|
[281] O Welt, Ich muß dich lassen, u.s.w.
1.
O Vatter, groß von Gnaden,
Ich bin mit Angst beladen,
Auf, auf, erbarm dich Mein!
Du hast Mir ja verheissen,
Aus Nöhten Mich zu reissen
Und stets Mein Gott zu sein.
2.
Dein Sohn ist Mir gegeben,
Daß Ich sol ewig leben
In grosser Herrligkeit.
Ich komm' in solchem Glauben:
Kein Feind' kan Mir abrauben
Das, was Mein Hertz befreit.
3.
Du wirst üm Jesu willen
Aus Gnaden das erfüllen,
Was du Mir zugesagt:
Drauff nim in deine Hände
Mein Seelichen am Ende,
Das nach dem Himmel fragt.
4.
O Jesu, deine Wunden,
Die du für Mich empfunden,
Vermindern Mir die Pein.
Ich bitte dich von Hertzen:
Laß ferner deine Schmertzen
Mein' Hülff' im Sterben sein.
5.
Ein Mensch bist du gebohren:
Wie kan denn sein verlohren
An Mir dein theüres Bluht,
Dem gahr nichts zu vergleichen?
Ach laß doch nimmer weichen
Von Mir diß höchste Guht!
6.
Ich bleib', ob Ich gleich scheide,
Ein Schäflein deiner Weide,
Das weist du, treüer Hirt.
Ach mücht' Ich bald dich sehen!
Ach mücht' Ich bald dort stehen,
Wo man verklähret wird!
[281]
7.
O Tröster der Betrübten,
O Geist der Kreützgeübten,
Gib Meiner Seelen Krafft.
Wenn Satan Mich wil plagen,
So laß Mich nicht verzagen,
Werd' Ich gleich hingerafft.
8.
Gedultig laß Mich leiden
Und drauff im Glauben scheiden:
Herr, stärke Muht und Sinn.
Ich wil im Friede fahren,
Du wirst Mich auch bewahren,
Wenn Ich entschlaffen bin.
Buchempfehlung
1858 in Siegburg geboren, schreibt Adelheit Wette 1890 zum Vergnügen das Märchenspiel »Hänsel und Gretel«. Daraus entsteht die Idee, ihr Bruder, der Komponist Engelbert Humperdinck, könne einige Textstellen zu einem Singspiel für Wettes Töchter vertonen. Stattdessen entsteht eine ganze Oper, die am 23. Dezember 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro