Die Sonnenuhr

[628] Selten reicht ein Schauer feuchter Fäule

aus dem Gartenschatten, wo einander

Tropfen fallen hören und ein Wander-

vogel lautet, zu der Säule,

die in Majoran und Koriander

steht und Sommerstunden zeigt;


nur sobald die Dame (der ein Diener

nachfolgt) in dem hellen Florentiner

über ihren Rand sich neigt,

wird sie schattig und verschweigt –.
[628]

Oder wenn ein sommerlicher Regen

aufkommt aus dem wogenden Bewegen

hoher Kronen, hat sie eine Pause;

denn sie weiß die Zeit nicht auszudrücken,

die dann in den Frucht- und Blumenstücken

plötzlich glüht im weißen Gartenhause.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 628-629.
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