Die Schlacht bei Hameln

[154] 1633.


Ihr Himmel, triumphirt und thut für Freuden springen!

Du helles Firmament, laß Lob und Dank erklingen!

Aurora, zeig uns nun dein lieblichs Angesicht,

Komm, komm und bring heran des güldnen Phöbus Licht!

Schaut an, wie thut die Nacht, die finstre Nacht vergehen,

Man sieht den bleichen Mond am hohen Himmel stehen

In seinem vollen Schein, man sieht die große Schar

Der Himmelslichterlein aufhüpfen hie und dar.1

Neptunus hat gestillt der Wellen tolles Brausen,

Und Aeolus hält ein der kühlen Winde Sausen,

Die Finsternus vergeht, der helle Tag bricht an,

Der mit der Sonnen Glanz die Welt erfreuen kan.

Kein Wölklein sieht man itzt, der Himmel steht gemalet

Lichtblau, wie ein Saphir; der helle Phöbus stralet

Weit über alle Berg und lecket von der Au

(Die voller Blümlein steht) den klaren Perlenthau.

Man hört das leichte Volk der Vögel trielieren,

Man sieht den Corydon ins Feld hinaus spazieren;

Der spielet von der Lieb' auf seiner Baurschalmei

Und singet drein, wie schön sein edle Schäfrin sei.

Der Wald ist voller Lust, die Hügel sind voll Freuden,

Ja, alles was man sieht, thut sich mit Wollust kleiden.

Komm' ich denn hin zu Mars, dem großen Kriegesheld,

Der mit dem starken Heer ümgeben ligt zu Feld,

Da geht die Freud' erst an, da ist ein Triumphiren,

Da sieht man Gold und Geld (der Feinde Raub) wegführen,

Da ist der Pauken Klang, da ist Trompetenschall,

Da ist der Roß' Geschrei, da ist der Büchsen Knall,

Da spielt man fröhlich auf. Ich seh die Fahnen fliegen,

Die man gewonnen hat, der Feinde Haufen ligen

Erschlagen hin und her; da singt ein jedermann:

Frisch auf, ihr Rittersleut, wer ist, der trauren kan?

Frisch auf, der große Gott hat uns den Sieg verliehen,

Jehova ist mit uns, der macht die Feinde fliehen,[155]

Der stürzet Roß und Mann, er selber führt den Krieg,

Er hilft wann niemand hilft, er gibt allein den Sieg.

O Teutschland, freue dich, jetzt ist aufs Neu zerbrochen

Die Macht des Antichrists; es ist im Grimm gerochen

Des großen Königs Blut, das Blut, das edle Blut,

So noch ohn' Unterlaß um Rache schreien thut.

Der Feind vermeinte zwar, das Häuflein zu verschlingen,

Nun hat sichs umgekehrt, es wolt ihm nicht gelingen.

Der Held von Lünenburg war mutig und bereit,

Zu leben oder auch zu sterben in dem Streit;

Er ließ sein tapfres Volk ganz unerschrocken führen

Den Feinden ins Gesicht, sprach: »So wir denn verlieren,

So sterben wir mit Ruhm für teutsche Libertet,

Für Gott, fürs Vaterland; Ehr' dem, der kühnlich steht!

Erhalten wir den Sieg, so weiß die Welt zu sagen

Von unserm hohen Preis, den wir von hinnen tragen.

Nun dran, ihr Rittersleut, ich leb' und sterb' bei euch.«

Hiemit schwang er sein Pferd. Ihm war in allem gleich

Sein Marschalk, der begunt' die Ordnung anzustellen;

Es hat ein guten Mut, des Feindes-Macht zu fällen.

Und damit fieng sichs an. Das Donnern der Geschütz'

Vertäubte Roß und Mann, der Musketierer Blitz

Ließ Hagel, Feur und Blei hin zu den Feinden fliegen;

Bald sah man ihren Trotz mit großem Spott erligen.

Der Schweden kühnes Volk schlug drein so grimmiglich,

Daß von der Feinde Blut das Erdreich färbte sich.

Da half kein Bitten, noch kein Flehen, kein Vermahnen,

Mit Piken, Schwerten, Spieß, Musketen, Partisanen

Hieß man sie willkomm sein; des großen Königs Sohn

War selber auch dabei, gab ihrer viel den Lohn.

Er schrie die Schweden an: »Ihr Brüder, helft mir rächen

Den, der mich hat erzeugt. Auf, lasset uns zerbrechen

Der Widersacher Trotz, itzt ist die rechte Zeit;

Denn hier barmherzig sein, ist Unbarmherzigkeit.«

Und hiemit fiel er an mit Reißen, Würgen, Schlagen;

Sein Volk stund wie ein' Maur, der Feind fieng an zu zagen;

Der Prinz, von Rach ergrimmt, schlug drauf mit solcher Macht,

Daß er zuletzt den Feind in schwere Not gebracht,

Der gerne fliehen wolt' und doch nicht kont' entrinnen,

Ja, wuste sich für Angst nicht einmal zu besinnen.[156]

Das Schwert, das hitzig' Schwert erwürgte Groß und Klein;

Bei ihnen wolte doch gar kein Erbarmen sein.

Der Weserfluß stund stil und sah die Feinde laufen,

Die Berge möchten kaum den weit erschlagnen Haufen

Beschatten; ja, das Blut hat alles rot gemacht,

Bis man zuletzt den Sieg mit Gott davon gebracht.

O Teutschland, freue dich, es ist in wenig Stunden

Itzt abermal dein Feind und Räuber überwunden;

Die Liga sitzt betrübt und muß bekennen frei,

Daß unser Beistand selbst der Herr gewesen sei;

Der Herr, der große Gott, der Abraham half kriegen,

Der David, Josua und Gideon ließ siegen,

Der Pharao gestürzt, der Ahitophels Rat

Durch seiner Weisheit Macht zum Spott gemachet hat.

O Teutschland, freue dich, Westphalen ist entbunden

Von seiner schweren Last; die Feinde sind verschwunden;

Die Münche laufen fort; die Pfaffen gehn zu Haus;

Die Meß ist abgethan; der Greuel ist heraus;

Das Narrenwerk hört auf, die Bilder sind entschlafen.

So weiß der Götter Gott den Götzendienst zu strafen;

Der Gott, der helfen kan, ihm bleibt die Ehr' allein,

Er sol stets unser Hort, Schutz, Trost und Helfer sein.

O Teutschland, freue dich, thu aller Welt vermelden

Die hochberühmte That des Lüneburger Helden!

Fleuch, Fama, fleuch von hier und mach durch alle Land

Der Welt, der großen Welt, des Fürsten Sieg bekant!

Und ihr, ihr Musenvolk, thut ihm die Kron' bereiten

Der langen Ewigkeit, damit sein tapfres Streiten,

Sein Siegen und sein Lob erschalle noch so weit,

Als Phöbus selber läuft in seinem güldnen Kleid.

Wir rufen all' zu Gott, er woll euch lang erhalten,

O hochgeborner Fürst, er laß euch ja veralten

In solchem hohen Lob, daß es je mehr und mehr

Aufwachse, weil ihr seid der Teutschen Preis und Ehr'.

Wir wünschen, edler Held, daß ihr uns wiederbringet

Die Freiheit, da man nun so lange Zeit nach ringet.

Deß helf euch unser Gott, der laß euch glücklich sein

In allem, das ihr thut, von ihm kommt Hülf' allein.

Fußnoten

1 »Auf die gewaltige Schlacht für Hamelen, in welcher der Fürst, Herr Georg, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, einen herlichen und rühmlichen Sieg hat erhalten und davon getragen. Im Jahr 1633.«


Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 154-157.
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