Das XIII. capitel.

[3] Freie leute geben ungern zum regiment, darum kans keinen bestand haben.


"Wens nun also geht wie gesagt,

Findt man selten einen, ders wagt

Und die übertreter will strafen,

Man leßt die gerechtigkeit schlafen,

Das schwert und ruten liegen still,

Jederman tut was er nur will,

Niemand tracht zum gemeinen besten,

Ein jeder schaut zu seinem nesten,

Niemand will geben schoß und rent

Zu erhaltung der regiment,

Bis das es gar zu drümmern geht,

Ein elend verwüstung entsteht.

Kein reich auf erden hat bestand,

Es werde wie es wöll genant,

Da erbar scham und grechtigkeit

Nicht platz behalten alle zeit;[3]

Da einem boshaftigen man

Die ernste straf nicht zwingen kan,

Da jeder nur für sich will leben,

Nichts zum gemeinen nutz hingeben:

Da geht zu grund all polizei

Und kan und mag nicht bleiben frei. –

Als dem leib ehemals ist gegangen,

Da sein aufrur ward angefangen

Von andern gliedern in gemein

Wider den magen gar allein.

Denn das heupt kam auf den gedank,

Das es für sorg würd grau und krank,

Die augen sich gar ser verwachten,

Die hend und füß viel erbeit machten

Nur darum, das sie ihrem magen

Seinen sack füllten bis zum kragen,

Welcher doch wie ein fauler wicht

Gar müssig leg und hülf ihn nicht,

Wie ein alte brack hinterm ofen,

Ja wie ein mastschwein auf dem kofen;

Dankt ihn nicht eins für die unru,

Das sie ihm alles trugen zu,

Das sie ihn hielten wie ein herren

Mit tragen, kleiden und erneren;

Er sei noch so grob undankbar,

Das er oft ausspei alles gar,

Was sie ihm aus freundschaft gegeben,

Als wol er sie bringen ums leben.

Darum wolten sie schließen, das

Dem faulen schelmen zu eim haß,

Wie man sagt auf dergleichen fall,

Jeder für sich, got für uns all,

Ein jedes glied solt fein selbst pflegen,

Den magen lassen hülflos legen,[4]

Damit er in dem werk befünd,

Das sein wolfart bei andern stünd

Und er on ihnen müst verderben,

Schendlich in armut hungers sterben.

Dies must das maul mündlich antragen,

Mit großem ernst dem magen sagen,

Die füß stampften, die hende drauten,

Die augen trotziglich ausschauten,

Der kopf winkte, die oren sausten,

Die naslöcher schnaubten und brausten.

Der gute mag hatte kein oren,

Darum wolt er davon nichts horen;

Sondern da er verdaut sein last,

Ein ganzen tag dazu gefast,

Das er doch war gar ungewont,

Wundert er sich, das man nicht lont

Für seine küchenmeisterkunst,

Welcher er lang gewart umsonst,

Und fieng darauf ser an zu murren,

Durch den ledigen bauch zu knurren.

Und als er damit nichts erzwang,

Macht er dem herzgrüblein ser bang,

Kroch zusamen, hub seinen grund

Mit schleim und gall zum magenmund,

Das aus dem maul angstwasser rann

Und dem heupt der schwindel ankam.

Er flucht auch grob mit manchem rülz,

Das sie wurden so karge filz,

Ihrem bruder nichts wolten geben,

Der ihnen doch erhielt das leben.

Aber sie spotten sein dazu,

Sprachen: Ja lieber, murrest du

Und blökst auch wie ein ochs und rind,

Wilt uns schrecken mit faulem wind?

O nein, der zorn ist eitel tand,

Welcher nicht mechtig ist der hand.

Nere dich selbst du fauler wanst;[5]

Laß sehn, was du erwerben kanst!

Wir wollen dir nicht mer so geben,

Das du fürest ein müßig leben;

Es heißt, wer nicht erbeiten will,

Der laß das brot auch liegen still. –

Was solt machen der taube mag?

