Das XIV. capitel.

Gemeiner pöbel macht oft einen auflauf on ursach.


"Solch unglück ist im freien land

Alzeit zu fürchten beim friedenstand,

Sprach Graukopf; aber zu der zeit

Wenn die sachen laufen zum streit

Und man ein krieg auch sol vornemen,

So gehts erst das man sich mag schemen.

Denn wenn unerfarne leut

In frieden sitzn ein raume zeit,[8]

So tun sie wie der esel tat,

Da er zu viel des futters hatt

Und wolte tanzen auf dem eis

Und brach ein bein mit der unweis.

Und wie die lieben kinderlein

Das feur halten lieblich und sein,

Lassen sich auch davon nicht trennen,

Bis sie die hend daran verbrennen:

So reucht dem unerfarnen man

Der krieg so süß als honig an.

Er meinet, krieg sei eine sach,

Die alle knecht zu herren mach,

Darin man krieg was man begert,

Bis er das widerspiel erfert.

Und kömt ein anfenger daher,

Sie folgen ihm on al beschwer

Und machen ein so groß lerman,

Als wolt die ganze welt vergan;

Wissen doch selbst noch kein bericht,

Obs der mühe bedarf oder nicht,

Ob auch geferlich sein die sachen,

Ob mans on krieg könt richtig machen?

Wie denn gebürt eim weisen man,

Das er versuch alls was er kann,

Ehe denn er mit der faust drein schlage

Und all gefar aufs eußerst wage. –

Unter den mantieren sind lauren,

Die sich auch nennen grobe bauren,

Wollen alzeit in freiheit leben,

Keiner herschaft ihr ere geben,

Auch nicht wandern vom dorf und stat,

Da sie die mutter geboren hat.

Wie dieselben wolten ausgehen

Und die gelegenheit besehen,

Waser gestalt des himmels rand

Sich im kreis nider ließ aufs land[9]

Und sie allenthalben umschlöß,

Mit wind, tau und regen begöß;

Wie die sonn an dem einen ort

Früh morgens gieng heraus und fort,

Am abend fiel wider herunter,

Das ihn billig gedaucht ein wunder.

Meinten auch, recht nach ihrer weis,

Es gölt nichts denn ein tagereis,

Bis das sie kemen an das end,

Da sich himmel und erden wend,

Dieweil abends hinter dem wald

Die sonn sich verlöre so bald

Nach ihrer einen tagereis;

Sie woltens versuchen mit fleiß. –

Wie sie aber ser früh ausgiengen,

Noch für sonnenaufgang anfiengen

Und in dem wald am abend spet

Kamen zu einer raumen stet,

Wurden sie gewar in dem feld,

Das sich der erdbodem verstellt

Und einen großen bauch erhoben,

Viel höher denn tausend backofen;

Das auch die sonn an einer eck

Sich verkroch als hinter der deck,

Desgleichen sie vor nie gesehen.

Sie blieben aus schrecken bestehen,

Und liefen zuletzt hin zu haus,

Machten ein landgeschrei daraus,

Das der erdboden schwanger wer.

Da griff die ganz gemein zur wer,

Und wer ein mistgabel kont tragen

Oder mit einem flegel schlagen,

Der kam mit einem feldgeschrei

Durch den wald gezogen herbei. –

Die weiber aber und die kind

Und ander werlos hausgesind

Hielten daheim gebet und klagen,[10]

Als wolten sie für leid verzagen.

Denn solt man der erden nicht weren,

Und sie on hinderniß geberen,

Wie denn geschehn für alten jaren,

Als sie ehemals berichtet waren:

Würd on zweifel kommen ins land

Ein unüberwindlich gigant,

Der mit dem kopf die wolken reicht,

Der keiner macht aus furcht entweicht,

Der alles vieh und menschen freß

Und ihr land gar allein beseß;

Wie die hünen, die großen leut,

Getan hetten für dieser zeit,

Welcher tochter baur, pferd und wagen

Hett im schurztuch mit heim getragen,

Ihrer mutter für würm gezeigt,

Damit sie spielen wolt zur freud.

Dem müst man bei der zeit vorkommen,

Ehe denn es überhand genommen,

Und das kind totschlagen noch jung,

Sobald es aus dem berg entsprung. –

Also belagrten sie den berg

Und warten auf das wunderwerk.

Es ward aber der klügste narr

On gefer sonderlich gewar,

Das der berg hat ein rißlein schmal,

An einem ort unten im tal

Von regenwasser ausgeflößt,

Wenn das von oben abwerts stößt.

Da, meinten sie, würde geschwind

Heraus brechen das riesenkind

Und seiner brüder etlich mer,

Umsonst der berg so dick nicht wer.

Dafür wurden die besten held

In guter ordenung bestellt,

Und hielten in der langen gassen,[11]

Die kinder tapfer anzufassen

Mit mistgabeln, bratspießen, flegeln,

Zaunstecken, axten und holzschlegeln.

Die andern sollen halten wacht,

Das sichs nicht anders wo raus macht.

Und wenns denn kem mit einem lauf,

Solten sie tapfer dreschen drauf,

So könt man das mit salz einmachen,

Gegen dem feuer dürren und bachen

Und in den kirchturn dies mirakel

Setzen zu eim wunderspectakel,

Die namen verzeichnen daneben,

Welch ihm hetten gute gegeben.

Ein jeder wolt da tun das best,

Biß die zeen, faßt sein gewer fest,

Spieg in die faust und strich den bart,

Ruspert, rulzt, brumt nach berenart,

Stampft mit den füßen als ein pferd;

Der handel war der mühe wol wert.

Etlichen entfiel auch der mut,

Meinten, die flucht wer wol so gut;

Behieltn darum ein fuß dahinden;

Wo sich die gfar ja würde finden,

Wolten sie eilend davonspringen

Und die erste zeitung heimbringen. –

Wie sie nun alle stille stunden

Und etwas rauscht in berges schrunden,

Als wenn ein eidechs sich bewegt,

Im kraut dürre baumbletter regt,

Oder von einer alten wand

Bei der nacht sonst reiset der sand

Und argwonige leut erschreckt,

Als ob ein gspenst dahinten steckt,

Entfiel ihn bald der große mut,

Die har kribbelten unterm hut,

Die kelt über den leib aufrückt,

Das sich die zung am gaumen drückt,[12]

Die hosen anfiengen zu stinken,

Die bein zu zittern und zu hinken,

Als hetten sie den kalten seich,

Das sie sahen erschrecklich bleich

Und allen ein grauen ankam;

Einer sahe den andern an,

Ob er wolt laufen oder stehen,

Es würd nun an ein treffen gehen,

Es würd das wunderspiel sich machen,

Jeder solt acht haben der sachen,

Itz drüng der groß gigant heraus –

Da lief herfür ein kleine mans!

Der sie all anfiengen zu lachen,

Und wüsten darvon nichts zu machen,

On das sie wider zu haus kerten

Und die geschicht ihr kinder lerten;

Sprachen: Der berg wolt riesen hecken

Und bracht ein meuslein für die gecken. –

Solcher krieg werden viel gefürt,

Wo der gemein pöbel regiert

Und nicht zuvor die sach betracht,

Ehe denn er blinden lermen macht.

Was man denn so nerrisch anfangt,

Billig ein nerrisch end erlangt."
[13]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 8-14.
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