Dritte Szene


[838] Sophie. Ernst.


SOPHIE steht in Nachdenken etwas verlegen da.

ERNST tritt herzu. Die Mama hat recht. Nun küß mich erst mal schön.

SOPHIE aufatmend. Küßt ihn. Ja.

ERNST. Nicht mehr?

SOPHIE. O ja immer wieder. Hast du mich auch recht lieb?

ERNST. Richtig, davon haben wir noch gar nie gesprochen. Küßt sie auf die Stirn. War mein kleines Frauchen auch fleißig?

SOPHIE. Und wie. Es ist auch eine Freude mit allen diesen Dingen zu schaffen. Du, ich muß dir auch mal die Küche zeigen. Alles ist neu und blitzblank. Zu ihm, der eine Bewegung macht. Nein, noch nicht; Zu dieser festlichen Gelegenheit muß erst Alles ganz fertig sein. Soweit bin ich noch nicht. Die Küche darfst du nicht sehen, solange sie nicht ebenso glänzend ist, wie deine Schreibstube staubig ist. Sag mal, muß denn das so sein?

ERNST. Du vergißt, Kind, daß in unserer Kanzlei nicht so liebe Hände, wie die deinen, sondern irgend ein paar faule Diener aufräumen, welche obendrein nichts anrühren dürfen auf den Tischen.

SOPHIE. So, die dürfen nichts anrühren. Hm. Also so geheime Dinge treibt ihr dort. Weißt du, wenn ich dir nicht zu dumm bin, so nimm mich mal mit in[839] deine graue Kanzlei und sag mir Sie faßt ihn beim Arm. das muß so liegen und das so und das, was du nicht sehen kannst vor lauter Staub, so ...

ERNST. Du Wildfang.

SOPHIE. Nein ganz im Ernst, dann räum ich dir auf. Es ist nicht nur so. Du mußt ja auch krank werden, wenn du sowas einatmest Tag für Tag. Du siehst mir ja auch schon ganz gelb aus!

ERNST. So? Grade hat mir Jemand das Gegenteil gesagt.

SOPHIE. Der versteht gewiß nichts davon.

ERNST. Oh doch, Einer von dem du sagst, daß er Alles versteht.

SOPHIE. Geh...

ERNST. Nun?

SOPHIE. Am Ende gar der Hochwürden?

ERNST. Gleich geraten. Ich werde eifersüchtig werden auf deinen alten Lehrer.

SOPHIE wichtig. Hmmm! Auf den kannst du wirklich ein bißchen eifersüchtig sein. Das schadet dir auch sicher nicht. Wenn der Hoch würden so ungefähr um vierzig Jahre jünger war, und wenn er nicht Hochwürden war und wenn du nicht auf der Welt wärst, – hätt ich ihn gewiß geheiratet. Na – da hat doch nicht viel gefehlt?

ERNST. Nein. – Eine Kleinigkeit, die ja vielleicht auch noch auszubessern geht. Deswegen hab ich ihm gesagt, er möchte nur recht bald kommen. Ich wollt ihn gleich mitbringen.

SOPHIE aufrichtig. Schade –[840]

ERNST. Er war grade unterwegs in die Stadt, hat dort irgendwas zu tun –, wollte auch zu deinen Eltern. – –

SOPHIE. Das ist lieb. Mama wird wohl gleichzeitig mit ihm zuhause ankommen. Ja ich vergeß ganz, willst du Tee – Ernst?

ERNST aus Nachdenken heraus. Nein, danke – – – – Aber nicht wahr, sonst kommt kein Besuch zu uns außer dem Pfarrer?

SOPHIE zögernd. Nein, warum fragst du?

ERNST leichthin. Ists nicht am schönsten allein?

SOPHIE verschüchtert. Oh ja – ich kann ja auch Hochwürden bitten jetzt nicht ...

ERNST. Aber nein, Kind, ich meinte doch nur ... ich meinte nur Fremde ... nur ...

SOPHIE beunruhigt. So.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 4, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 838-841.
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