Kapittel 26

[384] Fru Nüßlern verfat't 'ne Idee, un ehr Lehnstauhl gnarrt dortau, Bräsig pflicht ehr äwer bi, un sei möt derentwegen mit Rudolfen nah Pümpelhagen. Wat de Fru von Rambow un de Herr von Rambow tau desen Besäuk säden. – Gottlieb un Jung'-Jochen reisen nah Pomuchelskoppen, un Jung'-Jochen unnerschriwwt sick. Kutscher Krischan prophenzeit un prophenzeit richtig. – Daß du die Nase ins Gesicht behältst! – Lining fött Gottlieben rundting üm un meint, sei hett 'ne Pogg in den Arm. – Jochen sin Näs' kümmt in de Waterkunst, un Bräsig swört, Pomuchelskoppen so tau traktieren as lütt David den Riesen Goliath.


Jung'-Jochen satt in de Abeneck un rokte Toback, Jung'-Bauschan lagg unner sinen Stauhl, äwer mit den Kopp so wid vör, dat hei Jung'-Jochen anseihn kunn. – Jung'-Jochen kek em wedder an, säd äwer nicks, un Bauschan säd ok nicks. 't was recht still un rauhig in den Rexowschen Hus' an desen[384] Dezember-Nahmiddag, un blot einer was in de Stuw', de gnägelte un gnarrte in einen furt, dat was Fru Nüßlern ehr Korflehnstauhl, up den sei an't Finster satt; un jedesmal, wenn sei 'ne Masch ümslog, makte hei sine Anmarkung dortau; wat em nich tau verdenken stunn, denn sei drückte em äwermaten, indem dat sei mit de Tid dat worden was, wat einer en kumplettes Frugenstimmer näumen deiht. – Hüt gnarrte de oll Stauhl äwer düller as süs, denn Fru Nüßlern hadd sick in deipe Gedanken rinner knüt't, un de Gedanken würden ümmer lewiger in ehr un drückten ehre Seel un den Stauhl, un de oll Stauhl gnarrte ümmer düller. – »Ach Gott«, säd sei un läd de Knütt in den Schot, »worüm möt dat so in de Welt sin, dat einen sin Unglück den annern sin Glück warden kann! – Jochen, weitst du, woran ick eben dacht heww?« – »Ne«, säd Jung'-Jochen un kek Bauschanen an, Bauschan wüßt't ok nich. – »Jochen«, säd sei, »wat meinst du dortau, wenn Gottlieb sick tau de Gürlitzer Parr mellen ded? – Gottlieb is jo gegen den ollen Herrn Paster en wohres Wittenslicht; äwer einer kriggt de Parr jo doch, worüm wir hei denn nich ebenso gaud as jeder anner?« – Jochen säd nicks. – »Wenn Pomuchelskopp em ok entgegen wir, uns' Lüd' un de Warnitzer wählen em, 't kem also blot up den Pümpelhäger Herrn an. – Wat seggst du, Jochen?« – »Je«, säd Jochen, »'t is all so, as dat Ledder is«, un wil em de Sak doch ungeheuer angripen ded, red'te hei noch wider un säd: »Wat sall einer dorbi dauhn?« – »Ach«, säd Fru Nüßlern, »mit di is nich tau reden. Ick wull, Bräsig wir man hir, de künn en Rat gewen«, un knüt'te förfötsch wider.

»Na«, rep sei nah 'ne halw Stun'n, »wenn einer von den Wulf red't, denn is hei nich wid; dor kümmt Bräsig up den Hoff tau führen. – Un wen hett hei bi sick? Rudolfen – nu denk mal eins, Rudolfen! Wo kümmt Rudolf hüt hirher? – Jochen, nu dauh mi äwer den einzigen Gefallen – de oll Jung' schickt sick so schön – nu stöt em ok nich mit dine velen ollen Redensorten vör den Kopp.« Dormit lep sei ut de Dör rute un namm de Gäst in Empfang.[385]

Äwer sei hadd sick doch tau sihr mit de Vörred uphollen, denn as sei rute kamm, lagg Mining all in Rudolfen sinen Arm. »Gott, du bewohre!« rep Fru Nüßlern, »Mining, man sachten!« un leddte Rudolfen in de Stuw' rinne. – »Na«, säd Jochen, »Bräsig, sett di en beten dal! – Rudolf, sett di ok en beten dal!« – Äwer dat gung nich so licht, Rudolf hadd mit Mining un Lining tau vel aftaumaken, as dat hei dat in'n Sitten prästieren kunn, un in Bräsigen sinen Kopp gung dat as in en Uhrwark, un hei rönnte in de Stuw' up un dal, as müßten de Beinen de Parpendikel för dat Babengehüs' afgewen. »Jung'-Jochen«, säd hei, »weißt was Neues? – Sie haben ihn nich gekriegt.« – »Wen?« frog Jochen. – »Mein Gott doch, Jochen«, säd Fru Nüßlern, »so lat Bräsigen doch utvertellen. Du föllst de Lüd' ümmer so – baff! – in de Red'; so lat sei doch utreden! – Bräsig, wen hewwen sei nich kregen?« – »Regeln«, säd Bräsig; »sie haben ihn nachgespört bis in die Wismer, da hat sich das aber befunden, daß da 'ne Eul gesessen hat, indem daß er da justement acht Tage vorher mit en swedschen Kalfaterschiff ausgerissen und in die Ostsee gestochen is.« – »Herre Jesus«, rep Fru Nüßlern, »wat möt minen Korl-Brauder dit för Elend maken!« – »Madam Nüßlern, da haben Sie recht: Korl is gor nich wiederzuerkennen, indem daß er sich vollständig insuliert hat un mit swore Gedanken umgeht. Es greift ihn die Sache hellschen an's Mager – nicht um seinentwillen – ne! um seinen Herrn seinentwillen, denn Sie sollen sehn, der junge Mensch wird sich über kurz oder lang öffentlich for insolent erklären müssen.« – »Dat wir Korlen sin Dod!« rep Fru Nüßlern. – »Was hilft das all?« säd Bräsig, »der junge Edelmann rungeniert sich mit wissentlichen Augen: er fängt nu mit die höhere Pferdezucht an. Denn, wie ich von den alten Prebberow weiß, hat er sich mit Lichtwarken insinuwiert, und der hat ihm einen Vollbluthengst angesnackt, der hinten Hasenhack und Spatt und vorn Sehnenklapp, kurz die ganze Musik an die Beinen hat, und dann hat er sich 'ne Vollblutstute mit Pauken und Trumpeten dazu angeschafft und will ja auch[386] Triddelfitzen seine olle dowe Tät kaufen, um en vollständig Pferdelazarett in Meckelnborg aufzurichten. Den kleinen Maulesel kriegt er zu – und darüber freu ich mir, denn das ist noch der einzige Vernünftige von der ganzen Gesellschaft.« – »Na, denn laten S' em, Bräsig; hei möt sin Gefohr stahn«, säd Fru Nüßlern, »äwer Jochen un ick red'ten irst von den jungen Herrn – Mining, du künnst woll mit Rudolfen en beten rute gahn! Un, Lining, du bliw en beten bi ehr!« – un as sei rute wiren, säd sei: »Bräsig, dit is wegen de Preisterstäd' in Gürlitz. Wenn Gottlieb de so krigen künn.« – »Madam Nüßlern«, säd Bräsig un höll sine beiden Parpendikel an un stunn vör Fru Nüßlern, as hadd de Klock vull slagen, »was Sie da eben sagen, is 'ne Idee, un kein Mensch auf der ganzen Welt is so fix in den Stand, 'ne Idee zu verfassen als die Frauensleut'. Wo haben Sie diese Idee her?« – »Ganz von sülben«, säd Fru Nüßlern, »denn Jochen stimmt mit mi jo up Stun'ns gor nie nich äwerein; hei hett in so 'ne Saken ümmer Wedderwürd'.« – »Jochen, sweig rein still!« säd Bräsig, »du hast unrecht; denn diese Ansicht von deiner lieben Frau hat Hand und Fuß. – For Warnitz stehe ich ein; die Leute wählen meinen Pasterkannedaten, und wenn sich mein gnedigst Graf un Gräfin auf den Kopp stellen; for Rexow büst du da, Jung'-Jochen; Pomuchelskopp tut's nich, schon aus Schawernack; aber das schad't nich, auf die Pümpelhäger kommt's an. – Wer soll aber mit dem jungen Edelmann dieserhalb reden? – Hawermann? – Der steht mit ihm in diesem Augenblicke ganz auf den Apropoh. – Ich? – Nichtsdestoweniger! Denn er hat mich beleidigt. – Jung'-Jochen selber? – Ich trau Jung'-Jochen nich: er überläßt sich in der Letzt zu sehr seinen Redensarten. – Gottlieb? – 's ist en guter Kerl, aber ein Schafskopp. – Also wer? – Rudolf! – Ein hellscher Bengel, wie mich Hilgendorf geschrieben hat. – Rudolf muß hin, und Sie, Madam Nüßlern, müssen mit, wegen das Fomilienverhältnis, daß sich der junge Mensch darüber leguminieren kann.« – »Herre Gott!« rep Fru Nüßlern, »ick sall nah den jungen Herrn gahn!« – »Nein«, säd[387] Zacharies Bräsig, »Sie gehn zu die junge Frau und Rudolf zu den jungen Herrn. – Wo is Rudolf? Rudolf muß gleich reinkommen.«

Rudolf was ok glik bereit, den Gang för sinen Vetter Gottlieb tau dauhn; un't würd afmakt, den annern Dag süll hei mit sin Tanten nah Pümpelhagen führen.

Dat geschach denn nu ok; äwer as de Deputatschon vör dat Herrnhus vörführte, was de Herr von Rambow nich bi de Hand, hei was utreden; sei leten sick also bi de gnedige Fru anmellen, un dor würden sei denn ok fründlich in Empfang namen. – »Gnedige Fru«, säd Fru Nüßlern un gung truhartig un ahn vel Kumpelmenten up de junge Fru tau, »nemen S' mi't nich äwel, wenn ick Plattdütsch mit Sei red'; ick kann ok woll en beten Hochdütsch, äwer't is ok dornah. Unserein stammt noch ut den ollen Sekulum, un ick segg ümmer, en blanken tinnern Teller geföllt mi vel beter as en sülwern, de nich sauber is.« – Frida namm de gaude Fru ehren Dauk sülwst af, nödigte sei bi sick up den Sofa, makte 'ne fründliche Handbewegung up en Stauhl nah Rudolfen tau un wull sick mit den Besäuk dalsetten, dunn würd sei äwer von Fru Nüßlern uphollen, de ganz vertrulich tau ehr säd: »Seihn S', gnedige Fru, dit is en Vedder von mi, de nu min Swigersähn warden will; 't is en Sähn von den Kopmann Kurzen in Rahnstädt, von den Sei jo ok köpen.« – Rudolf dienerte denn nu, dat dat sine Ort hadd, un de junge Fru makte mit ehr frisches Wesen dese Vörstellung bald en En'n un kreg ok nah en beten Knicksen Fru Nüßlern richtig up dat Sofa dal. »Ja«, säd de kumplette Dam, »hei hett ok studiert, is äwer woll nich wid kamen; äwer nu, dat hei Landmann worden is, schickt hei sick jo prächtig, as Hilgendörp an Bräsigen schrewen hett.« – Dat was nu jo all recht gaud för Rudolfen; em was dat äwer doch en beten sihr schanierlich, un hei föll sin Tanten in de Red': »Aber, liebe Tante, du wolltest ja nicht von mir, du wolltest ja von Gottlieb reden.« – »Ja, gnedige Fru, dat is min eigentlich Gewarw'; seihn S', ick heww noch einen, wat ok min Swigersähn[388] warden will, ok en Vedder, den Rekter Baldrianen sin Sähn in Rahnstädt, de hett richtig utstudiert un hett jo ok allens, wat dortau hürt, richtig wüßt un kann jo nu ok alle Dag' Paster warden. – Nu is jo uns' oll gaud Herr Paster in de Ewigkeit gahn – ach, gnedige Fru, wat was dat för en prächtigen Mann! – un Sei känen't mi nich verdenken, wenn ick den Wunsch heww, dat min Lining bi mi up de Neg' bliwwt un Gottlieb de Parr kriggt.« – »Nein, liebe Frau Nüßler«, säd Frida, »das verdenke ich Ihnen nicht, und wenn's auf mich ankäme, würde jedenfalls Ihr zukünftiger Herr Schwiegersohn von unserer Seite die Präsentation erhalten; ich habe zu viel Gutes von Ihnen und Ihren Töchtern gehört.« – »Hewwen Sei dat würklich?« frog Fru Nüßlern, warm bet in't Hart herin. »Ja, 't sünd olle leiwe Gören!« rep sei ut.

In desen Ogenblick leten sick buten Tritten hüren, un de Herr von Rambow, de sinen Ritt afmakt hadd, kamm in de Stuw' 'rinne. De junge Fru äwernamm de Vörstellung, un Axel kek bi de Nennung von de Namen ungeheuer langs de Näs' dal. – Rudolf let sick äwer dordörch nich verblüffen, hei hadd en schönen Trumpf uttauspelen, den hei nich för ümsünst versteken wull; hei gung an den Herrn ran un säd: »Herr von Rambow, dürfte ich Sie vielleicht auf ein paar Worte allein sprechen?« – Axel gung mit em in de Nebenstuw'.

»Herr von Rambow«, säd Rudolf, »Ihnen sind in der vorletzten Woche 2000 Taler Gold, wie Sie selbst gesagt haben, in lauter dänischen Doppellouisdor abhanden gekommen; der Tagelöhner ist flüchtig geworden, und es scheint, als wenn man seiner nicht mehr habhaft werden kann; aber dem Gelde ist man auf der Spur.« – »Was?« rep Axel, »woher wissen Sie das?« – »Seit gestern nachmittag weiß ich, daß dem Untersuchungsrichter, dem Bürgermeister in Rahnstädt, ein sehr deutlicher Fingerzeig in dieser Richtung geworden ist. – Ich stand mit meinem Vater in dessen Laden, da kam eine Frau, eine Weberfrau, die mit ihrem Manne im Scheidungsprozeß[389] liegt, und wollte einen dänischen Doppellouisdor verwechseln. Ich kenne die Frau, sie ist blutarm, und der Bürgermeister weiß aus den Scheidungsverhandlungen, daß sie nichts, rein gar nichts besitzt. – Mein Vater und ich machten über diesen Vorfall die Anzeige, und in dem Verhör mit ihr hat sich herausgestellt, daß sie außer dem vorgezeigten Goldstück noch weiteres Geld besessen hat, über welches sie keine Auskunft zu geben vermochte, und – was die Hauptsache ist – es hat sich herausgestellt, daß sie an demselben Morgen mit dem Boten denselben Weg gegangen ist.« – »Wie ist es möglich!« rep Axel, »dann hätte der Kerl es doch nicht selbst gestohlen!« – »Es scheint«, säd Rudolf, »als wenn es ihm gestohlen worden ist. – Unser alter umsichtiger Bürgermeister hat die Frau wegen anderer kleiner und eingestandener Diebstähle einsperren lassen und meinem Vater und mir jede Mitteilung über den Fall verboten; Ihnen gegenüber, da er hörte, daß ich hier in die Gegend reiste, hat er sie mir jedoch ausdrücklich erlaubt. – Sie werden gewiß heute noch brieflich darüber Bericht erhalten.« – »Herr Kurz«, säd Axel, »ich danke Ihnen aufrichtig, daß Sie eigens hierher gefahren sind, um mir diese Mitteilung zu machen«, un gaww den jungen Mann de Hand. – Rudolf lachte so en beten un säd tauletzt: »Wenn es dies allein gewesen wäre, wäre ich auch wohl allein gekommen; aber Sie haben wohl meine Tante bemerkt, die hat noch allerlei auf dem Herzen.« – »Wenn ich irgendwie dienen kann ...«, säd Axel höflich. – »Nun, dann will ich's nur gerade heraussagen, ein Vetter von mir, ein Kandidat der Theologie, bewirbt sich durch meine Tante um die Präsentation für die Gürlitzer Pfarre.« – »Ein Vetter? – Ich meine, Sie selbst sind Theologe.« – »Gewesen! Herr von Rambow, gewesen!« rep Rudolf so recht frisch von de Lewer, »ich glaube, ich bin wohl nicht hoch genug organisiert, wie man das heutzutage nennt, und bin lieber Landmann geworden, und ich kann Ihnen sagen«, dorbi kek hei den jungen Herrn so frisch un fröhlich in de Ogen, »ich bin seitdem ein recht glücklicher Mensch[390] geworden.« – Dat möt ein bet in de grawe Grund ansürten Kirl sin, de sick nich von so'n frisches Lewen anwarmen lett, un Axel was in'n ganzen jo noch en schönen Appel, hir un dor en beten anstött un up de Butensid hir un dor ok en beten ful, äwer binnen was hei jo noch karngesund, hei rep also recht herzlich: »Das ist recht! Das ist recht! Ich hab's auch so gemacht. – Das Leben eines mecklenburgischen Landmannes soll doch gelten! – Wo halten Sie sich jetzt auf, Herr Kurz?« – »Bei dem größten Landmanne dieses Jahrhunderts, bei Hilgendorfen auf Klein-Tetzleben«, lachte Rudolf. – »Ein ganz vorzüglicher Mann!« rep Axel, »auch Vollblut! – Das heißt Pferde!« – Un nu fungen sei an tau Graymomussen un tau Herodoten un gewen ok den Black-Overshire sin Recht, un Hilgendörp kreg ok sin Recht, un as Rudolf endlich upstunn un den Herrn von Rambow de Hand taum Afschid gaww, würd sei recht fründlich drückt, un de Herr säd: »Verlassen Sie sich darauf, kein anderer kriegt von meiner Seite die Präsentation als Ihr Vetter.«

Un as sei nu in de Damenstuw' rinne kemen, stunn Fru Nüßlern von den Sofa up un säd tau Frida: »Hei lett sin Lewen för Sei un för den Herrn«, un gung up den Herrn von Rambow tau un säd: »Nich wohr, Sei dauhn't, Herr von Rambow? Wat würd't woll nich för en Glück för mi sin, wenn ick min Lining so dicht up de Neg' bi mi behöll.« – Axel was süs gor nich sihr för so 'ne frie, driste Ort von Verkihr un was – natürlich ahn vernünftigen Grund – gor nich sihr för de Nüßlersche Ort; äwer de Nahricht, dat hei mäglicher Wis' sin 2000 Daler wedder krigen kunn, dat Vullblaudgespräk mit Rudolfen un de würklich indringliche, einfache, truhartige Ort von Fru Nüßlern deden ehr Deil, hei gung up sin Fru tau un säd: »Liebe Frida, wir haben Aussicht, unsere 2000 Taler wiederzuerhalten.« – »Dat gew' de leiw' Gott!« säd Fru Nüßlern. »Rudolf, hest du mit den gnedigen Herrn red't?« – »Ja«, säd Axel vörtau, »die Sache ist abgemacht, von meiner Seite erhält er die Präsentation; aber – ich möchte ihn vorher einmal sehn.« – »Dat's nich mihr as[391] recht unbillig!« säd Fru Nüßlern, »wer köfft de Katt in'n Sack? Un Sei sälen seihn, wenn hei sick vör Sei henstellen will un will predigen, denn sälen Sei seihn, dat hei kann; äwer, du leiwer Gott! Dummheiten? Na, de hett jo jeder Minsch an sick; dorvon kann ick em ok nich losspreken.«

Un so reis'ten sei denn wedder af. – Gottlieb hadd de Präsentatschon.

»So«, säd Bräsig, »die Sache wäre in den Swung; nu kommt's for Gottlieben nur noch auf die letzte Exkutschon bei Pomuchelskoppen an und dann auf die Wahl! Aber smäd't muß das Eisen nu werden, und indem ihm bei Zamel Pomuchelskoppen kein Mensch un kein Gott helfen kann, muß er selber seine Gefohr stehn, und das bald.« – De Ansicht was vernünftig, un Gottlieb kreg Nahricht un strengen Befehl, sick in de negsten Dagen tau Rexow intaufinnen un dor sine Instrukschonen in Empfang tau nemen.

Hei kamm, un as em Bräsig de Sak kortfarig utdüd't hadd, wull hei jo ok den sworen Gang wagen. Kutscher Krischan führte mit dat Phantom vör de Dör, Lining halte Fautsack un Mäntel un Schals un pökelte ehren Taukünftigen warm in. – »Das's recht«, säd Bräsig, »balsamier ihn man orndlich in, Lining, daß er dich nich verklamt un daß die Katt nich mit seine schöne Stimm zu's Absingen davon läuft; 's is heut grusig Weder.« – Mit einemmal stunn äwer Jochen ut sine Abeneck up, ordentlich mit en Ruck, un säd: »Mining, minen Mantäng!« – »Na, nu wird's hellig Dag!« rep Bräsig. – »Jochen, wat fehlt di?« rep Fru Nüßlern. – »Mutting«, säd Jochen, »du büst mit Rudolfen führt, ick führ mit Gottlieben; ick will ok in de Sak dat Minige dauhn«, un dorbi makte hei so 'ne bestimmte Bewegung mit den Kopp un kek sei all so mit en Nahdruck an, dat Bräsig utrep: »Daß du die Nase ins Gesicht behältst! So was is mich doch mein Lebtag' noch nich passiert.« – »Ach, Bräsig«, säd Fru Nüßlern, »so is hei in de letzte Tid jo ümmer west; äwer nu laten S' em man, reden helpt hir nich.« – Un Jochen führte mit. – Lining gung äwer up ehre lütte Gebelstuw' un bed'te so heit[392] tau Gott för Gottlieben sinen sworen Gang, as wenn hei würklich tau de letzte Exkutschon güng.

Jochen un Gottlieb führten in deipen Weg ümmer eben stillswigend wider, keiner red'te en Wurd, denn jeder hadd sine Gedanken, un so würd denn gor nich spraken, blot dat Kutscher Krischan einmal äwer de Schuller räwer säd: »Herr, wenn einer hir up dit Flag in'n Düstern führt un slöppt, denn kann hei hir bequem ümsmiten.« – So führten sei denn nahmiddags gegen Klock drei bi Pomuchelskoppen vör.