Er wartet bis den andern tag,

Und da kein speis erfolgen wolt,

Wie hart er auch fordert den sold,

So krümmet er sich wie ein igel,

Kroch in einander wie ein schniegel,

Lecket den speichel aus dem mund,

So lang er den noch haben kunt.

Wie aber der auch war verzert

Und nichts im rest, das in ernert,

Da ward der schlung gar heiß und hart,

Genet und schuckt nach raben art.

Der mund kunt die zung nicht bewegen,

Von dürre wolt die sprach sich legen,

Die nas ward spitz, die augen tief,

Ihn daucht, das der boden umlief.

Das heupt war voller bitterkeit,

Kont zum schlaf nicht treffen die zeit,

Die oren klungen als ein schell,

Vernamen alles viel zu schnell,

Die schien ward scharf, die knorren groß,

Rucken, rieben als werens bloß,

Der bauch gar klein und eingebogen,

Die backen an die zeen gezogen,

Die hende matt, die füße lam;

Ein jedes ward im selber gram,

Das es sich fand so schwach und schwer,

Als wenns mit blei umgossen wer;

In summ, der leib war so gestalt,

Wie man den tod abscheulich malt,

War auch viel mer denn halber tot,

Hatt nie erfaren solche not.[6]

Bis die vernunft im heupt bedacht,

Was man aus diesen sachen macht,

Ehe denn der leib und alle glieder

Ganz und gar fielen tot danider;

Und fragt den geist im heupt, wies kem,

Das er an kraft so gar abnem?

On schwindel sein heupt nicht wolt halten,

Und ließ alle glieder erkalten?

Der geist antwortet: Wie kömt das,

Wenns dacht vom öl nimmer wird naß,

Das der lampen flam dunkel steht

Und endlich ganz und gar ausgeht?

Das herz gibt mir wedr macht noch saft,

Also verlier ich meine kraft.

Das herz aber sein ursach sagt:

Es würd gar unbillig verklagt,

Die andern teten nimmer gut,

Fürten zum licht kein öl noch blut,

Das es nunmer schier war verdort,

Kont für schwachheit machen kein wort.

Die adern wolten auch nicht dulden,

Das man sie darum solt beschulden,

Klagten über kargheit der leber,

Die ein filz worden aus eim geber,

Ihnen kein tröpflein bluts mer gönt;

Wer ihr mit gewalt was nemen könt?

Ja wol, sagt die leber, ists war,

Vom kalen kopf reuft man kein har.

Wo nem ichs, das ir mir abpocht,

Wenn der magen uns nichts fürkocht?

Wol kochen! antwortet der magen,

Will man doch nichts zur küchen tragen.

Der mund verleßt mich ganz und gar,

Vergönt mir auch das wasser klar,

Das mag er mir auch nicht eingießen,

Davon doch alle brunne fließen.

Der mund zuletzt mit ungeduld

Sprach, es wer nicht allein sein schuld,[7]

Sondern die glieder hetten all

Dies also geschlossen einmal,

Sie wolten dem magen nichts geben,

So lang er so wolt müßig leben. –

Da recht, sprach die vernunft, da recht!

So soll den herrn trotzen der knecht.

Der magen ists, der all ernert;

Wenn er euch denn zum dienst beschwert,

So leidet dafür euer straf,

Sterbet wie die törichte schaf! –

Sie waren auch des zanks nicht fro,

Der leib ward schwach und starb also.

Denn da sie gleich alls wolten geben,

Kont ers nicht nemn, kont nicht mer leben.

Speis und erznei hat ihre zeit,

Wer die verseumt, selten gedeit. –

Seht, sprach Graukopf, mein lieben heren,

So gehts, wenn die leut sich beschweren,

Der obrigkeit zum regiment

Zu reichen ihre hülfliche hend,

Wie denn in dem gemeinen haufen

Freier leut oft pflegt vorzulaufen."
[8]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 3-9.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Froschmeuseler
Froschmeuseler (9 )
Froschmeuseler
Froschmeuseler, Volume 1 (German Edition)

Buchempfehlung

Apuleius

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.

196 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon