Osterlied

[266] O fröliche Stunden,

O herliche Zeit!

Nun hat überwunden

Der Herzog im Streit,

Der Leu hat gekrieget,

Der Leu hat gesieget

Trotz Feinden, trotz Teufel, trotz Hölle, trotz Tod!

Wir leben befreiet aus Trübsal und Not.

Der Würger verjagte

Die Menschen mit Macht,

Und Satanas plagte

Zu Tag und zu Nacht

Die traurige Sünder,

Die Höll' auch nicht minder

Hat immer bishero den Meister gespielt

Und grimmig nach unseren Seelen gezielt.

Es war hie zu finden

Kein David, der bald

Auch kont' überwinden

Des Riesen Gewalt,

Noch mutig in Nöten

Den Belial töten;

Kein Josua konte den Starken bestehn

Und lassen ohn' Harnisch und Waffen ihn gehn.

Es fand sich kein Krieger;

Nur Jesus allein

War Krieger und Sieger,

Das Grab ließ er sein,

Fuhr freudig zur Höllen,

Den Satan zu fällen,

Woselbst er die Riegel ganz los hat geschraubt

Und kräftig den stärkesten Räuber beraubt.

O liebliche Stunden,

O fröliches Fest!

Itz hat sich gefunden,

Der nimmermehr läßt[267]

Die traurige Seelen

In Belials Hölen,

Der willig sein Leben für andre verbürgt,

Doch endlich den Würger hat selber erwürgt.

Der Herr ist ein Zeichen

Des Sieges, der Ehr',

Ein Zeichen, desgleichen

Man findet nicht mehr;

Nun hat er gelitten,

Nun hat er gestritten,

Nun hat er gesieget den Feinden zu Trutz,

Uns aber zum Frieden, zum Nutz und zum Schutz.

Ihr Klagende, höret,

Was Christus gethan:

Die Sünd' ist zerstöret,

Ihr schändlicher Plan

Ligt gänzlich vernichtet:

Wir bleiben verpflichtet,

Dem Herren zu dienen mit inniger Lust;

O selig, dem dieser Triumph ist bewust!

Das fleischliche Leben

Ist nunmehr durch ihn

Dem Geist untergeben,

Der tapfer und kühn

Weiß mit ihm zu kämpfen,

Die Lüste zu dämpfen,

Läßt ferner nicht blicken den sündlichen Baum

Und gibet hinfüro den Lastern nicht Raum.

Der höllische Drache

Verübte mit Macht

Erschreckliche Rache,

Besiegte die Schlacht;

Nun aber ist kommen,

Der ihm hat genommen

Die Waffen, ja, Jesus, der ihn übereilt,

Hat unter uns reichlich den Raub ausgetheilt.[268]

In eben den Orden

Der Schanden und Spott

Ist auch gebracht worden

Die grausame Rott',

Ich meine dich, Hölle;

Der Tod, dein Geselle,

Hat schimpflich verloren den Stachel im Krieg:

O flüchtige Feinde, wo bleibet eu'r Sieg?

Schaut, Pharaons Wagen

Und schreckliches Heer

Ist gänzlich zerschlagen,

Da ligt es im Meer!

Die Starke für allen

Sind nunmehr gefallen,

Komt, lasset uns diesen Triumph recht besehn,

Der allen und jedem zu gut ist geschehn!

O Jesu, wir preisen

Dein' herliche Macht

Mit lieblichen Weisen;

Du hast uns gebracht

Die Wolfahrt von oben,

Drum wollen wir loben

Dich Helden, dich Kämpfer, dich Leuen im Streit:

Bleib ewig zu helfen uns allen bereit.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 266-269.
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