|
[281] O Welt, Ich muß dich lassen, u.s.w.
1.
O Vatter, groß von Gnaden,
Ich bin mit Angst beladen,
Auf, auf, erbarm dich Mein!
Du hast Mir ja verheissen,
Aus Nöhten Mich zu reissen
Und stets Mein Gott zu sein.
2.
Dein Sohn ist Mir gegeben,
Daß Ich sol ewig leben
In grosser Herrligkeit.
Ich komm' in solchem Glauben:
Kein Feind' kan Mir abrauben
Das, was Mein Hertz befreit.
3.
Du wirst üm Jesu willen
Aus Gnaden das erfüllen,
Was du Mir zugesagt:
Drauff nim in deine Hände
Mein Seelichen am Ende,
Das nach dem Himmel fragt.
4.
O Jesu, deine Wunden,
Die du für Mich empfunden,
Vermindern Mir die Pein.
Ich bitte dich von Hertzen:
Laß ferner deine Schmertzen
Mein' Hülff' im Sterben sein.
5.
Ein Mensch bist du gebohren:
Wie kan denn sein verlohren
An Mir dein theüres Bluht,
Dem gahr nichts zu vergleichen?
Ach laß doch nimmer weichen
Von Mir diß höchste Guht!
6.
Ich bleib', ob Ich gleich scheide,
Ein Schäflein deiner Weide,
Das weist du, treüer Hirt.
Ach mücht' Ich bald dich sehen!
Ach mücht' Ich bald dort stehen,
Wo man verklähret wird!
[281]
7.
O Tröster der Betrübten,
O Geist der Kreützgeübten,
Gib Meiner Seelen Krafft.
Wenn Satan Mich wil plagen,
So laß Mich nicht verzagen,
Werd' Ich gleich hingerafft.
8.
Gedultig laß Mich leiden
Und drauff im Glauben scheiden:
Herr, stärke Muht und Sinn.
Ich wil im Friede fahren,
Du wirst Mich auch bewahren,
Wenn Ich entschlaffen bin.
Buchempfehlung
1889 erscheint unter dem Pseudonym Bjarne F. Holmsen diese erste gemeinsame Arbeit der beiden Freunde Arno Holz und Johannes Schlaf, die 1888 gemeinsame Wohnung bezogen hatten. Der Titelerzählung sind die kürzeren Texte »Der erste Schultag«, der den Schrecken eines Schulanfängers vor seinem gewalttätigen Lehrer beschreibt, und »Ein Tod«, der die letze Nacht eines Duellanten schildert, vorangestellt. »Papa Hamlet«, die mit Abstand wirkungsmächtigste Erzählung, beschreibt das Schiksal eines tobsüchtigen Schmierenschauspielers, der sein Kind tötet während er volltrunken in Hamletzitaten seine Jämmerlichkeit beklagt. Die Erzählung gilt als bahnbrechendes Paradebeispiel naturalistischer Dichtung.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro