Kapittel 25

[368] Von en Gerichtsdag. Worüm Slus'uhren dat Gewissen afhanden kamen is. Von twei Por Eh'lüd', un dat de Düwel »ein feiner Mann« is. Wat Hawermann mit de Daglöhnerfru tau reden hadd, un worüm Franz Axeln von en vöriligen Schritt taurügg höll. Pomuchelskopp rührt den Kauken an un ritt dunn weg; de beiden Vettern verdarwen sick an desen Kauken de Mag', un Franz find't, dat Pümpelhagen em äwerall nich bekümmt, hei reis't af, un ok Frida kann em nicht hollen.


In Pümpelhagen was wildessen de Rahnstädter Burmeister, de Axeln sin Justiziarius was, mit den Herrn Notorjus Slus'uhr as Protokollführer ankamen. De Mann hadd sihr umsichtig handelt, hei hadd glik, as hei Hawermannen sinen Breiw lesen hadd, en fixen Polizeidiener in alle Wirtshüser un Kopladens, wo Daglöhners woll vörspreken kunnen, rümmer schickt, üm nahtaufragen, ob un wennihr de Daglöhner Regel ut Pümpelhagen dor mäglicher Wis' west wir, un dordörch hadd hei denn naug tau weiten kregen, wat em bi de Unnersäukung behülplich sin kunn. – De Daglöhner was bi em[368] sülwst gistern gegen Klock vir nahmiddags ankamen un hadd sick den Paß utstellen laten, hei hadd em dat Geldpaket wis't, dat Geld was in swartes Waßdauk inneiht west, un de Burmeister hadd noch genau nahseihn, wat ok dat Sigel nich Schaden leden hadd. De Mann hadd em vertellt – hei was äwerhaupt en beten sihr redselig west –, hei süll de Nacht dörchgahn; dat wir nu frilich in dese Johrstid en beten stark Verlangen, äwer de Mann was jo en gesunden, frischen Kirl; tau düster kunn't nich warden, indem dat de Snei lüchten ded un ok gegen Middernacht de Man upgung; hei hadd em also den Rat gewen, glik aftaugahn. Dat hadd hei äwer, as hei gewiß erfohren hadd, nich dahn; hei was in weck Wirtschaften west un hadd sick dor Snaps inschenken laten; ja noch gegen Klock nägen was hei nich ut Rahnstädt rute west un hadd noch vör en Kopladen stahn un hadd Bramwin drunken un von den groten Kristopher un vel Geld redt, hadd ok dat Paket noch den Ladendeiner wis't. Wo hei nahsten blewen was, wüßt hei noch nich; äwer so vel schinte em gewiß tau sin, de Mann was stark andrunken west, un hei frog nu Axeln un Hawermannen, wat de Minsch äwerall drunkfällig wir. – »Das kann ich nicht wissen«, säd Axel, »ich muß mich in dieser Hinsicht auf meinen Inspektor verlassen.« – Hawermann kek em an, as wenn em dese Red' sihr upfällig was, wull wat dorgegen seggen, säd äwer blot tau den Burmeister: seindag' nich hadd hei so wat an den Minschen markt oder ok blot dorvon hürt; Regel wir ümmer de nüchternste Minsch up dat ganze Gaud west, un hei künn in dese Hinsichten äwerall nich äwer de Gaudslüd' klagen. – »Mag sein!« säd de Burmeister, »aber ganz richtig war's mit dem Manne nicht; einmal ist das erste Mal – er hatte gewiß schon vorher getrunken, als er zu mir kam. Lassen Sie seine Frau mal hereinkommen.«

De Fru kamm. – 't was 'ne junge hübsche Fru, 't was noch nich lang' her, dunn hadd sei noch as de smuckste Dirn so frisch in de Welt rinne keken, as't man en meckelnbörgsches Landmäten kunn, nu hadden äwer all de Kindbedden de[369] Mätensrosen von de Backen wischt, un de hüsliche Arbeit hadd de weiken, smidigen Glider all eckiger makt – uns' Husfrugens up den Lan'n warden bald olt –, taudem drog sei Truer, un de Angst bewerte ehr dörch de Glider. – Hawermannen würd de Fru jammern, hei gung an ehr ran un säd: »Regelsch, fürcht' Sei sick nich, segg Sei in alle Ding' de Wohrheit, un't ward all wedder gaud warden.« – »Herre Jesus, Herr Inspekter, wat is dit? Wat heit dit? Wat is dat mit minen Mann?« – »Segg Sei mal, Regelsch, drinkt Ehr Mann männigmal mihr Bramwin, as hei verdragen kann?« frog de Justiziarius. – »Ne, Herr, allseindag' nich, hei drinkt gor keinen Bramwin, wi hollen uns ok keinen in den Hus'; blot in den Aust drinkt hei en Sluck, de von den Hoff gewen ward.« – »Hett hei gistern, as hei von Hus gung, keinen Bramwin drunken?« frog de Justiziarius wider. – »Ne, Herr! Hei et noch irst, un dunn is hei so gegen Klock halwig drei weggahn. Ne, Herr ... äwer täuwen S' mal, täuwen S' mal! – Ne, seihn heww ick't nich; äwer doch! ... Herre Gott doch ja! Gistern abend, as ick bi't Schapp was, dunn was de Bramwinsbuddel leddig!« – »Ick mein, ji hollt jug keinen Bramwin in'n Hus'?« frog de Burmeister. – »Ne, dat dauh wi ok nich; äwer dit is noch von den Gräfnis-Bramwin; wi hewwen verleden Fridag uns' öllst lütt Dirn begrawen laten, un dor's wecken äwrig blewen. – Ach, un wat hett hei sick grämt! wat hett hei sick grämt!« – »Un Sei meint, Ehr Mann hett em utdrunken?« – »Ja, Herr, wer süll't süs dahn hewwen?«

Dat Protokoll würd upnamen, un Regelsch kunn rute gahn. – »So!« säd Slus'uhr dummdrist tau Axeln un plinkte mit dat Og' up den Burmeister hen, »den Bramwin hadden wi nu rut, wenn wi dat Geld man irst rute hadden.« – »Herr Notarius, schreiben Sie!« säd de Burmeister ruhig un en beten sihr von baben dal un wis'te mit den Finger up sinen Platz. »Der Tagelöhner Regel wird vorgeführt, zur Wahrheit ermahnt und sagt aus.« – »Herr Bürgermeister«, sprung Axel nu up, »ich weiß nicht, was diese Branntweinsgeschichte mit meinem Gelde zu tun hat. Der Kerl hat es gestohlen!« – »Grade das«,[370] säd de Burmeister ungeheuer ruhig, »wollte ich nur wissen, ob er's gestohlen oder besser – unterschlagen hat und ob er über haupt in der Verfassung war, so etwas zu begehn«, un gung an den jungen Herrn ran un säd sihr fründlich, äwer ok sihr bestimmt: »Herr von Rambow, ein Dieb, der 2000 Taler stehlen will, betrinkt sich nicht vorher. – Übrigens muß ich Ihnen sagen, daß ich als Richter nicht bloß Ihre Interessen, sondern auch die des Angeklagten zu verfolgen habe.«

De Daglöhner Regel kamm herin, hei was dodenbleik; äwer de Angst, de hüt nahmiddag den ollen Inspekter genäwer ut sin ganzes Wesen sprok, hadd em verlaten, hei sach fast ut as olles Eikenholt, an dat sick kein Worm wagt. Hei gestunn in, dat hei tau Hus all Bramwin drunken hadd, in Rahnstädt noch mihr, dat hei Klock nägen noch bi den Kopmann west was, dunn bi sine Fründschaft in Rahnstädt de Nacht un gegen Klock söß de Landstrat nah Rostock tau nahgahn was; äwer dorbi blew hei: bi den Galliner Holt hadden em twei Kirls dat Geld mit Gewalt afnamen. – Wildeß de letzte Utsag tau Protokoll namen würd, gung de Dör up, un de junge Daglöhnerfru stört'te up ehren Mann los – denn so streng polizeilich-gerichtlich is dat nich bi unsere meckelnbörgschen Patrimonialgerichte – un föll em in den Arm: »Jochen! Jochen! Hest du Fru un Kinner för ümmer unglücklich makt?« – »Marik! – Marik!« rep de Mann, »ick heww't nich dahn. Min Hän'n sünd rein. Heww ick äwerall meindag' stahlen un namen?« – »Jochen!« rep de Fru, »segg de Wohrheit vör de Herrn!« – In den Daglöhner sine Bost arbeit'te dat, düsterrod flog em dat äwer dat Gesicht; äwer mit en Mal was hei wedder dodenblaß un smet so en schuen, unsäkeren Blick up de Fru: »Marik, heww ich allmeindag' wat stahlen un namen?« – De Fru let ehre Hän'n von sine Schullern dalsacken: »Ne, Jochen, dat hest du nich! Dat best du würklich nich! – Äwer du lüggst, du hest mi all öfter wat vörlagen.« – Sei böhrte ehre Schört an de Ogen un gung ut de Dör; Hawermann gung achter ehr her. – Ok de Daglöhner würd afführt.[371]

De Burmeister hadd de Tausamenkunft von Mann un Fru nich stürt, 't was nich in de Ordnung, äwer't kunn em en Faden in de Hand gewen, an den hei de Wohrheit an't Licht trecken kunn. Axel was bi de Fru ehr Würd' »Du lüggst, du hest mi all öfter wat vörlagen« upsprungen un gung in de Stuw' hastig up un dal, em slog dat Gewissen, hei wüßt ok nich, worüm hüt abend grad, hei wüßt blot, stahlen un namen hadd hei ok nicks, äwer lagen hadd hei all vördem. Äwer so is dat in de Seel von einen Minschen, de nich uprichtig is, sogor in den sülwigen Ogenblick, in den em dat Gewissen rührt is, lüggt hei sick tau sinen Vurtel wedder wat vör. Sin Fall was jo en ganz andern Fall as den Daglöhner sin, hei hadd jo blot en beten de Unwohrheit seggt tau Gunsten von sine Fru, dat sei nich in Unrauh kamen süll, de Daglöner äwer hadd lagen, üm ungerechtes Gaud an sick tau rapen.

Ja, Herr von Rambow, so bliwen Sei man bi, denn kann de Düwel noch mal en recht schönen Aust an Sei hollen! –

Slus'uhr hadd sin Protokoll tau En'n schrewen un gung wedder dummdrist up Axeln tau: »Ja, Herr von Rambow, wer da lügt, der stiehlt auch.« – Dat was 'ne entfamte Red' för Axeln sine ogenblickliche Stimmung, taumal dor hei genau wüßt, wo dicht Slus'uhren sin Geschäft bi't Stehlen lagg; hei verwunnerte sick nich blot, ne! hei verfirte sick ordentlich äwer den Kirl sine Frechheit. – Dat hadd hei nu äwer woll nich dahn, wenn hei wüßt hadd, wat de Lüd' sick von den Herrn Notorjus vertellen deden.

De Lüd' vertellten sick nämlich, den Herrn Notorjus sin leiw' Vatting hadd em as lütten Jungen an den Großherzog von Meckelnborg as Löper verköpen wullt un hadd em tau desen Zweck von den Herrn Dokter un Zichurjus Kohlmann tau Nigenbramborg de Milz utsniden laten wullt, dat hei dornah beter lopen süll; äwer de Herr Dokter, de süs allens weit un von unsern Herrgott utdrücklich as Minister »der auswärtigen Allweisheit« för Nigenbramborg inset't is, hadd in 'ne slichte Stun'n, wo em de Ogen en beten äwergahn wiren, staats de Milz dat Gewissen utsneden, un nu müßte Slus'uhr mit de[372] Milz un ahn Gewissen in de Welt herümmer lopen, nich as Löper, ne! as Notorjus.

För den Ogenblick was hir för den Richter nicks wider tau maken; de Tügen, den Daglöhner sine Fründschaft, de em tauletzt seihn hadden, wiren nich tau Hand, un de Burmeister ordnierte dat an, dat de Gefangene dese Nacht noch in Pümpelhagen in Verwohrsam bliwen un den annern Dag nah Rahnstädt bröcht warden süll. – »Dann soll er hier unter dem Herrnhause in den Vorkeller gebracht werden«, säd Axel tau Hawermannen, de wedder rin kamen was. – »Herr von Rambow«, säd Hawermann, »wär's nicht besser, ihn in der Kammer des Wirtschaftshauses zu lassen, es sind dort eiserne Gitter ...« – »Nein«, säd Axel scharp, »im Keller sind auch eiserne Gitter; ich wünsche Kollusionen zu vermeiden, die im Wirtschaftshause vorkommen könnten.« – »Herr von Rambow, ich habe einen leichten Schlaf, und wenn Sie's befehlen, kann ja auch noch ein zuverlässiger Mensch an der Türwachen.« – »Was ich befohlen habe, habe ich befohlen. Die Sache ist mir denn doch zu wichtig, als daß ich sie Ihrem leichten Schlaf und einem Kameraden des Spitzbuben anvertrauen möchte.« – Hawermann kek em fragwis' an un säd: »Wie Sie befehlen«, un gung ut de Dör.

De Klock was gegen teihn worden, dat Abendbrod stunn all lang' up den Disch, Marie Möllers hadd Stein un Bein sworen, de braden Krutschen verbrennten ehr heil un deil; Frida was ok verdreitlich äwer dat lange Ruthängen von dat Abendbrod un hadd blot in Franzen sine Unnerhollung en beten Geduld fat't, dunn kemen de Gerichtsherrn endlich, un Frida in ehre frische Wis' gung up den Burmeister tau un frog: »Nicht wahr? Er hat's nicht gestohlen?« – »Nein, gnädige Frau«, säd de Burmeister mit ruhige Bestimmtheit, »der Tagelöhner hat's nicht gestohlen, aber es ist ihm gestohlen worden, oder er hat's verloren.« – »Gott sei Dank!« rep sei ut vullen Harten, »daß der Mann kein Dieb ist! Der Gedanke, unehrliche Leute auf dem Gute zu haben, wäre für mich schrecklich gewesen.« – »Du glaubst doch wohl nicht,[373] daß unsere Leute besser sind als alle anderen? Es ist das eben solche Bande wie auf andern Gütern, sie stehlen alle«, antwurt'te Axel. – »Herr von Rambow«, säd Hawermann, de ok taum Abendeten rinne kamen was, »unsere Leute sind ehrlich, ich bin lange genug hier, um davon überzeugt zu sein. In der ganzen Zeit ist kein Diebstahl vorgekommen.« – »Ach, das haben Sie mir schon immer gesagt, und nun haben wir's ja – nun haben wir's ja! – Meine törichte Leichtgläubigkeit bringt mich um zweitausend Taler. Und wenn Sie die Leute denn so genau kennen, warum bestellen Sie mir gerade diesen Menschen?« – Hawermann kek em grot an. »Wie es scheint«, säd hei, »wollen Sie mir die Schuld in die Schuhe schieben, aber wenn hier ein Versehen passiert ist, so nehme ich es nicht auf mich. Es ist wahr«, set'te hei hastiger hentau, un de Arger steg em rod in't Gesicht, »ich habe diesen Mann bestellt; aber nur darum, weil Sie sich desselben stets als Boten bei Geldsendungen bedient haben; er ist schon mehr als zehnmal von Ihnen nach Gürlitz geschickt, und hier der Herr Notarius kann bezeugen, wie oft er bei ihm auf solchen Gängen gewesen ist.« – Frida kek bi dese Würd' hastig nah Slus'uhren räwer, un den Herrn Notorjus sine Ogen hadden sick up ehr richt't; sei säden beid' nicks, un so verschieden ok ehre Gedanken wiren, dat was doch so, as wenn sei beid' enanner in de Seel lesen kunnen. Frida les' ut de heimliche Schadenfreud' in den Notorjus sine Ogen, dat hei en Hauptfind wir von ehren Glück, un de Notorjus les' ut de kloren, klauken Ogen von de junge Fru, dat sei de Hauptstein wir, de sinen un Pomuchelskoppen sinen Plan in den Weg' lagg. – Axel wull 'ne hastige Antwurd up den Inspekter sine Red' gewen, hei verslot sick äwer de Mund, as hei den ollen Mann sinen fasten Blick un nahsten Frida'n ehren frag'wisen up sick liggen sach. – Slus'uhr sweg ok un lagg up de Lur, denn hei was de einzigst, de dörch den Durn, de so bi Lütten in desen Goren upschaten was, dörchseihn kunn, un nu lagg hei achter den Durn un lurte, wat em nich en Has' in den Weg lep. So wiren denn de Justiziarius un Franz allein dejenigen,[374] de keine Ahnung dorvon hadden, dat Hawermann mit sine hastigen Würd' 'ne grote Verdreitlichkeit anrührt hadd, un sei allein set'ten denn ok de Unnerhollung bi Disch furt. – As sei von Disch upstahn wiren, gungen sei utenanner; de Justiziarius blew de Nacht dor.

Allens slep in Pümpelhagen, blot twei Por Eh'lüd wakten noch; dat ein Por was de Herr von Rambow mit sine Fru, dat anner Por was de Daglöhner Regel mit sine Fru. – Dat ein Por satt dicht tausam in 'ne warme Stuw', un de Nacht was so still üm ehr rümmer, dat einer woll Lust krigen kunn, sin Hart mal uttauschüdden, woll Maud, mal de Wohrheit tau seggen. – Äwer't was nich. – Frida redte ehren Mann so warm un indringlich tau, hei süll't ehr ingestahn, sei wüßt't nu jo doch all, dat hei in grote Geldverlegenheiten wir; sei wullen sick inschränken, äwer de Geschäften mit Pomuchelskoppen un Slus'uhren süll hei upgewen; hei süll doch mit Hawermannen reden, de würd den rechten Weg weiten. – Bi Axeln was allens man halw; lei log nich gradtau, hei säd äwer ok nich de Wohrheit. Dat hei in ogenblickliche Verlegenheit was, wull hei nich striden, denn wenn einen 2000 Daler stahlen würden, kem einer woll in Verlegenheit; hei hadd jo ok noch bet dorhen nicks utdöscht, hadd also jo nicks verköpen kunnt – dat hei all en schönen Posten Weiten vörweg verköfft un't Geld dorför kregen hadd, säd hei nich. – Wat hei mit Pomuchelskoppen un Slus'uhren tau dauhn hadd – von Daviden säd hei nicks –, kunn em nich schaden, dat wiren olle, afgemakte Geschichten – von den nigen Pump bi Pomuchelskoppen säd hei nicks –, un de Lüd' wiren gegen em ümmer anständig west; äwer mit Hawermannen – un hir würd hei taum irsten Mal iwrig –, mit sinen Inspekter künn hei sick in Geldsaken nich beraden, dat paßte sick nich vör em as Herrn. Axel log nich gradtau, un as hei sinen Arm üm sine Fru slog un ehr säd, dat würd all wedder gaud warden, säd hei ok de Wohrheit, denn in den Ogenblick glöwte hei dat sülwst. Sei gung mit sworen Harten von em.

Dat anner Por satt nich in 'ne warme Stuw'; de Daglöhner[375] lagg in den kollen Keller, un sine Fru lagg buten up de Knei vör dat Kellerfinster in den finen, kollen November-Regen, sei seten nich dicht tausam, tüschen ehr schowen sick iserne Trallingen. – »Jochen«, flusterte sei dörch de intweiige Finsterrut, »segg de Wohrheit.« – »Sei hewwen't mi afnahmen«, was de Antwurd. – »Jochen, wer?« – »Je, weit ick't?« säd hei un säd de Wohrheit; hei wüßt nich, wat dat för en Frugensminsch west was, de em dat swarte Paket an den hellen, lichten Morgen up de apne Landstrat ut de Westentasch treckt hadd, as hei, noch oltdun von den gistrigen Dag un wedder andunt von en por Sluck up den nüchternen Magen, den Weg nah Gallin tau tummelt was. – Hei log nich, äwer de Wohrheit kunn hei nich seggen; wo kunn hei woll ingestahn, dat em, den jungen, forschen Kirl, en Frugensminsch 2000 Daler up de apenbore Landstrat afnamen hadd? Dat kunn hei nich, un wenn't sin Lewen kost't hadd. – »Jochen, du lüggst! Wenn du mi nich de Wohrheit seggen willst, so segg sei doch unsern ollen Inspekter.« – Ne, den vör allen kunn hei de Wohrheit nich seggen, den hadd hei't mal verspraken, nich wedder tau leigen, un de hadd em so indringlich vermahnt – den kunn hei't nich seggen. – »Marik, hal mi min Stemmisen, un hal mi en por Daler Geld.« – »Jochen, wat willst du?« – »Ick will weg.« – »Jochen, Jochen! un du willst mi mit de Wörm hir sitten laten?« – »Marik, ick möt weg; oder't geiht allmeindag' nich gaud.« – »Jochen, segg de Wohrheit, un't ward all wedder gaud.« – »Wenn du mi dat Stemmisen un dat Geld nich halst, denn möt ick mi dese Nacht dat Lewen nemen.« – Un hir würd ok so vel beden un red't un dahn as baben in de warme Stuw'; äwer de helle Wohrheit wull nich rute kamen, hir nich as dor nich, sei würd hir as dor von den Schimp taurügghollen, unäwerleggte un anrüchige Dahten frisch intaugestahn, un ok hir gung de Fru mit sworen Harten von den Mann.

Den annern Morgen was dat irste, wat ganz Pümpelhagen in Upruhr bröcht', de Nahricht, dat de Daglöhner Regel utbraken un weglopen wir. De Justiziarius makte sine Anstalten,[376] üm em wedder habhaft tau warden, un führte mit den Herrn Notorjus nah Hus. – Axel was wütig, keiner wüßt worüm, äwer hei was't woll up sick sülben un doräwer, dat hei de Schuld nich up en annern schuwen kunn, indem dat hei dat sülwst anordniert hadd, dat de Kirl in den Keller spunnt warden süll.

Taum Frühstück kamm Pomuchelskopp, üm sick de Sak tau befragen, von de hei hürt hadd, as hei säd. Sine Begrüßung mit Franzen was frömd un käuhl, desto fründlicher würd hei von Axeln upnamen. Hei wüßte vel tau vertellen dorvon, dat de Gerichten vel tau glimplich mit den gemeinen Mann ümgüngen un dat de Burmeister in Rahnstädt vel tau gaud gegen de Spitzbauwen wir; hei vertellte Deiwsgeschichten, de em sülwst un sine Bekannten passiert wiren, un slot tauletzt dormit, dat hei säd: hei glöwte nu frilich ok, ebenso as Hawermann, dat de Kirl dat nich dahn hadd. »Dat heit«, set'te hei hentau, »hei hett dat nich ut sick sülben dahn, hei kann blot von en annern dortau anstift't sin, denn dat wagt kein Daglöhner, 2000 Daler, de em anvertrugt sünd, tau stehlen; dor möt en Kläukern achter steken. – Und darum«, säd hei, »rate ich Ihnen, Herr von Rambow, auf die Leute ein Auge zu haben, die die Flucht des Tagelöhners begünstigt haben können oder die überhaupt nur seine Partie nehmen.« – Axeln sin Gemäud was dörch den Verlust un dörch den Arger schön in de ruge Fohr leggt, un wat för en Saatkurn dorinne föll, un was't ok Radel un Dresp, dat müßt dor schön in kinen. Hei gung in de Stuw' up un dal; ja, Pomuchelskopp hadd recht, hei wir en ollen Praktikus, de de Welt kennte, dat heit de landwirtschaftliche; äwer wer kunn mit Regeln in so 'ne Sak äwerein sin? – Hei wüßte keinen. Wer hadd Regeln sine Parti namen? – Dat was Hawermann west, de hadd utdrücklich tauirst seggt, hei würd dat Geld woll verluren hewwen. Äwer hei hadd sick jo bi de irste Nahricht an den Kirl handgriplich vergrepen? – Na, dat kunn ok afkort't Spill sin. Un worüm hadd hei dörchut wullt, dat de Daglöhner dicht neben sine Stuw' in de Kamer sitten süll? –[377] Villicht, dat hei mit em verkihren, villicht, dat hei em up dese Wis' beter furthelpen kunn?

Dat wiren för jeden verstännigen Mann dämliche Gedanken; äwer de Düwel is »ein feiner Mann«, hei söcht sick nich de Klauken im Starken ut, wenn hei sinen Radel un Dresp in de ruge Fohr seien will, hei nimmt sick de Dummen un Swacken.

»Was hat Ihr Inspektor da mit der Frau?« frog Pomuchelskopp, de an't Finster treden was. – »Das ist ja Regelsch«, säd Franz, de bi em stunn. – »Ja«, rep Axel hastig, »was hat er mit ihr? Das möchte ich wissen.« – »Das ist sehr sonderbar«, säd Pomuchelskopp.

Up den Hoff stunn Hawermann mit de Daglöhnerfru un red'te ehr ogenschinlich up wat tau; sei strüwte sick, äwer tauletzt gaww sei nah un gung mit em up dat Herrnhus tau. Sei kemen in de Dör, in de Stuw' herin. – »Herr von Rambow«, säd Hawermann, »die Frau hat es mir eben eingestanden, sie hat ihrem Manne in dieser Nacht fortgeholfen.« – »Ja, Herr«, säd de Fru un bewerte an Hän'n un Fäuten, »ick heww't dahn, ick bün dor schüllig an; äwer ick kunn nich anners, hei wull sick süs dat Lewen nemen«, un nu stört'ten de Tranen ehr ut de Ogen, un sei namm de Schört vör't Gesicht. – »'ne saubere Geschichte!« rep Axel hart, de doch süs so gaudmäudig was, »'ne saubere Geschichte! Dies scheint ja ein ordentliches Komplott zu sein!« Franz gung an de Fru heranne, treckte sei up en Stauhl dal un frog: »Regelsch, hett hei Ehr denn nich ingestahn, wo hei mit dat Geld blewen is?« – »Ne, jung' Herr, hei hett mi nicks seggt, un wat hei säd, wiren Lägen; dat weit ick; äwer namen hett hei't nich.« – »Wie kommen Sie dazu«, fohrte Axel up Hawermannen in, »mit der Frau ohne meinen Befehl ein Verhör anzustellen?« – Hawermann verstutzte sick äwer dese Frag', äwer noch mihr äwer den Ton, in den sei stellt würd. »Ich glaubte«, säd hei tauletzt ruhig, »daß es gut sein würde, zu erfahren, wie und wann der Gefangene ausgebrochen ist, um einen Fingerzeig für seinen jetzigen Aufenthaltsort zu erhalten.« – »Oder auch[378] Fingerzeige zu geben!« rep Axel un dreihte sick rasch üm, as hadd hei wat dahn, wat em dür tau stahn kamen kunn. – So slimm, as hei mit Recht fürchten kunn, würd nu frilich de Sak nich, denn den Sinn von de Würd' verstunn Hawermann nich, hei hürte blot den Ton, äwer dat was all naug, üm em mit den irnsthaftesten Nahdruck seggen tau laten: »Was Sie mit Ihren Worten sagen wollen, weiß ich nicht, ist mir auch gleichgültig; aber die Art und Weise, in der Sie gestern abend und heute morgen zu mir gesprochen haben, nehme ich nicht von Ihnen an. – Gestern schwieg ich aus Rücksicht vor der gnädigen Frau, in der Gesellschaft von heute morgen aber« – dorbi kek hei Pomuchelskoppen an – »brauche ich solche Rücksichten nicht zu nehmen«, un dormit gung hei ut de Dör, de Daglöhnerfru folgte. – Axel wull em nah; Franz tred em in den Weg: »Was willst du, Axel? Besinne dich doch! Du hast schuld, du hast den alten Mann ärger gekränkt, als er überhaupt ahnt.« – Dat wir en stark Stück, säd Pomuchelskopp, as wenn hei mit sick sülwst red'te, för en Inspekter wir dat en stark Stück; äwer hei müßte maken, dat hei nah Hus kem, säd hei un rep ut dat Finster nah sin Pird. – Hei hadd't jo nu all recht schön in'n Gang' bröcht.

Dat Pird kamm, Axel begleit'te sinen Herrn Nachboren ut de Dör; Franz blew in de Stuw'. – »Gewiß ein sehr guter Mann, Ihr Herr Vetter!« säd Pomuchelskopp, »aber er kennt die Welt noch nicht; weiß noch nicht, was sich für den Herrn schickt und was für den Diener.« – Dormit red hei af.

Axel kamm rinne in de Stuw' un smet de Mütz, de hei sick wegen den käuhlen Morgen upset't hadd, in de Sofaeck un rep: »Verdammte Spitzbubengeschichte! Hol' der Teufel den ganzen Kram, wenn man sich auf keinen Menschen mehr verlassen kann!« – »Axel«, säd Franz un gung fründlich tau em ranne, »du tust deinen Leuten bitteres Unrecht an, du tust dir selbst unrecht, lieber Bruder, wenn du bei deinem wohlwollenden Herzen dich in einen so ungerechten Haß hineinarbeitest.« – »Ungerecht? Was? – Mir sind 2000 Taler[379] gestohlen ...« – »Sie sind dir verloren gegangen, Axel, durch leichtsinnige Schuld eines Tagelöhners.« – »Ach was, verloren!« rep Axel un dreihte sick von em af, »komm du mir mit demselben Märchen wie mein Herr Inspektor!« – »Axel, alle verständigen Leute sind dieser Meinung, der Bürgermeister sagte selbst ...« – »Ach schweig mir von der alten Schlafmütze! Ich sollte nur die Untersuchung geführt haben, dann sollte schon was anderes zu Raum gekommen sein; ja, wenn ich heute morgen bloß die Frau zuerst vorgekriegt hätte, dann sollte ihre Aussage ganz anders lauten; aber so? – Oh, 's ist ja reine Durchstecherei!« – »Hör mal, Axel, du machtest vorher schon einmal eine Anspielung«, rep Franz scharp un bestimmt, »zum Glück wurde sie nicht verstanden, nun machst du sie zum zweiten Male, und ich für mein Teil muß sie verstehen.« – »Nun, dann versteh' sie; ohne genügenden Grund ist sie nicht gemacht.« – »Und solche Andeutung wolltest du vor deinem Gewissen vertreten? Du wolltest in deiner ungerechten Aufwallung mit frevelhaftem Übermut einen Schmutzfleck auf ein sechzigjähriges ehrenhaftes Leben werfen?« – Dat treckte Axeln an un käuhlte em en beten af, un hei säd, verdreitlich, dat sine künstliche Wut nich wider vörhollen wull: »Ich habe nicht gesagt, daß er's getan hat; ich habe nur gesagt, er könnte es getan haben.« – »Der Verdacht«, säd Franz kolt, »ist ebenso schlimm wie der andere; für dich ebenso schlimm wie für den alten Mann. – Besinne dich doch, Axel!« säd hei indringlicher un läd den Vetter de Hand up de Schuller, »wie lange ist der alte Mann nicht deinem Vater und dir ein treuer, aufrichtiger Verwalter gewesen? – Mir«, set'te hei stiller för sick hentau, »war er mehr, mir ist er Freund und Lehrer gewesen.«

Axel gung up un dal, hei fäuhlte sin Unrecht – taum wenigsten in desen Ogenblick –, äwer dat fri un frank intaugestahn, dat hei sine eigenen Dämlichkeiten un Unwohrheiten einen annern ungerechter Wis' in de Schauh hadd schuwen wullt, dortau fehlte sine Seel de helle Maud, hei fung an, mit sick tau schachern un tau handeln un grep nah de Utkunft, nah wecker[380] de Swacken un Unrechtfarigen ümmer gripen: hei spelte den Strid in den Gegner sin Lager äwer, as hei naug mit sick schachert hadd. – De reine Wohrheit ward noch bet up dese Stun'n tau jeder Tid in 'ne swacke Minschenseel för dörtig Sülwerling' verschachert.

»Oh, dir«, säd hei, »dir wird er ja wohl noch mehr sein.« – »Wie meinst du das?« frog Franz un dreihte sick rasch nah em üm. – »Oh«, säd Axel, »weiter nichts! – Ich meinte nur: du wirst ihn ja wohl nächstens ›Papa‹ nennen.« – 't lagg 'ne Nichtswürdigkeit in dese Red', 't lagg de Absicht dorin, den Mann tau kränken, de de Wohrheit gegen em uprecht erhollen hadd; 't was de Smutz, de em bi Pomuchelskoppen anhackt was; düsterrod got dat Franzen äwer. Sin stillstes, heiligstes Geheimnis was an dat Licht bröcht, bi dese verdreitliche Gelegenheit, up dese Ort an dat Licht bröcht, de höhnsche Absicht lagg tau Dag'. Düsterrod schot em dat Blaud dörch dat Gesicht, un wildeß hei sick faten ded, säd hei kort: »Das gehört nicht hierher.« – »Warum nicht?« säd Axel; »das erklärt wenigstens die Wärme, mit der du deinen Herrn Hawermann verteidigst.« – »Der Mann braucht nicht verteidigt zu werden, sein ganzes Leben verteidigt ihn.« – »Und seine schöne Tochter«, säd Axel un gung in grote Schritten un groten Triumph up un dal. – In Franzen sine Seel gärte dat up; äwer hei bedwung sick. »Kennst du sie?« frog hei ruhig. – »Ja – nein – das heißt, ich habe sie gesehen: ich habe sie im Pastorhause gesehen, und sie ist öfters hier bei meiner Frau gewesen, und diese ja auch wohl bei ihr; ich kenne sie bloß von Ansehn: ein hübsches Mädchen, ein sehr hübsches Mädchen, auf Ehre! Sie fiel mir als Kind schon auf dem Begräbnis meines Vaters auf.« – »Und als du erfahren hattest, daß mir das Mädchen lieb sei, hast du da nicht ihre nähere Bekanntschaft gesucht?« – »Nein, Franz, nein! Wozu? Ich wußte ja doch, daß aus dieser Partie im Leben nichts werden konnte.« – »Dann hast du freilich mehr gewußt als ich.« – »Oh, ich weiß noch mehr, ich weiß, wie man dich geködert und gekirrt hat und daß man noch immer[381] damit umgeht, dir bei Gelegenheit das Seil über die Hörner zu werfen.« – »Und von wem weißt du denn dies alles? – Doch was frage ich da lange! Solche bübische Klätschereien können in der ganzen Gegend nur in einem Hause ausgebrütet werden. – Aber da nun einmal zwischen uns die Rede darauf gekommen ist, so will ich dir nur frei eingestehen, daß ich allerdings die Absicht habe, das Mädchen zu heiraten, d.h. wenn sie mich nicht aus schlägt.« – »Sie wird sich wohl hüten! Sie wird sich wohl hüten!« rep Axel un sprung dormit in de Stuw' vör Arger rümmer. »Und diese Torheit willst du begehen? Und diesen Affront willst du mir antun?« – »Axel, sieh nach deinen Worten!« rep Franz, bi den de helle Arger taum Utbruch kamm. »Was geht dich die ganze Sache an?« – »Was? Mich, als den Ältesten unsers alten Geschlechtes, sollte es nichts angehn, wenn es von einem jüngeren Mitgliede desselben durch eine Mißheirat beschimpft wird?« – Noch einmal bedwung sick Franz un säd: »Du hast selbst nach reiner Neigung geheiratet und hast dabei nicht auf Nebendinge geachtet.« – »Das ist etwas anderes!« rep Axel von baben 'runne, de nu glöwte, Äwerwater tau hewwen: »Meine Frau ist mir gleichgeboren, ist die Tochter eines alten Hauses; deine Liebste ist die Tochter meines Inspektors, aus Gnade und Barmherzigkeit von den Predigerleuten angenommen.« – »Schäme dich!« rep Franz in helle Wut, »eine Unschuldige ein großes Unglück entgelten zu lassen!« – »Ist mir ganz gleich!« brus'te Axel up, »ich will nun einmal nicht die Tochter meines Inspektors Cousine nennen; die Dirne soll mir mit keinem Fuß über die Schwelle.« – All dat Blaud, wat em noch vör en Ogenblick dörch Gesicht un Adern gläuhte, drängte sick bi Franzen taum Harten, bleik stunn hei vör sinen Vetter un säd mit 'ne Stimm, de vör inwendige Upregung bewern ded: »Du hast es gesagt. Du hast ein Wort gesagt, was uns scheidet. Luise soll deine Schwelle nicht betreten, aber ich auch nicht.« – Dormit gung hei; in de Dör begegnete em Frida, de den Strid in de Nebenstuw' hürt hadd: »Franz, Franz, was ist Ihnen?« – »Leben Sie wohl, Frida«, säd hei[382] mit 'ne hastige Stimm un gung ut de Dör nah dat Wirtschaftshus tau.

»Axel«, rep Frida, as sei up ehren Mann losgung, »was hast du getan? Was hast du getan?« – »Einem jungen Menschen«, säd Axel un gung mit grote Schritten in de Stuw' up un dal, as hadd hei mit en groten Sieg in de verkihrte Weltordnung ingrepen un sei wedder in de Richt bröcht, »einem jungen Burschen, der sich an ein glatt Gesicht verplempern will, habe ich seinen Standpunkt klar gemacht.« – »Und das hast du gewagt?« säd Frida un sackte blaß up en Stauhl un sach mit grote, klore Ogen ehren Mann sinen Triumphzug dörch de Stuw' an. »Du hast es gewagt, deinen kleinen Geburtsstolz zwischen die großen Erregungen zweier edlen Herzen zu schieben?« – »Frida«, säd Axel un wüßt recht gaud, dat hei unrecht dahn hadd, un dat Gewissen slog em; äwer hei kunn't jo doch nich ingestahn, »ich glaube, meine Pflicht getan zu haben.« – Un dat kann sick einer marken, wenn hei will: de Lüd', de meindag' ehr Pflicht nich dauhn, de stiwen sick am meisten up dit Wurd. – »Oh«, rep Frida un sprung up, »und hast ein biederes, braves Herz bis zum Tode verwundet! – Axel«, bed sei un läd em de beiden folgten Hän'n up de Schuller, »Franz ist ins Wirtschaftshaus gegangen, geh ihm nach, mach wieder gut, was du schlimm gemacht hast, bring ihn wieder zu uns zurück.« – »Ich soll ihm wohl in Gegenwart meines Inspektors Abbitte tun? – Nein, das wollen wir denn doch lieber nicht tun! Oh, es ist köstlich!«, un hei arbeit'te sick wedder künstlich in 'ne Wut herinne, »mir werden 2000 Taler gestohlen, mein Herr Inspektor meistert mich, mein Herr Vetter steht seinem lieben Schwiegerpapa bei, und nun schlägt sich meine eigene Frau auch noch zu der Gesellschaft!« – Frida kek em an, let ehre Hän'n los, smet sick en Schawl äwer de Schuller un säd: »Wenn du nicht willst, dann will ich«, gung ut de Dör un hürte em blot noch raupen: »Ja, geh nur! geh nur! Aber der alte Schleicher soll mir aus dem Hause!«

As sei äwer den Hoff gung, würd Franzen sin Wagen all anschirrt,[383] un as sei in de Inspekterstuw' kamm, hadd Hawermann grad tau den jungen Herrn seggt: »Herr von Rambow, Sie werden das vergessen. Sie haben Ihr Leben bisher in unserm engen Kreise zugebracht; wenn Sie auf Reisen gehen – was ich ganz recht finde –, dann werden Ihnen andere Gedanken kommen. – Aber, lieber Franz«, säd de oll Mann so recht tautrulich in Erinnerung von früheren Tiden, »setzen Sie mir das Herz meines Kindes nicht in Unruhe.« – »Nein, Hawermann«, säd Franz grad, as de junge Fru in de Stuw' tred. – »Lieber Himmel!« rep Hawermann, »ich habe etwas draußen vergessen. Sie entschuldigen, gnädige Frau!« Dormit gung hei ut de Stuw'.

»Immer rücksichtsvoll, immer bescheiden!« säd Frida. – »Ja, das ist er«, säd Franz un kek den ollen Mann nah. De Wagen führte vör, äwer hei müßte noch lang' hollen: de beiden hadden noch vel mitenanner tau bereden, un as tauletzt Franz in den Wagen steg, dunn wiren de junge Fru ehre Ogen rod, un ok Franz drückte 'ne Tran taurügg. »Grüßen Sie den alten, braven Mann!« säd hei. »Und grüßen Sie auch Axel!« set'te hei stiller hentau, as hei ehr de Hand drückte. – De Wagen führte furt.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 368-384.
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