hengahn, un achter ehren Fauttritt wiren nige Sorgen un nige Ängsten tau Höchten schaten; mit starke, kräftige Hand hadd sei dit Unkrut ut ehren Weiten reten; äwer mit de Tid ward ok de flitigste Hand mäud, un dat wackerste Hart sehnt sick nah Rauh, nah stille Abendrauh. – Ehr Mann was nich tau Hus kamen an den Dag, den hei bestimmt hadd; staats dessen was mit en expressen Baden en Breiw mit Slus'uhren sin Sigel kamen, un de Bad' hadd seggt, hei hadd Order, so lang' tau täuwen, bet hei den Breiw an den Herrn von Rambow sülwst gewen hadd. Wat dat tau bedüden hadd, kunn sei sick woll denken. Sei satt in den Schummerabend in ehre Stuw' bi ehr Kindting, de Hän'n wiren ehr in den Schot sackt, un sei kek in den dunstigen Sommerabend rin, wo swore Wolken an den Hewen ruppe trecken deden.

De Dag was swaul west, un denn flütt dat Blaud trag' dörch de Adern: dat parlt nich, dat hüppt nich as en lewigen Born von klores Water, dat slickt mäud un sleprich hen, as dat swarte Water in en Torfgraben, un ebenso as de Natur ümher stähnt un süfzt nah en Gewitter, dat sei wedder en frischeres Lewen anfangen kann, sehnt un süfzt dat Hart in Ungeduld nah Warbelwind un Schicksalsslag, dat dat endlich man rute kümmt ut de trage Qual: lat kamen, wat kümmt, man rut ut dese fule Not! – So was Frida tau Maud', so sehnte un süfzte sei nah en dägten Gewitterslag, de de dicke Luft intwei riten süll, in de sei Aten halte, dat dat endlich man klor würd üm ehr; un sei süfzte nich vergews.[657]

Korlin Kegels kamm rin un bröchte de Posttasch un stunn dor, as wull sei sick wat tau dauhn maken, un slot de Tasch up un läd en Breiw vör de Fru up den Disch un stunn wedder un frog: »Gnedigste Fru, sall ick Licht anmaken?« – »Ne, lat man.« – Korlin gung nich, sei blew stahn: »Gnedigste Fru, Sei hewwen uns dat verbaden, wi sälen Sei keine Geschichten taudragen, äwer ...« – »Was ist?« fohrte Frida ut ehre Gedanken tau Höcht. – »Ach, gnedigste Fru, de Gürlitzer Lüd' hewwen jo den Herrn Pomuchelskoppen wegjagt mitsamt sine Fru un sin beiden Döchter.« – »Also doch!« rep Frida. – »Ja, un nu stahn all uns' Daglöhners unnen un verlangen mit Sei tau reden.« – »Wollen sie uns auch fortjagen?« frog Frida un richt'te sick ruhig un stolz von den Stauhl tau Höchten. – »Ne, ne! leiwe gnedigste Fru«, rep Korlin un smet sick dal un fot ehr üm de Knei, un de Tranen stört'ten ehr ut de Ogen, »ne, ne! dor's kein Red' von, un min oll Vader seggt, den irsten, de so wat vörbringt, sleiht hei mit de Schüpp äwer'n Bregen. Sei seggen blot, mit den Herrn is nich tau reden, de breckt ehr de Red' tau kort af, sei willen mit Sei reden, denn sei hewwen tau Sei dat Tauvertrugen.« – »Wo ist Triddelfitz?« – »Du leiwer Gott! de geiht dor mang rümmer, äwer von den willen sei nicks hüren, sei seggen, sei hadden nicks mit em tau dauhn, sei willen de gnedige Fru spreken.« – »Komm!« säd Frida un gung hendalen.

»Was wollt ihr, Leute?« frog de junge Fru, as sei ut de Husdör tred, vör de de Daglöhners in einen Hümpel tausamen stunnen. De Rad'maker Fritz Flegel tred vör un säd: »Gnedigste Fru, dat is man, dat wi tau Sei kamen, indem dat wi uns all einig sünd, un dat wi vördem mit den Herrn all red't hewwen; äwer dor is nicks nah kamen. Un de Herr snauzt uns denn an, un an Herr Triddelfitzen hewwen wi ok keinen rechten Anholt, denn hei is noch tau unbedarwsam un kennt dat noch nich, un dunn dachten wi so, Sei künnen uns helpen, wenn Sei so gaud sin wullen. Wi sünd ok nich unbescheiden, indem dat wi mihr hewwen willen, wi sünd taufreden mit dat, wat wi krigen, un wi krigen jo dat ok, wat uns taukümmt;[658] äwer meindag' nich tau rechten Tiden, un dor kann sick unserein nich up inrichten.« – »Ja«, föll Päsel in, »un vergangen Johr, in dat Notjohr, dunn würd de Rogg all verköfft, un seihn S', gnedig Fru, ick bün en Triptäter un krig twölf Schepel Roggen, un dorvon sall ick lewen, un de kreg ick nich, un dunn heit dat, ick süll mi gedüllen. – Ja, gedüllen! Bi de Tüftenkrankheit! Wovon sall einer denn lewen?« – »Gnedigste Fru«, föll hir en ollen witthörigen Mann in, »von de Lewensmittel will ick gor nich reden, denn hungern hewwen wi grad nich brukt; äwer dor sall ick oll Mann den Dag äwer krumm in de Morrkuhl stahn un Water schüppen un kann mi des Abends nich rögen un vör Weihdag' des Nachts nich slapen; dor müßt doch in Gelegenheit seihn warden. Wi sünd jo dat anners gewennt, as Herr Hawermann noch hir was; äwer nu ward kummandiert un kummandiert, un de Kummandürs kennen de Arbeit nich.« – »Ja, gnedige Fru«, tred nu de Rad'maker wedder vör, »un dorüm wullen wi Sei bidden, wat wi nich en orndlichen Entspekter wedder krigen süllen, un wenn Herr Hawermann nich will, denn en annern; äwer so'n, de uns mit Glimplichkeit anfött un uns anhürt, wenn wi em wat tau seggen hewwen; äwer uns nich ansnauzt un up uns losschellt, wenn wi't nich verdeint hewwen, un uns' Kinner, wenn sei tau Haw' gahn, mit en Stock traktieren deiht, as Herr Triddelfitz dat vördem an de Mod' hadd.« – »Das soll nicht geschehn!« rep Frida. – »Ne, gnedige Fru, nu hett hei sick dat ok afwennt! 't is nu woll bald en halw Johr, dunn hewwen wi uns dat mit em mal unner vir Ogen orndlich irnstlich bespraken, un sörre de Tid is hei ganz mit saubere Manieren un tau Insichten kamen. – Un wenn uns' gnedigste Herr ok mal tau Insichten kem, dat hei sinen eigen Vurtel wohrnemen ded, denn schafft hei sick en düchtigen Entspekter an, indem dat hei doch sülwst nicks von de Wirtschaft versteiht, un denn ward em ok nich en ganzen Slag Weiten von den Wind utslagen, as uns dat vergangen Johr passieren ded, un de Lüd', de red'ten nich äwer em. Un, gnedige Fru, de Lüd' reden vel, un sei seggen jo, de Herr[659] möt dat Gaud verköpen un will't an den Herrn Pomuchelskopp verköpen; äwer den nemen wi nich as Herrn an.« – »Ne«, rep dat nu dörchenanner, »den nemen wi nich.« – »En Kirl, den sine eigenen Daglöhners äwer de Feldscheid bröcht hewwen.« – »Den bruken wi nich tau nemen.«

Slag up Slag was bi de Daglöhners ehre Würd' up Frida ehr Hart follen. De wenige Leiw un Achtung, de sick för ehren Mann utsprok, de Kenntnis von ehre bedrängte Lag', de all heraf bet taum gemeinen Mann kamen was, allens drop ehr in't Hart, un mit knappe Not kunn sei sick faten, as sei säd: »Ruhig, Leute! Über alles das, was ihr mir gesagt habt, muß der Herr bestimmen, wenn er zu Hause kommt. Geht nun ruhig nach Hause und kommt in solcher Gemeinschaft nicht wieder vor das Haus gerückt; ich will dem Herrn eure Bitten mitteilen, und ich glaube euch versprechen zu können, daß zu Johannis eine Änderung in der Wirtschaft eintreten wird – so oder so« – set'te sei mit en sworen Süfzer hentau un höll en Ogenblick mit de Red' an, as müßte sei wat bedenken un wat verslucken. »Ja, bis Johannis wartet, dann soll's anders werden.« – »Dat is denn ok ganz egal.« – »Un dat is denn ok so wid richtig.« – »Un denn bedanken wi uns ok velmal.« – »Na, denn gun Nacht ok, gnedige Fru.« – So gungen sei af.

Frida gung in ehre Stuw, buten blitzte un dunnerte dat, un de Wind fegte Stot up Stot äwer den Hoff un smet Sand un Stroh an de Finsterruten. »Ja«, säd sei, »Johannis muß es sich entscheiden; ich habe nicht zu viel versprochen, zu Johannis muß eine Änderung eintreten. Welche?« Un vör ehre Ogen steg dat enge, dürftige Jammerbild up, wat David in sine Gemeinheit von ehre Taukunft utmalt hadd: sei sach sick verdammt, in 'ne lütte Stadt tau Meid' tau wahnen, mit Mann un Kind in Undädigkeit, ahn Utsicht up Beterwarden; sei hürte de Nahwerschaft flustern: de hadden't ok beter hewwen künnt; sei sach ehren Mann des Morgens upstahn, in de Stadt gahn, des Middags wedder kamen, des Nahmiddags up den Sofa runksen, wedder utgahn un des Abends[660] tau Bedd gahn. Hei hadd sinen Herrgott den Dag afstahlen, un ümmer wedder un ümmer wedder. Sei sach sick sülwst in hüsliche Sorgen verkümmern un verkamen, ahn Trost, ahn Frün'n; sei sach sick up ehr letztes Lager, un ehr Kindting dorbi stahn. Ehr Kind! von nu an en verlatenes Kind! en armes Eddelfrölen! 't is en sworen Fluch, de up den Stand liggt, wenn de Middel nich dor sünd, den Stand uprecht tau hollen. – En arme Junker sleiht sick woll dörch, hei ward Soldat; äwer so'n armes Frölen? Un wenn uns' Herrgott von'n Himmel kamen wir un hadd sei utstat't mit all de Leiwlichkeit von sine Engels, un ehre Öllern hadden an ehr dahn, wat Minschen an ehr Leiwstes dauhn känen, de Welt geiht an ehr vörbi, un de Junker seggt: »Sie ist arm«, un de Börger seggt: »Sie macht Ansprüche.« So sach Frida ehr Kind, wat in stillen Kinnerfreden bi Gewitter un Storm buten, bi Gewitter un Storm in ehre Mutter ehr Bost ruhig slep.

Korlin Kegels bröchte Licht; de junge Fru grep nah den Breiw, de up den Disch lagg, as de Minsch woll so von ungefihr deiht, wenn hei den annern nich marken laten will, dat hei mal recht deip in de eigene Bost herafstegen is. Sei sach de Upschrift, sei was an ehr un von ehre Schwägerin Albertine; sei ret den Ümslag af, un en annern Breiw föll ehr in de Hand, de was an ehren Mann. – »Leg' den Brief auf den Schreibtisch des Herrn«, säd sei tau dat Mäten. Korlin gung.

De Swestern von ehren Mann hadden oft an ehr schrewen, un't wiren meist Breiw' west, de Frugenslüd' schriwen, üm sick de Langewil en beten tau verdriwen. Frida makte den Breiw up, äwer – ach! dat was kein Breiw för de Langewil. – Albertine schrew:


Liebe Schwester!

Ob ich recht tue, weiß ich nicht; Berta rät dazu, und Fidelia hat mir schon zweimal den Brief unter der Feder weggenommen, sie meint, es kann unserm lieben Bruder Axel nur böse[661] Stunden machen. Aber – ich weiß nicht, ich kann mir nicht helfen – uns zwingt die wirkliche Not. Wir haben schon ein paarmal an Axeln geschrieben; er hat uns ohne Antwort gelassen, er mag wohl in diesen schlimmen Zeiten vielfach verreist und außerdem sehr beschäftigt sein – denn nun kommt ja noch die leidige Politik hinzu, von der wir hier in Schwerin auch allerlei widerwärtige Proben haben –, und deshalb glaube ich recht zu tun, wenn ich mich an Dich wende; Du wirst uns Antwort geben. – Du weißt, daß Axel das Kapital, was unser seliger Vater für uns ausgesetzt hat, an sich genommen hat, um es in Pümpelhagen eintragen zu lassen; er versprach uns fünf Prozent Zinsen statt der vier und ein halb, die wir bisher erhielten – das wäre nicht nötig gewesen, denn wir wären auch so ausgekommen –, aber er versprach uns, die Zinsen pünktlich alle Vierteljahr zu schicken, und hat sie uns in drei Vierteljahren nicht geschickt. Liebe Frida, wir hätten gewiß nichts davon gesagt, wenn wir nicht in größter Verlegenheit wären. Dazu kommt noch, daß unser Schwager Breitenburg bei uns gewesen ist, der von Axels Anleihe bei uns nichts wußte, und als er sie erfuhr, roh wie er ist, auf das fürchterlichste auf Axel schimpfte und uns für drei Gänse erklärte. Er verlangte unsern Hypothekenschein zu sehn, den wir ihm nicht zeigen konnten, weil Axel es bisher immer versäumt hat, ihn uns zu schicken, und sagte uns dann geradezu vor den Kopf: wir wären um unser Geld, denn es wäre landkundig, daß Axel durch seine schlechte Wirtschaft so verschuldet sei, daß ihm Pümpelhagen über den Kopf weg verkauft würde. – Wir wissen nun freilich, was wir von unsers Schwagers Redensarten zu halten haben, denn er ist unserm lieben Axel stets feindlich gewesen, und – wie wäre es möglich? Pümpelhagen verkauft? Hunderte von Jahren in unserer Familie! Das litte ja der Großherzog nicht! – und wir sagten ihm das auch – Fidelia in ihrer großen Lebhaftigkeit –, da nahm er Hut und Stock und sagte in seiner groben Manier: »Euer Bruder Axel ist von jeher ein Lump gewesen, nun ist er gegen euch auch[662] noch zum Hundsfott geworden«, worauf Fidelia vorsprang und ihm die Tür zeigte. – Es war eine abscheuliche Szene, und niemals würde ich Dir von derselben geschrieben haben, wenn mich nicht eine heimliche Angst dazu getrieben hätte, daß Axel und Breitenburg einmal zusammentreffen könnten und daß sie sich dann ebenso wie die beiden Schwäger Dannenberg und Malzahn aus hohem verletzten Ehrgefühl gegenseitig übers Schnupftuch totschießen könnten. – Nimm Axel also ja in acht, daß er eine derartige Begegnung vermeidet, und wenn es irgend möglich ist, so sorge dafür, daß er uns die Zinsen schickt. – Zur Ernte denken wir Euch zu besuchen; wir freuen uns kindisch darauf, Euch und die Plätze wiederzusehen, wo wir als Kinder gespielt und als Jungfrauen geträumt und, ach! unsern herrlichen Vater scheiden gesehen haben. – Ja, Frida, auch darauf freue ich mich, und mit mir Berta und Fidelia, denn wir leben eigentlich nur in der Erinnerung, die Gegenwart ist öde und trostlos. Nur ab und an kommt einer oder der andere alte Freund unsers seligen lieben Vaters und erzählt uns, was in der Welt passiert, und es ist für Berta und mich ordentlich rührend anzusehn, wie unsere kleine Fidelia in ihrer natürlichen Lebhaftigkeit die Handarbeit bei Seite wirft und sich für alles interessiert. – Sie interessiert sich nämlich sehr für den Hof. – Nun lebe wohl, liebe Frida, verzeihe mein Plaudern und gib Axel den inliegenden Brief; ich habe darin ernstlich und vertrauensvoll gebeten, ihn aber, soviel als möglich, mit Unannehmlichkeiten verschont. – Im August sehn wir uns.

Deine Albertine von Rambow.


Schwerin, den 11. Juni 1848.


Frida las den Breiw; äwer sei las em nich tau En'n; as sei an de Städ' kamm: »Euer Bruder Axel ist von jeher ein Lump gewesen, nun ist er gegen euch noch zum Hundsfott geworden«, smet sei den Breiw tau Irden un wrüng de Hän'n, sprung up un fohrte hirhen un dorhen un rep: »Das ist er![663] Das ist er!« – Ehr Kindting lagg vör ehr un slep, sei smet sick in den Stauhl un namm wedder den Breiw up un las de schrecklichen Würd' wedder, un dat schreckliche Bild, wat sei sick kort vörher von de Taukunft von ehr Kind makt hadd, was as en Schatten vergahn, un vör ehr stunn en anneres, wat mit grelle Farben ehr prall in de Ogen lücht'te, un dorup stunnen de drei Swestern, un dorunner stunn schrewen: »Betrogen! vom Bruder betrogen!«, un dor achter stunn ehr Mann; äwer undüdlich, sei kunn nich recht seihn, wat Wohrheit was un wat Falschheit, un dorunner stunn: »Hundsfott!« – Schrecklich! schrecklich! – Nu hadd sei allens verluren! – Duwwelt verluren! – Denn sei hadd't nich ut sick sülwst, sei hadd't ut den Minschen verluren, den sei mal leiwer hatt hadd as ehre eigene Seel. – Dat was furchtbor! – Helpen! helpen! – Dat gläugnige Brandmal von dese Stirn afwen'n, de sei so oft in true Leiwlichkeit küßt hadd! – Äwer womit? – Wer helpt? – Ach, ehr schoten Namen dörch den Kopp, vele Namen, äwer de Namen wiren wid in de Fiern an glatte Felsenwän'n anslagen, wo ehr Faut nich an haften kunn. – Sei wrüng de Hän'n in ehre Angst, un de Utsicht würd ümmer enger, sei sach Pomuchelskoppen sinen Namen un Slus'uhren sinen un Daviden sinen, un sei sprung tau Höchten un makte 'ne Handgebird, as wull sei wedder grise Gespenster verjagen, un de Utsicht würd enger un ümmer enger, un mit einen Mal lücht'te ehr ut Angst un Qualen en olles fründliches Frugensgesicht entgegen; dat was Fru Nüßlern ehr Gesicht, un sei sach grad so ut als dunn, as sei ehr Kindting küssen ded.

Un de junge Fru sprung up un rep: »Es ist ein Herz! es ist ein Menschenherz!« – Buten dunnerte un blitzte dat, un de Regen stört'te in Gäten dal; de junge Fru rapte en Dauk up, un herute stört'te sei in den Regen. – »Gnedigste Fru! Üm Gottes willen!« rep Korlin Kegels, »in den Regen? in de Nacht?« – »Laß mich!« – »Ne, dat dauh 'ck nich!« säd de Dirn un gung achter her. – »Ein Menschenherz, ein Menschenherz«, murmelte de arme junge Fru ümmer vör sick hen,[664] de Regen slog ehr in't Gesicht – man ümmer tau! man ümmer tau! –, den Dauk hadd sei in de Hand, sei dacht nich doran, ehr Faut glitschte in den deipen Leimweg taurügg, sei wüßt't nich, in ehr rep't: man ümmer furt! man ümmer furt! – »Wenn't denn sin sall, gnedig Fru, denn kamen S'«, rep Korlin un ret ehr den Dauk ut de Hand un deckte em ehr äwer den Kopp un Hals un fot sei mit ehren fasten Arm üm dat Liw un frog: »Wohen?« – »Frau Nüßler«, säd de junge Fru un murmelte wedder: »Ein Menschenherz.« – Un en Minschenhart slog dicht an ehr, un sei dachte nich doran; nicks scheid't de Harten mihr von enanner as de Würd': »Befehlen un gehorken.« – Sei was ümmer gaud gegen ehre Lüd' west, un jede Gaudheit von ehre Deinerschaft was sei mit Leiw' entgegen kamen; äwer in desen Ogenblick dachte sei nich an Korlin Kegels, ehr ganzes Hart was terreten von den Gedanken, Axel müßt redd't warden vör Schand un Ihrlosigkeit, un dat ihrliche Gesicht von Fru Nüßlern strahlte ehr dörch Regen un Nacht entgegen as de negste, as de einzigste Stiern. – »Dorhen! Dorhen!« –

»Gott in den hogen Himmel!« säd Fru Nüßlern un gung an't Finster ranne. »Jochen, wat is't för en Weder!« – »Ja, Mutting, äwer wat sall einer dorbi dauhn?« – »Leiwer Gott!« säd Fru Nüßlern un set'te sick wedder in den Korfstauhl, »wenn nu einer up de Landstrat wir! – Ick ängstigt mi jo woll halw dod.« – Fru Nüßlern knütt'te wider, un Jochen rokte wider, un allens in de Stuw' was still un gemütlich, dunn gaww Bauschan unner Jochen sinen Stauhl so'n korten verlurnen Blaff von sick, de in de Hun'nsprak heit: »Wat 's dat?« – As hei kein Antwurt kreg, blew hei still liggen, äwer mit en Mal stunn hei up un gung mit sine ollen, stiewen Beinen an de Dör un fung nah sine Ort kräftig an tau bleken. – »Bauschan!« rep Fru Nüßlern. »Wat hett de oll Hund? – Willst du mal!« – »Mutting«, säd Jochen, denn hei kennte Bauschanen ebenso gaud as Bauschan em, »dor kümmt wen.« – Un de Dör würd upreten un herinne wankte 'ne bleike Frugensgestalt, un 'ne düchtige Diern höll sei äwer En'n un[665] set'te sei up Fru Nüßlern ehren Diwahn. – »Leiwer Gott!« rep Fru Nüßlern un sprung tau Höchten un fot de beiden Hän'n von de junge Fru, »wat heit dit? wat is dit? – Herre Gott, un dörch un dörch natt!« – »Ach Gott, ja!« säd Korlin. – »Mein Gott, Jochen, wat sittst du dor? Lop hen nah Mining. Mining sall kamen, un Dürt sall Kamellentee maken.« – Un Jochen was ok tau Höchten sprungen un lep nu, all wat hei kunn, ut de Dör, un Fru Nüßlern namm de junge Fru den Dauk af un drögte ehr mit den Taschendauk den Regen von dat Gesicht un ut dat schöne Hor, un Mining schot as 'ne Pistolenkugel in de Dör un wull fragen; äwer Fru Nüßlern rep: »Mining, hir 's kein Tid tau kiken un tau fragen; bring von din Tüg un din Wäsch fix nah min Slapstuw'.« – Un as Mining furt stört'te, frog sei sülben: »Korlin Kegels, wat heit dit?« – »Ach, Madamming, ick weit't ok nich; sei hett jo woll hüt abend en legen Breiw kregen.« – Un Mining was fix bi de Hand west, un Fru Nüßlern un Korlin bröchten de junge Fru in de Slapstuw, un as sei ümkledt was un Tee drunken hadd un up Fru Nüßlern ehr Bedd lagg, dunn kamm ehr de Besinnung wedder, wat sei eigentlich wull, denn't was blot 'ne liwliche Äwernamenheit west, wat sei swack makt hadd, un wenn de irste Stot un dat grugliche Gefäuhl, dat sei keinen Minschen üm sick hadd, de ehr bistahn kunn, ok ehre Besinnung ut de Richt bröcht hadd, hir bi dit fründliche Gesicht, bi dit fründliche Wesen kamm allens wedder tau Schick. – Sei set'te sick up dat Bedd un kek Fru Nüßlern so recht vull Vertrugen in de Ogen: »Sie haben mir einmal gesagt, wenn ich in Not wäre, wollten Sie mir beistehn.« – »Un dat will ick ok«, säd Fru Nüßlern ganz äwernamen un strakte ehr de Hän'n, »seggen S' mi, wat is 't?« – »Ach, viel!« rep de junge Fru, »unsere Tagelöhner sind unzufrieden, wir haben Schulden, viele Schulden, man will uns das Gut verkaufen ...« – »Gott bewohr uns!« rep Fru Nüßlern dortüschen, »dat hadd denn doch woll noch Tid!« – »Darin könnte ich mich finden«, säd de jung' Fru wider, »aber noch ein anderer Grund hat mich zu Ihnen getrieben,[666] und den kann und darf ich Ihnen nicht sagen.« – »Seggen S' mi em nich, gnedige Fru! – Äwer dit sünd kein Saken för Frugensrat, hir hürt Mannsrat dortau, un wenn Sei sick man so befinnen deden, denn führten wi tau minen Korl-Brauder nah Rahnstädt.« – »Ach, das könnte ich wohl; aber wie sollte ich wohl dem Manne unter die Augen treten, den ...« – »Dat is en Unverstand von Sei, gnedige Fru, denn kennen Sei em nich. – Jochen!« rep sei ut de ein Dör, »Krischan sall anspannen, hei sall sick äwer spauden, un du spaud di ok. – Mining«, rep sei ut de anner, »fix dine nige sünndagsche Mäntel un Haut un Decken, wi führen ut.« – Allens würd fix besorgt, un as sei up den Wagen seten, säd Fru Nüßlern tau Krischanen: »Krischan, du weitst, ick bün nich sihr för dat Jagen; äwer hüt jag! In 'ne halw' Stun'n möt wi in Rahnstädt sin. – Sei gahn uns dor süs tau Bedd«, säd sei tau de jung' Fru.

De lütt Akzesser was grad von de Fru Pastern nah Hus gahn, Hawermann un Bräsig hadden »gun Nacht« seggt un wiren tau Bähn stegen, un Bräsig hadd grad dat Finster upmakt un hadd in 't Weder rinne raken: »Korl, was is das nach das Gewitter for en Wollgeruch, die ganze Luft is voll Asmusfäre«, dunn führte en Wagen för Fru Pastern ehre Dör, so dat dat Licht ut ehre Stuw' grad up den Wagen föll. – »Gott soll mir bewahren!« rep Bräsig, »Korl, dor sitzt deine liebe Swester drin un Mining, und das in nachtschlafender Zeit!« – »Dor ward doch kein Unglück passiert sin?« säd Hawermann, namm dat Licht un was all ut de Dör rute. – »Swesting«, frog hei hastig, as hei de Trepp dal kamm, un Fru Nüßlern em entgegen tred, »wo kümmst du in de Nacht her? – Mining ...«, äwer hir snappte hei mit sine Red' af, »gnädige Frau, Sie hier zu dieser Zeit?« – »Korl, rasch!« säd Fru Nüßlern, »de gnedige Fru hett mit di allein tau reden. Mak fix, ihre de annern dor tüschen kamen!« – Hawermann slot fix Fru Pastern ehre beste Stuw' up, de junge Fru tred vöran, hei achter drin, un hürte blot noch den Anfang von Bräsigen sin Red' up den Treppenafsatz: »Daß du die Nase[667] ins Gesicht behältst! – Wo kommen Sie her? – Entschuldigen Sie mir, daß ich in Hemdsmaugen komm; Korl is en unbewandter Mensch, indem daß er mir das Licht wegnimmt und ich in'n Düstern auf den Sturz meinen Rock nich finnen kann. – Wo is er aber, un wo 's Mining?« – Fru Nüßlern brukte up dese Fragen nich tau antwurten, denn ut Fru Pastern ehre Stuw' kamm Lowise mit Licht: »Mein Gott, Tante!« – »Lowising, kumm rinne, un Sei, Bräsig, trecken S' sick en Rock an un kamen S' ok nah de Fru Pastern ehre Stuw'«, un dat geschach, un de Fru Pastern was ok dortau kamen, un up de Del was dat leddig un still, un dor hadd einer rechtsch dat Uhr an de Dör leggen künnt un hadd 'ne uprichtige, rührsame Bicht von de junge Eddelfru hüren künnt, de sei irst verlegen un mit heite Tranen, nahsten mit hellen Vertrugen un mit heimliche Hoffnung in dat Hart von den ollen Entspekter utgot, un hei hadd ok linksch dat Uhr an de Dör hollen künnt, un dor hadd hei de gruglichsten Lägen von Fru Nüßlern hüren künnt, denn uns' oll gaude Dam was dat mit en Mal dörch den Kopp schaten, dat best wir, wenn sei doch einmal all de gnedige Fru för Mining ansegen, dat sei ok so lang' för Mining güll, bet sei ehren Kram tau Schick hadd, dormit dat sei nich mit Fragen quält würd, un so vertellte sei denn, dat Mining de gruglichsten Tähnweihdag' hadd un dat ehr Korl-Brauder 'ne Zympati dorgegen wüßt, de äwer blot des Nachts tüschen twölwen un einen utführt warden künn un stillswigends, un Fru Pastern säd, dat höll sei för en unchristlich Wark, un Bräsig säd: »Das hab' ich mein Dag' nich wußt, daß Korl sich mit Zympatien un Dokterschaften abgibt.«

Un nah en beten stek Hawermann den Kopp in de Dör un säd: »Frau Pastorin, lassen Sie die Tür auf, ich habe noch einen notwendigen Gang, komme aber bald wieder«, un as de Fru Pastern wat seggen wull, was hei all weg, un hei gung in de Strat herin, wo Moses wahnte.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 656-668.
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