Schlaf-Mohn

[629] Abseits im Garten blüht der böse Schlaf,

in welchem die, die heimlich eingedrungen,

die Liebe fanden junger Spiegelungen,

die willig waren, offen und konkav,


und Träume, die mit aufgeregten Masken

auftraten, riesiger durch die Kothurne –:

das alles stockt in diesen oben flasken

weichlichen Stengeln, die die Samenurne


(nachdem sie lang, die Knospe abwärts tragend,

zu welken meinten) festverschlossen heben:

gefranste Kelche auseinanderschlagend,

die fieberhaft das Mohngefäß umgeben.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 629.
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