Errettung aus großer Not zur See

[273] Laß itz mit süßen Weisen,

Herr Gott, du starker Held,

Mich deine Wunder preisen

Für alles in der Welt;

Dein Lob sol immerdar

In meinem Mund' erklingen,

Dir wil ich, Herr, lobsingen,

Der du hilfst aus Gefahr.

Wie sol ich dir vergelten,

Herr, solche Wunderthat,

Die deine Hand nicht selten

Im Meer' erwiesen hat?

Wie sol ich deine Treu'

Dir dankbar gnug bezahlen,

Der ich zu tausend malen

Dein Schuldner werd' aufs Neu?[273]

Viel Angst hab' ich erfahren

Auf dem erzörnten Meer,

Das so viel stolze Baren

Warf grausamlich daher;

Ach Gott, das Schifflein floh

Erschrecklich schnell gen Himmel,

Drauf ward ein groß Getümmel,

Der wolt es so, der so.

Bald fiel das Schiff zu Grunde,

Bald sprang es wieder auf

Und hielt in einer Stunde

So manchen harten Lauf,

Daß wir den Trunknen gleich

Bald taumelten, bald fielen,

Ja, wurden durch dieß Wühlen

Wie Todte blaß und bleich.

Da must', Herr, unser Leben

Recht in der Grausamkeit

Des tiefen Abgrunds schweben,

Ja, machen sich bereit,

Zu fahren in ein Grab

Von Wasser, nicht von Erden,

Den Fischen da zu werden

Ein' angenehme Gab'.

Ach, wie das Täublein girret,

So winselt' ich im Schiff,

Ich lag doch gar verwirret,

Als uns der Sturm ergriff;

Um Trost war mir sehr bang',

Ich rief in solchem Grauen:

Das Land werd' ich nicht schauen

Hinfort mein Leben lang!

Doch, der du liebst das Leben,

Du Menschenhüter du,

Du hast nicht zugegeben,

Daß wir noch immerzu

Verlassen solten sein;

Du ließest Hülfe kommen,[274]

Du hast uns aufgenommen

Durch deinen Schutz allein.

Das Brausen ward gestillet,

Die Wellen legten sich,

Der Himmel, der verhüllet

Gestanden jämmerlich,

Ward wiedrum hell und klar.

So hast du, Herr, das Leben

Mir gleichsam neu gegeben,

Das schier verloren war.

Dafür wil ich dich preisen,

So lang' ich leb' und bin;

Ich wil dir Dank erweisen,

Herr, nimm dieß Opfer hin!

Du bist mein stärkster Hort,

Drum sol dein Lob für allen

In meinem Mund' erschallen

Recht freudig hier und dort.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 273-275.
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