Pomuchelskopp lagg as en Klumpen Unglück up sinen Sofa un rew sick de Ogen, denn Gustäwing hadd em ut sinen Nahmiddagsslap stürt, indem dat hei den Slätel taum Kurnbähn halen ded, denn't was Sünnabend, un hei wull upmeten laten. – »Gustäwing«, rep hei verdreitlich, »du bleibst doch dein Lebtag' so'n ollen Düsigen, du büst der richtige Klas! – Schafskopp! Ich werd' dich auf en Pahl stellen, daß doch alle Leute sehn, was du für en Schafskopp büst!« – »Je, Vating ...« – »Ei was hier Vating! Wo oft hab' ich dir gesagt, du sollst das Klätern mit die Schlüssel sein lassen, wenn dein Vater seine Ruhe sucht! – Was kommt da für en Wagen auf den Hof zu fahren?« – »Herre Je«, rep Gustäwing, »dat is jo woll uns' Nahwer Nüßler mit noch en Herrn.« – »Schafskopp!« rep Pomuchelskopp, »wo oft hab' ich dir nich gesagt, du sollst nich jedermann Nahwer nennen! Am Ende ist der Tagelöhner Brinkmann auch noch mein Nahwer, weil er an meinen Garten wohnt; ich will nich mit jedermann Nahwer sein«, un dormit gung hei nu ut de Dör, üm tau seihn, wat passieren ded.

Jochen un Gottlieb wiren wildeß ut den Wagen stegen, un Jochen gung up em tau: »Gun Dag, Nahwer!« – Pomuchelskopp makte em en sihr vörnemen Diener tau, so gaud as hei'n up den Landdag lihrt hadd, un nödigte sei in de Stuw' rinne. – 't was recht still in de Stuw', wenn einer dat beten Schurren mit de Stäuhl afrekent; Jochen glöwte, Gottlieb süll reden, Gottlieb glöwte, Jochen süll reden, un Pomuchelskopp glöwte, hei dürfte nich reden, süs vergew hei sick wat. –[393] Tauletzt fung äwer doch Gottlieb an: »Herr Pomuchelskopp, der gute, brave Pastor Behrends hier ist zu Gott gegangen, und wenn es auch hart und gleichsam unchristlich erscheint, daß ich so bald nach seinem Tode mich um die von ihm erledigte Pfarre bewerbe, so glaube ich doch nicht, dadurch gegen das menschliche Gefühl im allgemeinen, noch gegen die Pflichten eines wahren Christen im besonderen zu verstoßen, weil ich mir bewußt bin, durch diese Bewerbung nur den Wünschen meiner eignen Eltern sowie auch denen meiner zukünftigen Schwiegereltern nachzukommen.« – Dat was en schönen Prat von Gottlieben, un hei hadd ok in allen Kanten recht; äwer ok Pomuchelskopp hadd recht, as hei gor nich dorup antwurt'te un en beten von baben dal tau Gottlieben säd, dat müggte woll all sin, äwer hei wünschte doch tau weiten, mit wem hei äwerall de Ihr hadd. – Jochen nickköppte Gottlieben tau, hei süll't man drist seggen, un Gottlieb säd denn nu ok, dat hei de Sähn von den Rekter Baldrian wir un en Kannedat. – Jochen läd sick bi dese Nahricht in sinen Stauhl bequem rüggäwer, as wir nu de Sak in Richtigkeit un hei künn in alle Rauh sin Pip Toback roken. Wil em äwer Muchel kein Pip anbaden hadd, müßt hei sick dormit begnäugen, mit sin Mulgeschirr 'ne unfruchtbore Rokbewegung tau maken, as en böhmschen Karpen, de nah Luft snappt. – »Herr Kannedat«, säd Pomuchelskopp, »es sind in dieser Angelegenheit schon mehrere von Ihrer Sorte bei mir gewesen« – dit log hei, äwer hei wüßt bi 'ne Parr ok keinen annern Kriegsplan tau maken as bi en Hümpel Fettswin, wenn en Slachter kamm, de s' em afköpen wull – »aber«, set'te hei hentau, »ich habe sie alle bis dato gehen lassen, weil die Sache bei mir auf einen Punkt hinauskommt.« – »Und der wäre?« frog Gottlieb, »meine Examina ...« – »Die sind mir ganz partie egal«, säd de Herr Gaudsbesitter, »ich meine den Pastoracker. – Wenn Sie sich dazu verstehen, den Acker an mich zu verpachten – natürlich gegen eine gute, gegen eine sehr gute Pacht –, dann kriegen Sie meine Stimme, sonst nicht.« – »Wie ich meine gehört zu haben«, säd Gottlieb,[394] »ist der Acker an den Herrn von Rambow verpachtet, und ich möchte nicht gern ...« – »Darüber können Sie sich beruhigen, Herr von Rambow nimmt den Acker nicht wieder«, säd Pomuchelskopp un kek Gottlieben so äwerlegen in't Gesicht, as hadd hei sin Fettswin all taum höchsten Pris verköfft. – Jochen säd nicks, let äwer sin Tobackroken sin un kek sinen Kannedaten-Swigersähn an, as wull hei fragen: »Wat seggst nu, Flesch?« – Gottlieben was de Sak äwer den Hals kamen, denn hei was in Weltdingen man sihr unbesinnlich; nu hadd hei sick äwer besunnen, un sine olle ihrliche Natur, de strüwte sick dorgegen, dörch so'n gewöhnlichen Schacher in't geistliche Amt tau kamen, hei säd also fri un frank: »Das kann und werde ich Ihnen nicht versprechen, durch solche Mittel wünsche ich nicht ins Amt zu kommen. Die Sache hat ja aber auch noch Zeit, bis ich im Amte bin.« – »So?« frog de Herr Gaudsbesitter un grinte Gottlieben un Jochen von de Sid an, »denn lassen Sie sich sagen, Herr Kannedat, der Fuchs ist Ihnen zu klug; was nachkommt, beißt der Wolf, und wenn der Herr von Rambow auch nicht auf den Acker reflektiert, so könnten Sie ihn doch an Ihren Herrn Schwiegervater verpachten. – Nicht wahr, an Ihren Schwiegervater?«

Dat was jo nu doch 'ne entfamtige Red' von Pomuchelskoppen. – Jochen süll den Acker pachten; Jochen, de all von Morgens bet 's Abends sine swore Last hadd, süll sick dese Last ok noch uphalsen! – Hei sprung also pil in En'n un säd: »Herr Nachbor, wenn einer deiht, wat hei deiht, denn kann hei nich mir dauhn, as hei deiht; un wat sall ick dorbi dauhn? Wenn de Pümpelhäger Herr den Acker nich hewwen will, ick will en ok nich, ick heww so naug tau dauhn.« – »Herr Nüßler«, frog Pomuchelskopp so recht lurig, »wollen Sie mir das schriftlich geben, daß Sie den Acker nicht pachten wollen?« – »Ja!« rep Jochen so recht fri ut den Gelenk herute un set'te sick wedder bequem in den Stauhl un rokte wider. – Pomuchelskopp gung in de Stuw' up un dal un rekente: Herr von Rambow gaww de Pacht up, Jochen wull sei nich hewwen;[395] dat wiren de einzigen, de den Preisteracker von utwarts her nutzen künnen; för en eigenen Pächter was de Acker tau min'n, un hei as Gaudsbesitter brukte em ok nich tau liden; nu kamm't blot dorup an, wat Gottlieb nich sülwst wirtschaften kunn, un dorup taxierte em nu Pomuchelskopp, as hei up un dal gung un em von de Sid ankek. – Nu hett uns' Herrgott vele Minschen erschaffen, un jeder Minsch hett sine besonderen Anlagen mit up den Weg kregen, un jeder Minsch hett von ein Ort Anlagen en groten Loppen kregen, äwer von de annern Orten man so sprangwis'; bi Gottlieben äwer hadd uns' Herrgott en lütt Verseihn makt, hei hadd em, as't taum wenigsten utsach, ok nich de Spur von landwirtschaftliche Anlagen mit in de West knöpt, un Bräsig hadd sick all de mäglichste Mäuh gewen, Gottlieben in dese Ort en beten tautaustutzen, äwer vergews: wat nich in den Minschen rinne leggt is, dat lockt einer vergews. Gottlieb wüßt nich Hawern von Gasten tau scheiden, hei wüßt nich, wat Oß oder Bull was, un as hei eines Dags mit den Bein in en Kauhfladen 'rinne geraden was un utrep: »Pfui, der ekelhafte Pferdemist!«, dunn let em Bräsig mit den dreckigen Stäwel gahn un set'te sick in Jochen Nüßlern sine Lauw' un säd tau sick: »Herre Gott, wo sall dat Worm dörch de Welt kamen!«

Grad desen Fehler sach nu Pomuchelskopp, de olle Praktikus, an Gottlieben, un dorüm geföll hei em sihr: »De wirtschaft't in sinen Lewen nich«, säd hei tau sick, »dat is min Mann. – Äwer blot nich marken laten!« – »Herr Kannedat«, säd hei lud, »Sie gefallen mich, Sie sind ein höllisch aufgeweckter Mann und auch ein Mann von Moralität« – wenn hei't wüßt hadd, hadd hei wohrschinlich den dreckigen Stäwel dormit meint –, »Sie wollen auf meine Forderung nicht eingehen – schön! – ich gehe aber auch nicht auf Ihre Bitte ein. Wenn aber Herr Nüßler einen schriftlichen Revers unterzeichnet, daß er den Pastoracker nicht pachten will, denn läßt sich noch weiter über die Sache reden; denn, wie gesagt, Sie gefallen mir.«

Un so unnerschrew sick denn Jung'-Jochen, un de beiden[396] ollen Kläs' führten von den Hoff, sihr taufreden mit de Verhandlung. Sei hadden nicks kregen, gor nicks as en Virtel Verspreken von den Herrn Gaudsbesitter, un dorför hadd Jochen sinen Namen unnerschriwen müßt; sei wiren äwer doch sihr taufreden. – Jochen was stark de Meinung un is dorup jo ok dräwer weg storwen, dat hei mit sine Unnerschriwwt sinen Swigersähn de Parr verschrewen hadd.

Jochen un Gottlieb hadden nu woll noch Lust, en beten in den Pasterhus' vörtauspreken; äwer Kutscher Krischan läd sick dwaslings vör un säd, dat güng nich, dat wir so all stikkendüster; so swemmte denn also dat Phantom in Nacht un Nebel den deipen Landweg entlang. – Tau Nacht un Nebel un Phantom hürt nu noch de Slap, un wer dit virblädrige Kleeblatt finnen deiht, de hett de mäglichste Utsicht up allerlei Glück. – De Slap stellte sick denn ok bald dortau in, Jochen slep all, as sei ut Gürlitz rute wiren, un wenn't Dag west wir, hadd jedwerein an de Swep gewohr warden müßt, dat Krischan bi de Widendriwwt anfangen ded, un Gottlieb slep tworst nich, was äwer eigentlich noch wider weg mit sine Gedanken as de annern; denn hei drömte von sin Lining un von sin Parr un sin Wahlpredigt un sin Antrittspredigt. Un as sei up dat Flag kernen, wo Kutscher Krischan up den Henweg sine verstännige Bemarkung makt hadd, un as nu de Bedingungen von Slapen un Düsterwarden mit dat Flag tausam dröpen un Gottlieb in sinen Drom bi den letzten Wahlzettel ankamen was, de för em den Utslag gaww, fung dat ßackermentschte Phantom an tau späuken; dat Vörderrad steg up en hogen, drögen Äuwer, dat Hinnerrad, wo Gottlieb satt, föll in ein deipes Lock – so, nu noch twei Schritt wider, un – swabb! – lagg de Pastet in den Grawen.

Ick seih hir von min Stuw' ut männigen Großherzoglichen Kammerpächter bi mine Fru Nachborin, de Gastwirtin Fru Lurenzen in den Fürstenhof, ut den Wagen kamen, äwer so fix, as Jochen ut den Wagen kamm, heww ick't min Dag' nich seihn; in en groten Bagen schot hei äwer Gottlieben, de unnen tau liggen kamm, weg in den weiken Dreck, un Kutscher Krischan,[397] dese olle true, ihrliche Seel', let sinen Herrn ok in dese slimme Lag' nich in den Stich, hei schot ok köpplings ut sin Bänk herute un läd sick verlangs neben sinen gauden Herrn. – »Purr, öh! – Herr, bliwen S' rein still so liggen!« rep de olle ihrliche Hut, »de Pird stahn.« – »Du Schapskopp!« rep Jochen. – »Gottlob!« rep Krischan un stunn up, »mi fehlt nicks. – Äwer, Herr, bliwen S' rein still so liggen, de Pird' holl ick.« – »Du Schapskopp!« rep Jochen un krawwelte sick ok tau Höcht, wildeß Gottlieb in de deipe Slagläus' rümmer alkste un talkste, »wo kannst du uns hir ümsmiten?« – »Je, dat is all so as dat Ledder is«, säd Krischan, de in sine langen Deinstjohren sinen Herrn sine Redensorten sick anwennt hadd, »wat sall einer bi so'nWeg in'n Stickendüstern dauhn?« – Nu wiren Jochen sine Redensorten em vör de Mund wegnamen, hei wüßt also ok nich recht mihr, wat hei noch wider seggen süll, hei frog also: »Gottlieb, sünd din Knaken heil?« – »Ja, Onkel«, säd de Kannedat, »und deine auch?« – »Ja«, säd Jochen, »bet up de Näs', äwer de is mi jo woll rein ut dat Gesicht herute.« – De Wagen was nu mitdewil wedder tau Höchten richt't, un as sei wedder rinne stegen wiren, dreihte sick Krischan wedder halw üm un säd: »Herr, heww ick dat nich hüt nahmiddag vörher seggt: dit wir dat Flag?« – »Schapskopp!« rep Jochen un wischte an sine Näs' rümmer, »du hest slapen.« – »Slapen, Herr, slapen? – In so'n Stickendüstern is dat ganz egal, wat einer slöppt oder wakt; äwer ick heww't woll vörher seggt. Ick weit den Weg jo utwennig, un ick säd dat jo glik.« – Un wenn hei nahsten de Geschieht an de annern Knechts vertellen ded, säd hei stets un ständig, hei hadd't jo vörher seggt; äwer de Herr hadd jo nich hüren wullt, un stellte Jochen as en wohren Waghals hen, de üm nicks un wedder nicks sin Lewen riskierte.

Sei führten tau Hus vör, un Gottlieb steg tauirst ut den Wagen. – Lining hadd all längst up den Durn un den Nettel von de Ungeduld seten un hadd in den düstern Abend nah jeden Ton herute horkt, de ehr Gewißheit bringen künn von Glück oder Unglück. – Nu let sick wat hüren – dat sünd sei[398] – ne, 't wir man de Wind in de Pöppeln – äwer nu! – ja, dat was en Wagen – un nu! – ja woll was't en Wagen, hei kamm neger, hei führte vör – sei sprung up, sei lep nah de Dör, müßt äwer irst ehr Hand up dat unrauhige Hart drükken – ach Gott, wo slog dat vör Hoffnung un Furcht! – bröcht Gottlieb Glück oder Unglück an't Hus? – sei lep nah de Del. – »Bleib mir vom Leibe!« rep Gottlieb, äwer tau späd; Lining was, trotzdem dat sei de Öllst was, noch sihr unbedachtsam – rundting fot sei Gottlieben üm un drückt' em an't heite Hart: äwer mit einmal würd ehr so käuhl an Hän'n un Arm un an den warmen Bussen, ehr würd tau Maud', as hadd sei 'ne Pogg in den Arm, sei let los un rep: »Herre Gott, was ist dir?« – »Umgeworfen«, säd Gottlieb, »wir sind mit Gottes gnädiger Hülfe umgeworfen; das heißt, das Umwerfen hat Krischan besorgt, aber Gottes gnädige Hülfe hat uns vor schlimmem Schaden geschützt.« – »Wo seht ihr aus!« rep Bräsig, de mit en Licht up de Del kamm, as Jochen grad in de Husdör rinne kamm. – »Je, Bräsig«, säd Jochen, »'t is all so, as dat is: wi sünd ümsmetten.« – »Ih, wo?« rep Bräsig, »wo kann ein vernünftiger Mensch in deine Jahren auf seinen eigenen Weg umsmeißen? – Du hast geslafen, Jochen.« – »Herre Gott!« rep Fru Nüßlern, »Jochen, wo sühst du ut!« un dreihte Jochen ümmer in de Run'n vör dat Licht herümmer, as wir hei en Kaiwerbraden, de an't Spitt brad't warden sall un den sei schön mit Rohm begaten hadd. – »Mein Gott, Jochen! un din Näs'.« – »Un wo süht der geistliche Herr aus!« rep Bräsig un lücht'te Gottlieben hinnen un vören. – »Ne«, rep hei un let em stahn, »un nu Lining! – Wo, Lining, du büst ja doch nich umgesmissen! – Madam Nüßlern, sehn Sie, sie hat jo woll den halben Weg von hir nach Gürlitz auf ihre Kledaschen.«

Lining stickte sick denn nu düsterrod an, un Mining wischte an ehr rümmer, un datsülwige ded Fru Nüßlern an ehren Jochen: »Mein Gott, Jochen, wo hest du di tauricht't! Ne, nu seih mal einer, de schöne nige Mantäng!« – Jochen hadd en sick as Brüdjam vor etzliche twintig Johren tauleggt. –[399] »Ne, dat düs't all nich; ji möt't allens uttrecken, un morgen möt de ganze Hopphei an de Bäk späult warden.« – Dese Anordnung güll denn nu, un nah'ne lütte Wil seten de beiden reisenden Geschäftslüd' in dröge Kleder an den Disch in de Stuw'. – Äwer nu kreg Fru Nüßlern ehren Jochen sine Näs' irst in dat richtige Licht tau seihn. »Jochen«, rep sei, »wo süht din Näs' ut!« – »Je, dat segg man mal«, säd Jochen. – »Jochen«, säd Bräsig, »ich müßte entfamten lügen, wenn ich allmeindag' was besonders Schönes an deiner Nase regardiert hätte; aber daß du die Nase ins Gesicht behältst! – was hast du for 'ne Nase ins Gesicht.« – »Schämen S' sick wat, Bräsig, wo känen Sei em wünschen, dat hei dese Näs' in't Gesicht behölt! Gott bewohr uns, sei ward ümmer dicker! Wat is dorbi tau dauhn?« – »Madam Nüßlern«, säd Bräsig, »er muß in die Wasserkunst.« – »Wat?« rep Fru Nüßlern, »min Jochen in de Waterkur, wil hei sick de Näs' en beten verstukt hett?« – »Verstehen Sie mir recht«, säd Bräsig, »er soll jo nich heil un deil, mit Arm un Bein, in die Wasserkunst; er soll bloß mit seine Nas' hinein: wir müssen ihm kalte Umsläg' machen. – Oder, Jochen, kannst du woll en bischen aus der Nas' bluten? Das würd' dich sehr rekolljieren.« – Dat kunn Jochen nu äwer nich, un so gung dat denn mit kolle Ümsläg' los, un Jochen satt ganz staatschen un taufreden dor, up de Näs' de linnen Lappen un unner de Näs' sin Pip Toback.

»Aber«, säd Bräsig, »noch weiß keine Menschenseel, was ihr bei Zamel Pomuchelskoppen ausgericht't habt.« – »Ja«, säd Lining, »Gottlieb, wie ist es geworden?« – Gottlieb vertellte denn nu, wo ehr dat bi den Herrn Gaudsbesitter gahn was, un as hei farig was, säd Jochen: »Ja, 't is all in Richtigkeit, ick heww mi unnerschrewen.« – »Jochen, was hast du dich unterschrieben?« frog Bräsig argerlich. – »Mit den Preisteracker, dat ick en nich pachten will.« – »Denn hast du dich was Dämliches unterschrieben. – Oh, der Jesuwiter! Den Acker will er – Nachtigahl, ich hör dir laufen, aus das Bächlein willst du saufen. Das ist dein großer Ziel und Zweck![400] – Aber – aber« – hir sprung Bräsig up un gung mit grote Schritten in de Stuw' herüm – »ich stech dir einen Sticken. – Horch ans End', sagt Kotelmann. – Zamel Pomuchelskopp, wir sprechen uns noch mal! – Wo sagt der berühmte Dichter von Daviden und Goliathen? – indem ich mir als Daviden betrachte und ihn als Goliathen. ›Hei namm de Sluder in de Fust un smet em an den Bregen, dat't man so prust't.‹ Un wo schön sagt derselbige berühmte Dichter in seine herrlichen Slußworten: ›So geiht't de Prahlhäns' alle Tid, un wenn sei mein'n, sei stahn, denn ligg'n sei in de Schit.‹ – Und so soll dich das gehen, Zamel! – Und, Madam Nüßlern, nu habe ich mir geärgert, und Abendbrot kann ich nicht essen, und ich will ›Gun Nacht‹ sagen, indem daß ich noch mit allerlei Gedanken umgehe.« – Hei namm sin Licht un gung, un nah't Abendbrod gung denn ok bald allens tau Bedd, un Lining lagg noch lange Tid in Sorgen un Bangen ahn Slap un horkte up den Wind in de Böm un up den Tritt unner ehr, de ümmerfurt in densülwigen Takt gung, denn dor wahnte Unkel Bräsig un – as hei sülwst den annern Morgen säd – planisierte dese Nacht.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 384-401.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Olle Kamellen
Olle Kamellen III; UT Mine Stromtid Erster Theil
Olle Kamellen. De meckelnbörgschen Montecchi un Capuletti oder De Reeis' nah Konstantinopel.: Hoch- und Niederdeitsche Ausgabe. Auf einem Blick
Olle Kamellen: III -V. Ut Mine Stromtid (German Edition)
Sämmtliche Werke: Bd. Schurr-Murr. Eine Heirathsgeschichte. Olle Kamellen Iii: Ut Mine Stromtid, 1. Theil (German Edition)
Sämmtliche Werke: Bd. Hanne Nüte. Olle Kamellen Ii: Ut Mine Festungstid. Gedichte (German Edition)

Buchempfehlung

L'Arronge, Adolph

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Als leichte Unterhaltung verhohlene Gesellschaftskritik

78 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon