Christus der rechte Lehrer

[283] 1 Petri 2, 21.


Bereite dich, o liebste Seel',

Ein helles Licht zu schauen,

Worauf in dieser Lebenshöl

Ein Christ darf kühnlich bauen;

Denn wer dieß Licht nimt wol in Acht,

Dem wird auch in der finster Nacht

Für keinem Unfall grauen.

Dieß helle Licht heißt Jesus Christ,

Von Himmel her gegeben,

Der uns zum Lehrer worden ist,

Daß unser Thun und Leben

Nach ihm allein gerichtet sei,

Auch wir ohn' Arg und Heuchelei

An ihm beständig kleben.[283]

Wer Christo nicht folgt offenbar,

Der muß im Dunkeln bleiben,

Er bringt sich selber in Gefahr,

Die kaum zu hintertreiben.

Ein solcher wird ja leider nicht

Dem allerschönsten Seelenlicht

Sich gläubig inverleiben.

Da stellt uns Gott, der Vater, nun,

Sein liebstes Kind für Augen,

Das lehrt uns solche Werke thun,

Die für der Welt auch taugen.

So laßt uns geben ihm die Ehr',

Auch bloß aus seiner Brust die Lehr'

Und heiligs Leben saugen.

Für diesem Spiegel wil ich stehn,

Auf daß ich noch auf Erden,

In dem ich seinen Glanz kan sehn,

Ganz müg' erneuert werden.

Dieß Bild weiß nichts von Adams Art,

Die sich im Fleisch sonst offenbart

Mit Worten und Geberden.

Es ist doch unser Fleisch und Blut

Mit Sünden hart beschweret,

Als Geiz, Neid, Unzucht, Uebermut

Und was dieß Gift ernähret:

Des Satans böslich Eigenschaft,

Dieß alles ist von solcher Kraft,

Daß es, was gut, verzehret,

Dieß schrecklichs Uebel könt' allein

Gott selber von uns nehmen;

Drum must' er wahrer Mensch auch sein,

Dieß Ungeheur zu zähmen,

Und das um unsertwillen nur,

Daß sich sein' arme Creatur

Nicht ewig dörfte schämen.

So sind wir ja vereinigt nun

Mit Gott, nach seinem Willen,

Was Christus uns gelehrt, zu thun,

Der alles muß erfüllen,

Was uns so gar unmüglich war,[284]

Sein Blut könt' einzig die Gefahr

Und Glut der Höllen stillen.

Da wirkt nun Christus alles das

In uns, was gut zu nennen,

Da lernen wir ohn' Unterlaß

Auch Christus Sinn erkennen;

Ja, Christi Wort ist unser Wort,

Es kan noch Freund noch Feind hinfort

Von seiner Lieb' uns trennen.

O süßes Leben, welches ist

Allein in Jesu Leben!

Da bleibt alsdenn ein wahrer Christ

Auch bloß an Jesu kleben;

Denn Jesus Sanftmut und Gedult

Wird ihm durch Jesus Lieb' und Huld

Auch reichlich mitgegeben.

Ach, war nicht Christi Leben vol

Leid, Armut, Hohn und Schmerzen,

Das gleichwol den nicht schrecken sol

Der Christum liebt von Herzen;

Der alte Mensch wil prächtig sein,

Der neue spricht: ach nein, ach nein,

Hie gilt noch Lust noch Scherzen.

Dir folg' ich, Herr, mit Freudigkeit,

Zu gehn auf deinen Wegen;

Daran ist mir in dieser Zeit

Zum höchsten ja gelegen.

Ich leb' in dir, du lebst in mir,

Wolan, drauf bleib' ich für und für,

O Gott, im Fried' und Segen.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 283-285.
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