Uber das hochheilige Evangelium am Ostermohntage, Luk. 24.

[289] Melodie: Jesus Christus, wahr Gottes Sohn, u.s.w.


1.

Wir wandern All' in diser Welt,

Woselbst sehr schlecht es ist bestelt.

Wir werden wie das Wild gejagt

Und auf der Walfahrt gnug geplagt;

Doch selig heist und ist der Mann,

Der hie nur Christlich wandlen kan.


2.

Komt, last uns da zwei Jünger sehn,

Welch' aus der Statt des Greüels gehn,

In welcher durch die lose Rott'

Erwürget ward der Grosse Gott.

Als dise wandlen nun dahin,

Tritt Jesus Selber Mitten in.


3.

Auch du geh' aus, Mein frommer Christ,

Von Babel, so du witzig bist.

Ach meide der verkehrten Raht

Und komme nicht auf Ihren Pfad.

Laß fahren alles, was nicht rein,

Alsden wil Jesus bei dir sein.


4.

Doch wilt du ferner wandlen wol,

So sei dein Mund auch Lobes vol;

Sprich mit den Jüngern für und für,

Was Gott gethan an Mir und Dir:

Ermuntre dich und preiß' hinfohrt

Des höchsten Wahrheit, Werk' und Wohrt.


5.

Es findet Sich der Herr geschwind

Daselbst, wo die versamlet sind,

Welch' Ihm nachwandlen mit Begier

Und bringen allzeit Guhts herfür

Aus Ihres Hertzen saubren Schrein:

Da, da wil unser Jesus sein.


6.

Wirst du nun ferner auch befragt

Vom Glauben, so sprich unverzagt:

Ich bins gewiß, daß Jesus Christ

Der gantzen Welt Erlöser ist,

Und das bezeüg' Ich Jederman,

Der Antwohrt von Mir fodern kan.


7.

Die Wahrheit wil Ich in der Noht

Vertheidigen biß an den Tod;

Drauf sol Mein Mund bekennen frei,

Daß Jesus Christ der Heiland sei.

Recht selig wird der Mensch genennt,

Der hertzlich glaubt und frei bekennt.


8.

Merk' auf, Mein Freünd, was Jesus spricht:

Ihr Tohren, wie? Versteht Ihr nicht,

Daß Christus nach der Schrifft allein

Hier must' erleiden solche Pein?

So schilt der Herr Ihr träges Hertz,

Doch treten Sie nicht hinderwerts.


9.

Wer so kan zwingen Seinen Muht,

Wie dises Paar der Jünger thut,

Wen Gott durch Seiner Lehrer Mund

Uns machen läst die Sünden kund,

Dem wird Er gnädigst auf dem Plaan

Verzeihen, was Er hat mißthan.


10.

Die Schläge des Libhabers sind

Viel besser, O du Sündenkind,

Als wen Ein Feind oft zum Verdruss'

Uns schenket Einen Joabskuß.

Wer dich ermahnt, der meint es wol,

Wer dich viel lobt, ist Schalkheit vol.


11.

Ey der Gerechte schlage Mich

Und straffe Mich nur säuberlich:

Daß sol Mir als ein süsser Wein,

Ja Meinem Haubt' Ein Balsam sein.

Wer hie kein warnen leiden wil,

Muß dort dem Satan halten still.


12.

Sol unser Heiland weichen nicht

Von uns, wen uns der Feind ansicht,

So höre man mit höchster Lust

Des Herren Wohrt, demnach bewust,

Daß dem, der Ihn im Wohrt' erkennt,

Sein Gläubigs Hertz für Freüden brennt.
[290]

13.

Wen Sich nun gleich dein Jesus stelt,

Daß Ihm der Abscheid schon gefält,

So ruff': O Meiner Seelen Licht,

Verbirge doch dein Antlitz nicht.

Mein treüer Hohrt, Ich kleb' an Dir:

Ach bleib', Ach bleib' hie stets bei Mir.


14.

Wie magst du doch so wiederlich,

Mein Libster Heiland, stellen Dich?

Bin Ich doch elend, arm und bloß.

Was? Deine Güht' ist viel zu groß;

Von deinem Scheiden sag' Ich frei,

Daß dirs kein Ernst gewesen sei.


15.

Wollan, Mein Hertz, steh' unverzagt,

Ob dich gleich Kreütz und Leiden plagt.

Dein Helffer ist genöhtigt schon,

Drum kämpfe frisch, dir bleibt die Krohn',

Ein Kleinoht, das nach diser Zeit

Dich zieren wird in Ewigkeit!


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 289-291.
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