Der Tod des Dichters

[495] Er lag. Sein aufgestelltes Antlitz war

bleich und verweigernd in den steilen Kissen,

seitdem die Welt und dieses von-ihr-Wissen,

von seinen Sinnen abgerissen,

zurückfiel an das teilnahmslose Jahr.
[495]

Die, so ihn leben sahen, wußten nicht,

wie sehr er Eines war mit allem diesen;

denn Dieses: diese Tiefen, diese Wiesen

und diese Wasser waren sein Gesicht.


O sein Gesicht war diese ganze Weite,

die jetzt noch zu ihm will und um ihn wirbt;

und seine Maske, die nun bang verstirbt,

ist zart und offen wie die Innenseite

von einer Frucht, die an der Luft verdirbt.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 495-496.
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Neue Gedichte - Der Neuen Gedichte anderer Teil.
Insel Taschenbücher, Nr.49, Neue Gedichte