Kapittel 45

[668] Von de Luggerdurs, wenn sei stinken un wenn sei nich stinken. – David is noch ümmer tau jung, un staats Mining kickt Moses de Fru Pastern in't Gesicht. Fru Nüßlern ehre Lägen kamen an den Dag, un Fru Pastern höllt 'ne Predigt. – Worüm Moses mit de Slaprocksslipp wischen müßt un tauletzt ok predigen würd. – En Wagen mit twei Schimmels. – Von Bräsigen sine Rangdewuhs, un worm Franz Bräsigen sinen Breiw up den Harten bewohren ded. – Bräsig geiht nah'n Borsangeln, Franz slöppt in, un Hawermann geiht in den Achtergoren. – Von Gottes-Sünn un Gottes-Glück, von Irden-Rosen un Irden-Freuden.


Moses was en steinolt Mann worden, äwer hei was in sinen Liw' noch ganz gesund, blot dat Gahn würd em all sihr swor, un de Slap wull em des Abends nich kamen, hei satt denn bet in de Nacht herinner, wenn sin oll Blümchen all lang' slep, in sinen Lehnstauhl, en Küssen unner sinen Kopp, un let sick olle Geschichten dörch den Kopp gahn – von de nigen wull hei nicks mihr weiten. – David lagg denn up den Sofa un vertellte sick wat mit em oder slep ok, je nahdem; äwer dat möt ick tau Daviden sine Ihr seggen, hei makte keine Utnam von sine Globensgenossen, hei plegte sinen ollen Vatter in sinen Öller, un an dese Judenmoden kann sick männig Christenminsch en Exempel nemen. – Hüt abend snackten sei tausam. – »David«, säd de Oll, »was hab ich dir gesagt? – Du sollst dir nicht lassen ein mit de Pömüffelsköpp.« – »Nu? Hab' ich mich eingelassen, hab' ich auch gut verdient.« – »Du hast dir gestreut Staub auf dein Haupt, du hast gefressen Kot.« – »Sind de Luggerdohrs Kot?« – »An de Pömüffelsköppschen hackt er dran.« – »Vatter, wenn du wolltst, wir könnten machen en groß Geschäft: der Pömüffelskopp will verkaufen Gürlitz.« – »Worum?« – »Nu, er will verkaufen.« – »Ich will's dir sagen, David: weil er sich is nich sicher mang seine Tagelöhners, daß sie ihm nich stekken an die Scheunen, daß sie ihm nich schlagen auf den Kopf. – Ich will dir noch sagen mehr: ich mach nicht das Geschäft, du machst nicht das Geschäft; das Geschäft wird gemacht, aber es macht der Notorjus, was dein Freund is, er is dir ßu klug, un du bist noch ßu jung.« – »Vatter, ich ...«[669] – »Schweig, David! Ich will dir noch sagen mehr: du willst werden raich, raich mit en Mal. Sieh, da steht en Krug mit en engen Hals, halb voll von de Luggerdohrs, du langst hinein, nimmst de Hand voll un kannst se nich bringen raus, du langst hinein un nimmst einen un bringst en raus, und langst wieder und langst wieder, bis se alle sind, und du hast se.« – »Hab' ich denn genommen de Hand zu voll?« – »Still, David, ich bin noch nich zu End: Du siehst zwei Leute, der eine wirft en Luggerdohr ins klare Wasser, un der andre wirft 'ne Handvoll in en Abtritt; du gehst in das kalte Wasser und in das nasse Wasser und holst den Luggerdohr aus dem Wasser, und er ist blank und er ist rein; du gehst in den Abtritt und holst de Handvoll raus, und de Leute wenden sich von dir ab, denn es ist ein Gestank in ihre Nasen. – Der Pömüffelskopp hat dir geworfen de Luggerdohrs in den Abtritt.« – »Nu, se riechen nich.« – »Wenn se de Menschen nich riechen, so stinken se zum Himmel; aber de Menschen riechen se auch, das heißt, was sind ehrliche Menschen; aber de Pömüffelsköpp und de Notorjussen, de riechen se nich, denn for sie ist der Gestank Myrrhen un Weihrauch.« – David wull wat seggen, dunn würd an de Husdör kloppt. – »Was üs?« frog David. – De Oll was still; dunn würd nochmal düller kloppt. – »David, geh hin, mach auf die Tür.« – »Nu? zu dieser Szait?« – »David, mach auf! Als ich war jung un bin gegangen mit en Packen auf dem Land, hab' ich gekloppt oft an de Tür, und sie haben mir gemacht auf de Tür, nu bin ich geworden alt und steh auch vor 'ne Tür und werde kloppen an, und der Gott Abrahams wird sagen: laßt en rein, es is en Mensch! Dies is auch en Mensch. – Mach die Tür auf, David!« – David gung, un Hawermann kamm in de Dör. –

»Gotts Wunder!« rep de Oll, »der Entspekter!« – »Ja, Moses, Sei möten't nich äwelnemen; äwer ick kann nich anners, ick möt Sei in 'ne Sak unner vir Ogen spreken.« – »David, geh raus!« – David makte en sur Gesicht, gung äwer. – »'s hilft uns nichts«, säd Moses, »er steht doch an de Tür un[670] horcht.« – »Dat is egal, Moses, hir kann ick Sei doch nich seggen, wat ick will. – Künnen Sei woll mit mi nah minen Hus' kamen?« – »Hawermann, ich bin ein alter Mann.« – »Ach Gott, ja! dat weit ick; äwer de Luft is buten warm, de Mahn is all upgahn; ick will Sei in den Arm nemen; ja, Moses, ick will Sei dragen, wenn Sei 't verlangen.« – »Nu, was is denn?« – »Moses, ick kann Sei 't hir nich seggen, Sei möten mit Ehr eigen Uhren hüren, mit Ehr eigen Ogen seihn. – Sei känen en gaudes Wark stiften.« – »Hawermann, Sie sind en ehrlicher Mann, Sie sind en Freund gewesen zu mir von Jugend an, Sie werden machen, was gerecht is. – Rufen Sie Daviden.« – Hawermann makte de Dör up – richtig! – dor stunn hei: »Herr Entspekter, Sie werden nicht nehmen meinen Vatter heute nacht, er ist en alter Mann.« – »David«, rep de Oll, »bring' mer de Pelzstiefeln!« – »Vatter, du gehst nich! Ich ruf de Memme.« – »Ruf du de Memme, ich geh!« – »Was willst du?« – »Ich will machen en Geschäft, en großes Geschäft.« – »Denn will ich gehen mit.« – »David, du bist noch ßu jung, du holst de Pelzstiefeln.« – Dat gung nich anners, David müßte sei bringen un em antrecken, Hawermann fot den Ollen stramm in den Arm, de Oll fot sick in de linke Rocktasch wegen den fehlenden Hosendräger un stümperte langsam un Faut vör Faut an Hawermannen sinen Arm up Fru Pastern ehren Hus' tau.

As Hawermann mit den ollen Moses äwer Fru Pastern ehren Dörensüll torrte, gung dat nich so still af, un Moses stödd an de Dör un snuwwelte äwer den Süll, dat hei binah follen wir. Dit müßte Fru Pastern jo natürlich ebenso gaud hüren as de ganze Gesellschaft bi ehr: »Ach Gott, da kommt Hawermann mit dem armen Mining wieder zurück«, säd sei, lep an de Dör un stek den Kopp herute; äwer as sei meinte, sei kreg Mining ehr Gesicht tau seihn, wenn ok mit 'ne dicke Back, stunn Moses vör ehr in en Slaprock, mit Pelzstäweln, mit sin olles Gesicht vull Falten un kek ehr mit sine groten swarten Ogen an: »Gun Abend, Frau Pastern!« – De lütte Fru Pastern prallte taurügg, binah midden in de Stuw' her[671] inner: »Gott bewahr' uns!« rep sei, »Hawermann betreibt ja wohl diese Nacht allerlei Zauberei und unchristlich Wesen, nun bringt er uns ja um Mitternacht seinen alten Juden ins Haus; was soll der bei Mining ihrem Zahnweh?« – Fru Nüßlern würd tau Maud', as stünn sei in ehr Käk tau Rexow un makte Fisch taurecht un hadd grad' en rechten groten Hekt bi de Slafitten un dat Beist snappte ehr äwer den Dumen un drückte nu ganz sachten, ümmer sachten sin Tähnen deiper in ehr Fleisch, un sei müßte still hollen, süs hadd sei sick den ganzen Dumen upslitzt. – Wat hadd Fru Nüßlern ok tau leigen? un noch dortau mit so'n Lägen, de jeden Ogenblick rute kamen müßten. – »Frau Pastorin«, säd Bräsig, »mit Mosessen, das is woll 'ne bloße Erscheinung for Sie gewesen; er selbst kann's nich sein, denn ich bin vorgestern bei ihm gewesen, und da hat er mir mit seine eigene Ausdrücke gesagt, er könnte nich mehr auf die Straße kommen.« – »Ach«, föll Lowise hir in, »Vater hat gewiß etwas Wichtiges mit dem alten Manne abzumachen, und Tante weiß darum und hat uns das Märchen von Mining nur so erzählt. Wie sollte Vater dazu kommen, zu dieser Zeit solche Alfanzereien zu betreiben!« – De Hekt drückte sin Tähnen deiper in Fru Nüßlern ehr Fleisch, äwer sei bet ehre eigenen Tähnen noch tausamen un höll't ut. »Ih, süh!« rep sei, »Lowising, du büst jo gefährlich klauk! – Klauke Kinner sünd en Segen för de Öllern; äwer« – hir ret sei mit en Mal den Dumen ut den Hekt sine Tähnen – »ick wull doch, dat du en gaud Schepelsdeil dämlicher wirst. – Denn will ick 't man seggen: Mining is gor nich dor, dat is de gnedige Fru von Pümpelhagen, de hett wat mit Korlen un Mosessen aftaumaken.« – Nu würd de lütt Fru Pasturin sihr argerlich, deils wil sei dat nich tau weiten kregen hadd, indem dat sei doch in ehren eigenen Hus' de Negste dortau was, deils wil sei nah lange Johren taum irsten Mal gewohr würd, dat Fru Nüßlern, ehre true Nachborin, ganz abscheulich, unchristlich leigen künn: »Und das haben Sie uns ganz ausführlich und bündig vorgelogen?« frog sei. – »Ja, Fru Pasturin, dat heww ick«, säd Fru Nüßlern[672] un namm noch den Schin an, as wir sei von de Gerechten eine. – »Frau Nüßlern«, säd de Fru Pasturin, un 't was, as hadd 'ne unsichtbore Hand ehr hinnenwarts dat lütte swarte Mäntelken von ehren seligen Paster ansteken, »Lügen ist ein abscheuliches, unchristliches Laster.« – »Dat weit ick, Fru Pasturin; ick leig' ok meindag' nich för mi sülwst. Wenn ick leig', leig' ick blot tau anner Lüd' ehren Besten. Dat jammerte mi tau sihr, dat de arme Fru, de all so wid tau is, hir mit Fragen quält warden süll, un wil dat sei hir von allen för Mining anseihn würd, säd ick blot: ›Ja'‹, un lög 'ne lütt Geschicht dortau.« – Nu was 't äwer, as wenn de unsichtbore Hand de Fru Pastern ok noch de Böffkens von ehren seligen Paster ümbinnen ded, un sei fung an: »Liebe, Sie sind in dem schlimmsten Falle, Sie belügen sich in diesem Augenblicke selbst, Sie halten für gut, was schlecht ist, Sie lügen ...«. – »Mit Ihren liebwerten Wollnehmen, Frau Pastorin«, föll hir Zacharias Bräsig in un slog sick ganz up de Sid von sinen ollen Schatz, »daß ich Sie hier in Ihre Predigt fall; ich bün ganz die Meinung von der Madame Nüßlern. – Sehn Sie, vergangen Woch ruft mich die Frau Syndikussen an un fragt mich sehr liebreich: ›Herr Entspekter, is das wahr, daß die Frau Pastern mal 'ne Rangdewuh in en Graben‹ ...« – »Bräsig«, fohrte de lütte Fru Pastern tau Höcht, un Mäntelken un Böffkens wiren weg. – »Ohne Sorge!« säd Unkel Bräsig un smet en Blick up Lowise, »ich kenne die Beurteilung der Verhältnisse. –›Nein‹, sage ich, ›Frau Syndikussen, das sünd ausgestunkene Lügen.‹ Und somit log ich for Sie, Frau Pastorin, und wenn ich dafor mal in die Hölle braten muß, dann bitt ich Sie, daß Sie mich von den Himmel aus mal mit 'ner kleinen Verlöschung unter die Augen gehn.« – De Fru Pastern wull wat seggen, dunn kek Hawermann in de Dör: »Oh, Bräsig, kumm mal en beten rut.« – »Hawermann ...« fung de lütte Fru an. – »Frau Pastorin, ich komme gleich wieder.« – Bräsig gung rut.

Up de anner Sid von de Del was dat eben so lewig taugahn, äwer up 'ne anner Ort. As Hawermann mit Mosessen in de[673] Dör von Fru Pastern ehre Putzstuw kamm, stunn de junge Fru mit en Stich in den Harten von den Sofa up; Moses verstutzte sick. – »Die gnädige Frau von Rambow«, säd Hawermann un wend'te sick an de junge Fru: »Dies ist mein alter Freund Moses; aber er ist sehr angegriffen von dem Gange. Sie entschuldigen, gnädige Frau«, un dormit bröchte hei em an den Sofa ran un läd' em verlangs dorup un söchte Rüggenküssen un Nackenpummel un läd' em de unner den Kopp. – As de Oll sick en beten verhalt hadd, frog Hawermann: »Moses, kennen Sei de gnedige Fru?« – »Hab' ich se doch gesehn zu fahren vor meinem Haus; hab' ich se doch gesehn zu spazieren zu Pümpelhagen an der Landstraß; hab' ich se gegrüßt, hat se den alten Juden freundlich wieder gegrüßt.« – »Moses, Sei weiten, de Herr von Rambow hett Schulden, vele Schulden.« – »Weuß ich.« – »Sei hewwen em ok verklagt.« – »Weuß ich.« – »Moses, Sei möten Ehr Klag' taurügg nemen; Ehr Geld steiht säker indragen.« – »Was haißt sicher? – Hab' ich doch gesprochen mit Ihnen schon darüber im Frühjahr. – In den jetzigen Szaiten is mer nich sicher das Gut, sicher is mer der Mann, und der Herr von Rambow is nich der Mann, der mer is sicher, er ist en schlechter Wirt, er ist en Pferdenarr, er ist en Sp ...« – »Holt! Bedenken S' dat sin Fru hir bi uns sitt.« – »Nu, ich bedenk.« – Frida stunn Höllenqualen ut. – 't was 'ne Tidlang still; Hawermann fung wedder an: »Wenn 'ne Utkunft drapen würd, dat dat Gaud verpacht't würd ...« – »Wer pachtet zu die Szaiten?« smet Moses dormang. – »Oder dor würd mit den Herrn von Rambow en Afkamen drapen, dat hei en orndlichen Entspekter wirtschaften let un gor nich in de Wirtschaft red'te ...« – »Hawermann«, föll Moses in, »Se sind en alter Mann, un Se sind en kluger Mann, Se kennen de Welt und kennen den Herrn von Rambow, haben Se schon mal gesehn einen Herrn, der gesagt hat: ich will nicht mehr Herr sein, ich will lassen einen andern Herr sein?« – Hawerman würd drapen von dese Frag', hei smet en fragwisen Blick up de junge Fru, un Frida slog de Ogen dal un säd: »Ich fürchte,[674] der Herr Moses hat recht, ich fürchte, mein Mann versteht sich nicht dazu.« – Moses kek mit Wollgefallen nah ehr räwer un brummelte vör sick hen: »'s ist 'ne kluge Frau, 's ist 'ne ehrliche Frau.« – Hawermann was in Verlegenheit, hei satt in deipen Bedenken, tauletzt säd hei: »Na, Moses, wenn nu de Fru von Rambow oder ick oder de Ümstän'n den jungen Herrn dortau bringen, dat hei dorup ingeiht, un wenn dat tau de Säkerheit von de Gläubiger gerichtlich – so unner de Hand – fast set't ward, dat hei sick dat Wirtschaften entseggt un en düchtigen Inspekter för sick wirtschaften laten deiht, nemen Sei denn de Klag' taurügg?« – »Ich nehm se auf en Jahr zaruck; na, sagen Se ßwai Jahr.« – »Na, Sei laten Ehr Geld also in't Gaud stahn; äwer nu sünd dor noch anner Schulden, de möten betahlt warden, dor 's Pomuchelskopp mit 8000 Daler.« – »Weuß ich«, säd Moses vör sick hen. – »Denn sünd dor Schulden an Koplüd', an Handwarkslüd', de in Johr un Dag nich betahlt sünd; ok Lüd'-lohn möt betahlt un 't Inventorium in'n Stand set't warden, dat kann ok gegen 6000 Daler utmaken.« – »Weuß ich«, säd Moses. – »Äwer denn is noch en Posten von 15000 Daler in Swerin, de vör allen Dingen betahlt warden möt.« – »Gott, du gerechter!« fohrte Moses tau Höcht, »weuß ich kein Wort.« – »Ja, un denn«, säd Hawermann, ahn sick an wat tau kihren, »möten wi noch en 2000-3000 Daler achter de Hand hewwen, dat wi de Wirtschaft kräftig un vernünftig up't frisch anfaten känen.« – »Lassen Se mich! De Geschichten sind faul, sind sehr faul«, rep Moses un makte 'ne Bewegung, as wull hei von den Sofa upstahn. – »Holt, Moses! Ick bün noch nich tau En'n.« – »Lassen Se mich! Lassen Se mich! Ich bin en alter Mann, ich werd' mich nicht lassen ein in solche Geschichten«, dormit richt't hei sick äwer En'n un makte Anstalt, weg tau gahn. – »Hüren Sei mi doch irst an, Moses! Sei sälen dat Geld – 't sünd jo woll gegen 31000 Daler – nich gewen; 't sünd anner Lüd', 't sünd säkere Lüd', de willen 't gewen; Sei sälen't blot tau den Jehannistermin anschaffen.« – »Gott Abrahams! Ich soll schaffen an in die[675] Szaiten in verzehn Tagen einunddreißigtausend Taler! Einunddreißigtausend Taler! und das for Narren, de sich lassen ein mit so'n Geschäft!« – »Na, Moses, dat laten S' nu man! Schriwen S' sick mal de Namen un de Posten an, de ick Sei seggen ward. – Sei kennen doch de Fru Pastern? Schriwen S' mal för de Fru Pastern 5000 Daler an.« – »Nu, ich kenn se, 's is 'ne gute Frau, se hilft de Armen; woßu soll ich aber schreiben?« – »Na, schriwen S' doch mal.« – Moses halte 'ne Breiwtasch ut den Slaprock, makte den Blistift natt un schrew: »Nu, 's schteht: 5000 Taler.« – »Sei kennen doch Bräsigen?« – »Nu, was wollt ich nicht kennen Bräsigen? – Wer kennt nich Bräsigen? – Is en guter Mann, is en unterhaltsamer Mann, hat er mich immer besucht, as ich war krank, hat er mich machen wollen zum Demekraten, hat er verlangt, ich soll Reden halten in der Reform; aber 's ist en guter Mann.« – »Schriwen S' em mal an mit 6000 Daler. – Minen Swager Nüßler kennen Sei doch ok?« – »Hab' ich doch immer gekauft von ihm de Wull. – Er ist en stiller Mann und guter Mann, er raucht Toback; aber er ist nicht der Mann, der Mann ist de Frau.« – »Na, denn schriwen S' för min Swester mal 13000 Daler.« – »Schreib ich nicht. – Sie is 'ne Frau, sie is 'ne vorsichtige Frau; hat se doch gehandelt beim Schtain um ßwai Groschen.« – »Schriwen S'! Min Swester ward Sei dat hüt nacht noch sülwst seggen. – So! un nu schriwen S' för mi ok noch 7000, nu sünd 't tausamen 31000 Daler.« – »Gott, du gerechter!« rep Moses, »er will geben sein Geld, was er hat verdient sauer, was er hat gespart for seine alten Tage, for sein einzigst Kind! – Und for wen denn? – For en jungen Menschen, der is gegangen mit Schießen auf seinen Leib, der ihm hat geschnitten de Ehr ab, der ihn behandelt hat as en Hund!« – »Dat gelt Sei nicks an, Moses, dat is min Sak. Wi ...« – So lang' hadd de junge Fru in furchtbore Qualen dor seten un hadd dat bitterste Gefäuhl in ehre Seel dal drückt, nu kunn sei sick nich länger hollen, sei sprung up un up Hawermannen tau, läd de beiden Hän'n up sine Schullern un rep: »Nein, nein! Das soll[676] nicht sein! Nicht diese braven Leute, nicht Sie sollen in unser Unglück hineingezogen werden. Ist es unsere Schuld, wollen wir's auch tragen. Ich will's tragen, oh, und Axel wird's auch lieber tragen – Unglück und Schande! – aber – aber – «, hir brök't unwillkürlich herut: »Die armen Schwestern!« – Hawermann fot sei sachten üm un bröcht sei in ehren Stauhl taurügg un flusterte ehr lising tau: »Fassen Sie sich! Sie haben die Angelegenheit in meine Hände gelegt; ich führ sie zum Ende, zum glücklichen Ende.« – Ut Frida ehre Ogen brök en Strom von Tranen. – »Gott, du gerechter!« säd Moses vör sick hen un läd den Blistift in dat Taschenbauk, »nu fängt se auch an mit de Großmut. – Ist das en Geschäft? Das ist kein Geschäft. Und allens ist doch ehrlich! 's ist bloß zu bringen en alten Mann auch in Tränen«, un hei wischte sick mit de Slaprocksslipp de Tranen ut de Ogen. »Nu, wollen sehn, wo schteht der Jud'.«

Hawermann was ut de Dör gahn un hadd Bräsigen von jensid rute raupen, hadd em up de Del all vörlöpig Bescheid seggt von dat, wat in de Luft wir, un kamm nu mit em rin. – Bräsig tred vör un hadd 'ne ganz verrückte Mien annamen, dat sick Hawermann in'n Stillen äwer em argern müßt, halw sach hei ut, as wenn hei up den Johrmark wat verköpen, halw, as wenn hei tau Wihnachten wat bescheren wull. – Mit den äwernäsigsten Beinsatz gung hei up Mosessen los un säd: »Moses, was Korl Hawermann for mir unterzeichnet hat, unterschreib ich, Zacharias Bräsig; is mich ganz engal, bar Geld oder Obligatschonen; aber erst zu Antoni.« – »Schön«, säd Moses, »Se sind en sicherer Mann, Herr Entspekter, ich werd's schaffen an.« – Bräsig gung nu an de gnedige Fru ranne, de den Arm up den Disch stüt't un de Hand äwer de Ogen leggt hadd, as ded ehr dat Licht weih, makte en deipen Diener, frog nah't Befinnen, un as sei dit lichthen beantwurt't hadd, frog hei: »Und woans befindet sich denn der junge Herr von Rambow?« – Frida tuckte tausam, un Hawermann, de eigentlich in den Sinn hatt hadd, de enzelnen nah un nah tau raupen, sach, dat dat an de Tid was, dat hir[677] en Impaß inföll, dormit dat Bräsig nich in aller Unschuld de junge Fru mit Fragen un Reden ut Rand un Band bröchte. »Zacharies«, säd hei, »dauh mi den Gefallen un raup de Fru Pastern un min Swester räwer, Lowise kann ok mitkamen.« – »Ja woll, Korl«, un nah en beten kamm hei mit de Frugenslüd' heräwer. – Fru Pastern fohrte nu glik up de junge Fru los un drückte sei so vel an dat Hart un kunn sick nich hollen un fung bitterlich an tau weinen, un dorneben stunn Lowise mit dat deipste, äwer ok stillste Mitgefäuhl in de Bost. – »Gott Abrahams«, säd Moses vör sick hen, »was is dies for 'ne Nacht! Se wollen machen en Geschäft, un se weinen an enander un drücken sich de Händ' un fassen sich um den Hals un sind großmütig zueinander un liebraich, un mich alten Mann lassen se sitzen bis an den Morgen. – Mamsell Hawermann«, säd hei lud', »wenn Se fertig sind mit de schönen Gefühlen, bringen Se mir en Schnäpschen Wein; ich bin en alter Mann.« – Lowise lep un bröchte 'ne Buddel Win un en Glas, un Bräsig säd: »Lowising, bring' mich auch en Glas!« un hadd jo woll den paßlichen Infall, noch in de Nacht mit Mosessen 'ne lütte fröhliche Kneiperi tau veranstalten, denn hei set'te sick an em ranner un fung an, mit em antaustöten: »Auf Ihrem Wohle, Moses!« – Äwer't würd nich recht wat, Moses schinte nich recht Lust tau hewwen, un Hawermann bröchte sine Swester ranner, Moses makte den Blistift natt un schrew. Nah de Fru Nüßlern kamm de Fru Pasturin, Moses schrew wedder, un ahn dat de junge Fru, de mit Lowise in 'ne Eck tausam satt, jichtens dor wat von gewohr würd, was allens in Richtigkeit, un Moses stunn up un säd: »Wissen Se was Neues? Ich will Se was sagen: de einunddreißigtausend Taler sind gedeckt, und alle Leute sind gut; aber's ist kein Geschäft, de Großmut ist mit Se weggelaufen – Nu, wie haißt? Ich bin en Jud', mit mir ist se auch weggelaufen; ich schaff an das Geld. – Aber ich bin en alter Mann, ich bin en vorsichtiger Mann. – Wenn der Herr von Rambow sich nicht will stellen unter den Entspekter und macht's nicht gerichtlich, denn is de Sache faul, und ich[678] schaff's nicht an; denn dann is de Sache for de Katz. – Wenn se mich begraben auf den Kirchhof, da bei de Tannen, wo ich hab' machen lassen 'ne Bewehrung for mein Geld, denn sollen de Leute nicht sagen: nu, er hat machen lassen 'ne Bewehrung; was ist 'ne Bewehrung von eichen Holz? Hat er doch gebracht kurz vor seinem Tod lauter ehrliche Leute ins Unglück, bloß um zu machen en Geschäft. – Da is de Madame Nüßlern, da is de Madame Pastern, da is der Hawermann, und da is auch der Herr Bräsig. – Ich bin gewesen en Geschäftsmann von Jugend an, zuerst mit dem Packen und dann mit de Perdukten und mit de Wull und zuletzt mit das Geld, und als en Geschäftsmann will ich sterben, aber als en vorsichtiger. – Kommen Se, Hawermann, fassen Se mich an, bringen Se mich wieder nach Hause. – Gute Nacht, Madame Nüßlern, grüßen Se den Herrn Jochen, soll mich mal besuchen. – Gute Nacht, Herr Entspekter Bräsig, besuchen Se mich auch, aber predigen Se nicht mehr von de Reform, ich bin en alter Mann. – Gute Nacht auch, Mamsell Hawermann, wenn Se gehn vor meinem Haus' vorbei, grüßen Se mer wieder so freundlich wie das letzte Mal. – Gute Nacht, Frau Pastoren, wenn Se heute gehn zu Bedd, können Se doch sagen: hab' ich gehabt heut' doch lauter ehrliche Leut unter meinem Dach; auch der alter Jud' war en ehrlicher Mann.« – Nu gung hei up Frida tau: »Gute Nacht auch, gnedige Frau, Se haben heute geweint, weil Se nicht sind gewohnt; aber lassen Se sein, es wird allens werden gut; Se haben en neuen Freund, 's ist en alter Jud'; aber der alter Jud' hat fließen lassen die Tränen über Sie, und das vergißt er nicht, denn sie sind ihm geworden knapp die Tränen.« – Hei dreihte sick üm un säd noch mal: »Gute Nacht!«, ahn sick ümtauwen'n, un Hawermann bröchte em ut de Husdör, Lowise lücht'te. Binnen was allens still; jeder hadd sine Gedanken. De irste, de sick verhalen ded, was Fru Nüßlern, sei rep Krischanen, de up de Del slep, hei süll anspannen. – Krischan was an den hütigen Dag oder Nacht dat ungefihre Gegendeil von dat, wat hei süs was, denn as Hawermann[679] von Mosessen taurügg kamm, stegen de gnedige Fru un Fru Nüßlern all in den Wagen, un hei hadd grad' noch Tid, de junge Fru en por fründliche, hoffnungsvulle Würd' tau seggen, dunn säd Fru Nüßlern: »Gun Nacht, Korl! Sei möt tau ehr Kindting. Krischan, nah Pümpelhagen!« un dormit führten sei af.

Hawermann stunn noch so verluren up de Strat un kek achter den Wagen her un wull all in't Hus gahn, dunn kamm en annern Wagen in langsamen Schritt de Strat hendal, un vör den Wagen blänkerten in den Mahnschin en por Schimmels. De oll Mann was taurügg treden un stunn nu in de Dör, sin Döchting hadd en Licht för em up de Del stellt, un hei stunn nu dor as en düdlichen Schattenriß gegen de Helligkeit. Hei wull doch seihn, wer so späd oder so früh dörch ehre stille Strat führte; de Wagen kamm neger, hei höll vör den Hus' still. – »Faß die Leine!« rep 'ne Stimm, de em sonderbor bekannt vörkamm, un en Mann up de vördelste Bänk smet de Lin nah achter den Kutscher tau un was mit einen Satz ut den Wagen rute. »Hawermann! Hawermann! Kennen Sie mich noch?« – »Franz! Herr von Rambow!« – »Was ist hier los, daß Sie so spät auf sind?« un hei schow em taurügg, »doch kein Unglück?« – »Nein – Gott sei Dank – nicht; ich werd's Ihnen gleich sagen.« – Un de junge Mann fot den Ollen üm un drückte em an dat Hart un küßte em, un ümmer wedder, un't was kein Unglück, 't was idel Glück, un doch hadd't en Unglück warden künnt, denn in de Stuw' satt en Mäten, de Farw was ut ehr frisches Gesicht verbleken, un de groten Ogen würden ümmer gröter un starrten up de Stuwendör, un de Hän'n drückten up ehren Harten, un wenn sei upstahn wull, denn was't, as wenn de Ird bewen ded un bawen rullte de Dunner un de Stimm von buten slog Blitz up Blitz in ehren Harten. Sei wüßt't nich, sei kunn't sick ok nich düdlich maken in desen korten Ogenblick; äwer de Goren, den sei sid Johren anplant't hadd mit stille, bescheidene Blaumen, mit schattige Lauwen, von wo ut sei so oft up den Abendstiern seihn, woräwer sick ümmer stille Nacht deckt[680] hadd, de stunn nu dor in hellstes Licht von Blitzen un von Wederlüchten. Un as dat vöräwer treckt un dat Hart dal drückt was, dunn gläuhte 'ne Sün'n dorup, so blennig, so heit, dat sei ehr Og' hadd afwen'n müggt; äwer sei kunn't nich, denn in ehren stillen Goren bläuhte Wunner up Wunner in den Sünnenstrahl tau Höchten: ut de bescheidenen Veilchen gläuhten rode Rosen herut, as sei ut Brutkräns' lüchten, un de Geruch von de düstern Nachtvijolen würd taum Nachtigahlensang, de lockt un röppt, dat nu en Nest bugt warden sall för Frühjohrstid un Leiwesleben. Un de Hän'n sackten ehr von den Harten, un dat Hart slog hell up un vull dörch, un as hei rin kamm in de Dör an Hawermannen sine Hand, dunn smet sei sick an sin Hart, un de Irdbodden bewte nich mihr unner ehr, un de Dunner rullte nich äwer ehr, un kein Blitz slog bi ehr in; äwer Licht was üm ehr rüm, luter Licht! – Un sei red'ten mit enanner, vel red'ten sei mit enanner: »Franz!« – »Luise!« Un keiner verstunn ehr Sprak, un sei stunnen all üm ehr rüm un kunnen s' nich verstahn, denn't was all lang' her, as sei de Sprak hürt hadden, un en Verständnis müßte doch sin, dunn erbarmte sick Unkel Bräsig äwer de jungen Lud', de äwer de Ird un äwer de Wulken för ümmer wegfleigen wullen, un bröchte sei wedder mit en lütten Ruck up de faste Ird taurügg: »Frau Pastern«, säd hei, »als ich dazumalen die drei Brauten mit en Mal hatte, da ...« – »Schämen Sie sich, Bräsig!« rep de Fru Pastern midden dörch de Rührtranen dörch. – »Frau Pastern, dasselbige haben Sie mir gesagt, as ich dazumalen durch den Dokter Ürtlingen an den jungen Herrn von Rambow nach Paris schreiben tat; aber ich habe mir damals nicht geschämt; ich werde mir heut auch nicht schämen; ich hab' mir überall in meinem ganzen Leben mein Tag' nicht geschämt. Denn sehn Sie, Frau Pastorin«, un hei stellte sick vör de Fru Pasturin hellschen utwarts hen un snow wedder mal an sine Näs', äwer wedder wat babenwarts, as wenn em wat in de Ogen kamen wir: »Sehn Sie, Frau Pastorin, ich habe in der letzten Zeit männigen Rangdewuh zu Stande gebracht:[681] erstens in dem Wassergraben ...« – »Bräsig!« rep de lütt Fru Pasturin. – »Sein Sie ganz ruhig, Frau Pastorin, ich sage nichts, und ich lüge auch for Sie, wenn's verlangt wird. Zweitens: Gottlieb und Lining in dem Kirschbaum; drittens: Rudolf un Mining, wieder in dem Kirschbaum; aber das nehmen Sie mich nicht übel, wenn en Menschen ein gewissermaßenes Gefühl von Stolz übersleicht, wenn der Mensch Rahnstädt und Paris zu 'ner Rangdewuh bringt; und das hab' ich getan.« – »Ja«, säd Franz un kamm mit einem Bein all up de Ird dal, »das haben Sie getan, und ich dank' Ihnen recht von Herzen für Ihren schönen, schönen Brief; hier ist er, ich hab' ihn stets bei mir gehabt.« – »Hm!« säd Unkel Bräsig, »also ümmer bei sich. – Sehr oblischiert for mir! Nu sagen Sie mich aber mal so ganz pöh a pöh, so ganz aufrichtig: haben Sie den Brief eingestochen wegen meinen Stil – denn Korl, das kannst du nicht streiten, in dem Stile war ich dich bei Paster Behrendsen über –, oder haben Sie ihn eingestochen, weil das Postpapier von Lowise ist?« – »Aus beiden Gründen!« rep Franz mit hellen Lachen, »aber auch wegen der frohen Nachrichten, die in Ihrem Briefe enthalten sind. – Ja«, säd hei un gung up Hawermannen tau un fot em üm, »nun hat diese Quälerei, diese Selbstquälerei ein Ende, nun ist auch der letzte Scheingrund für unsere Trennung gefallen«, un hei gung up Lowise tau un gaww ehr en Kuß, un dese eine Kuß was en sonderboren Kuß, denn in desen einen kunn einer mit twölf dividieren, un dat Fazit was ümmer noch en ganzen Kuß. – »Lieber Gott«, säd de Fru Pastern endlich, »der Morgen scheint schon in das Fenster herein.« – »Ja, Frau Pastern«, säd Bräsig, »und Sie huhlwaken hir rum und sünd 'ne alte Dam und das nich gewennt; Sie sollten zu Bett gehen.« – »Bräsig hett recht«, säd Hawermann, »un du, Wising, gah ok tau Bedd.« – »Komm, Kind«, säd de Fru Pastern un namm Lowise in den Arm, »morgen ist auch ein Tag, auch ein Freudentag«, un sei küßte sei. »Oh, nun kommen deine Freudentage, und in deinen werden meine wieder aufleben!« – Sei gungen. – »Sie, Herr[682] von Rambow«, säd Hawermann ... – »Warum denn nicht: Franz?« frog de junge Mann. – »Nun denn Franz, mein lieber Sohn, du kannst oben auf meinem Bette bei Bräsigen schlafen, ich ...« – »Ich kann nicht schlafen«, föll Franz in. – »Korl«, säd Bräsig, »mich is auch gar nich sleperich zu Sinn, meine nachtslafende Zeit un meine nächtliche Ruh is vorüber« – hei gung an't Finster, makte dat up un kek in't Weder –, »Korl, mich is das so, as wenn das vermorrnzu en Tag is, wo woll der Bors beißen kann. Raus muß ich, hier is mich das zu beängstlich, ich geh nach Angeln; in die Rexowschen Dannen, in den Lauban, da weiß ich en Flag, da steht en hartlicher Bors. – Also – gun Morrn, junger Herr von Rambow, gun Morrn, Korl, unterhalt dir gut mit deinen jungen Herrn Zukünftigen.« Dormit gung hei ok.

»Was heißt das aber, lieber Vater«, säd Franz, »daß ich euch hier so spät noch alle munter fand? – Ich bin gleich nach dem Empfang von Bräsigs Schreiben von Paris abgereist, bin Tag und Nacht gefahren, und vorgestern kam ich auf meinem Gute an. Aber da war so mancherlei zu besorgen – mein Inspektor geht ab, er verheiratet sich –, daß ich erst gestern morgen um diese Zeit hierher fahren konnte. – Ich hatte aber Relais vorausgeschickt, und als ich hier ankam – nun, ich will's nur gestehen« – un hei lachte so'n beten verlegen – »mußte ich wenigstens das Haus sehn, in welchem Luise schlief. Und da find' ich euch noch munter.« – »Ach«, süfzte Hawermann, »es war eine traurige Veranlassung. Es war wegen des Herrn von Rambow auf Pümpelhagen, die junge Frau war selbst hier. Sie hat schrecklich gelitten; aber es war ihr nicht zu ersparen; und doch ist noch alles in der Schwebe. Wollte Gott, Sie ... du wärst eine halbe Stunde früher gekommen, dann, glaube ich, wäre alles im reinen.« – Un nu vertellte hei, wat passiert was, vörher un nahher, un dat alles mit so'n uprichtiges Beduren, mit so'ne hülprike Afsicht, dat in Franzen sine Bost de helle Wunsch sick rögen ded: hir müggst du woll helpen; un dat Beste was: hei kunn helpen. Hei hadd dat Glück hatt, ihrenwirte Vörmünner tau[683] hewwen un düchtige un ihrliche Inspekters; sin Hab un Gaud was wussen unner ehre Hän'n un nahsten ok unner de sinigen, denn hei hadd't nich tau 'ne Ledder makt, üm doran heraf tau stigen in de Afgrün'n von Liederlichkeit un Verkamenheit, un vör de Durheit bewohrte em sin richtige Verstand. – Nu kunn hei äwer sin Glück den Segen spreken, denn hei hadd nich blot den Wunsch taum Gauden, hei hadd ok de Macht.

Vel würd nu hen un her red't unner de beiden, un wat de ein wull, wull de anner, un sei beid wullen helpen; un't würd afmakt: Franz süll hüt noch mit Mosessen tausamen kamen; äwer trotz aller Uprichtigkeit hadden beid noch en Geheimnis för sick: Hawermann dürfte den jungen Mann nicks seggen von Axeln sine Schuld bi de Swestern, dat hadd em de junge Fru mit bläudige Tranen un bläudigen Harten anvertrut, dat was nich sin eigen, dat was frömdes Gaud, un't was dür köfft und dür worben. – Franz hadd ok sin Heimlichkeit; äwer dat müßte 'ne gaude sin, denn sin Gesicht sach so fröhlich nahdenklich ut, un mit Behagen slog hei den einen Bein up dat Sofa, un mit Behagen treckte hei den annern nah, un hei nickte Hawermannen so fründlich tau, as de wider vertellte, un hei nickte ümmer wedder un nickte sick tauletzt in den Slap. De Jugend un de Natur wullen ehr Recht hewwen. Un de oll Hawermann stunn sachten up un kek in sin Gesicht, un dor spelten de letzten frohen Gedanken noch up rüm, as Abendsünnenstrahlen spelen up klore, ruhige, dörchsichtige Seen. Un hei gung hen un halte 'ne Deck un deckte sei em sachten äwer un gung rute in den lütten Achtergoren von de Fru Pastern un set'te sick in de Lauw, de hei vör etzliche Johren in Kummer un Trübsal sülwst anplant't hadd, un kek nah dat Finster, wo sin Döchting slep. – Je, slep sei? Wer kann slapen, wenn de helle Sünn in dat Hart schint? Wer kann slapen, wenn jeder Ton tau 'ne Melodi ward, de von Leiw' un von Glück singt? – Lis' klung de Klink an de Gorenpurt, un in en lichten Morgenantog kamm en schönes Mäten herin un wend'te ehr Gesicht[684] tau Höchten nah den Sünnenupgang un folgte de Hän'n äwer de Bost un sach in de Morgensünn herinne, as würd sei von keinen Glanz mihr blennt; äwer de Tranen lepen ehr de rosenroden Backen herunner. – Recht, Lowise! De Sünn is Gottes-Sünn, un dat Glück is Gottes-Glück, un schint dat uns mal hell un grell in dat Og', denn sünd de Tranen dorför gaud, de breken den Strahl. – Un sei bückte sick dal an de Ird un böhrte 'ne Ros' tau Höchten un sog ehren Duft in sick, plückte sei äwer nich. – Recht, Lowise! Rosen sünd Irden-Rosen, Freuden sünd Irden-Freuden, sei bläuhn beid ehre Tid, lat ehr de Tid! Willst du sei äwer geneiten vör de Tid, den hest du 'ne verwelkte Blaum an de Bost un 'ne verwelkte Freud' in de Bost. – Sei gung langsam wider in den Goren, un as sei an de Lauw kamm, wo ehr oll Vader satt, sprung sei up em tau, smet sick an sin Hart un verkröp sick mit den Kopp an sine Bost: »Vater, Vater!« – Recht, Lowise! dat is din richtiges Flag! In din Vaders Hart schint Gottes-Sünn, in din Vaders Hart bläuhn Irden-Rosen.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 668-685.
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