Das IV. capitel.

Das der elementen und der glieder regiment im leibe one könig unbestendig sei.


"Wenn aber nur die elementen

Bleiben solten der welt regenten,

On furcht einiges oberherren,

So würd ihr friede nicht lange weren,

Eins würde das ander verjagen.

Wie ich denn oftmals hören sagen.

Das ehemals das wassr alle land

Mit einer sintflut überrant,

Alles ertrenket one gnad,

Was sein odem im trucken hat;

Das feur hat auch zu jeder zeit

Mit brand gemacht viel arme leut;

Der wind erseuft viel schiff und gut,

On was vergifte lust noch tut;

Der erdbodem zittert und bebt,

Frißt und erstickt alles was lebt.

Daher die reim ihn Cerber nennen,

Für ein höllischen hund erkennen,

Der mit drein meulern alles verzer,

Was in der welt drein landen wer,[35]

Europ, Afrika, Asia,

Vom mer bis hinter India. –

Wie denn dergleichen auch geschicht,

Wo der will der seeln folget nicht,

Zeucht sich von got zur erd herab,

Vom licht zur finsterniß ins grab.

Als wenn der mon so niedrig stehet,

Das ihm der sonnen licht entgehet,

Will seins gefallens für sich leben,

Auf des gemüts warnung nichts geben,

Sondern bleiben sein eigen man,

Gehorcht allein dem falschen Wan

Und reizt das herz, das auch mit wagt,

Nach seel und gemüt gar nichts fragt,

Sondrn folgt der sinn lust und begier

Gleich als ein unvernünftig tier,

Lesset sich die augen verfüren

Auf geld, auf hoffart, wollust, huren,

Vergisset aller gütigkeit,

Brumt von zorn und rachgierigkeit,

Treibt die zung, zu lestern und schenden,

Mordet freventlich mit den henden,

Wütet wie ein rasender hund:

So wird das gewissen verwundt. –

Vernunft und will merkt sein unrecht,

Weil sie das gmüt veracht so schlecht;

Das gmüt versagt ihn trost und licht,

Wie dem mon in finsterniß geschicht.

Und wie got selbst, der auf sie scheint,

Des ungerechten verderb meint:

Also das gmüt ernstlich verdamt

Vernunft, gedankn, will, herz alsamt,

Die sich darauf nagen und plagen,

An got und creatur verzagen,

Bis endlich leib und lebn verschmacht,

Das heißt, das königreich veracht. –

Und dies pflegt der ausgang zu sein,

Wenn ihr wenig aus der gemein

Allein haben das regiment,

Wenn es steht in der weisen hend;

Denn weil jeder unter ihn allen[36]

Der ganzen gemein will gefallen

Und derhalben kein fleiß noch gab

Dran spart, das er den vorzug hab,

So entsteht bald heimlicher neid,

Der die herzen vonander schneidt

Und den andern nichts gut leßt sein,

Es nütz oder schade der gemein;

Endlich öffentliche feindschaft.

Das giebt denn allen sachen kraft,

Lert, das man sich muß wol vorsehen

Für den, so nechst bei uns gehen,

Das sie uns nicht die fers abtreten;

Die abwesnden es nimmer teten. –

Der ernste man will ganz nicht weichen

Und sich mit ihr keinem vergleichen;

Weil er recht habe und es gut mein,

Soll auch sein rat der beste sein,

Meint, wenn die ufer, berg und land,

So bei der see liegen am rand,

Dem wind und wasser wolten weichen,

Würd das salzwasser gar einschleichen,

Wider ein neue sintflut werden,

Kein baum, kraut, tier bleiben auf erden.

Es muß auch sein bestendigkeit,

Sonst folgt eitel unrichtigkeit.

Ja, er wolt, das, die für ihm waren,

Nichts gewußt hetten, nichts erfaren,

Was guts geraten nimmermer,

Das er allein het rum und er:

Er wer klug, getreu und gerecht,

Sein rat allein all wolfart brecht. –

Der gelinde leßt alles gehen,

Wil still sein und dem spiel zusehen,

Die glimpf fein suchen mit nachgeben,

Liegen lassen was er nicht kan heben;

Gedenkt, das sei der beste rat,[37]

Der bei sein bürgern findet stat:

Was sie nicht wolln, das geb er zu,

Seim vaterland zu lieb und ru.

Denn wie er sein vater nicht schlag,

Wenn der nach gutem rat nicht frag,

Wöll er auch wegen rechter sachen

Seim vaterland kein unruhe machen.

Gedenkt, es sei ihm auch zu raten

Was zwo kluge ziegengeis taten:

Denn wie eine sahe die ander stehen,

Wolt zu ihr übers wassr gehen

Auf einem langen schmalen steg,

Die andr begegnt auf halben weg,

Das sie im mittel mit den füßen,

Mit stirn und horn zusammenstießen

Und gar nicht konten ferner kommen,

Hettn gern ihrn gang zurückgenommen,

Sich auf der hinterfüße stand

Wie ein cirkel rund umgewandt,

Wenn nicht das wassr, so in der tief

Mit erschrecklichem brausen lief,

Und der schmale steg sie erschreckt,

Zittrn und schwindel bei ihn erweckt,

Das sie fürchten, sie würden fallen,

An den felsen auf stücken prallen

Oder im tiefen grund ersaufen,

Tot mit dem strom bergunter laufen;

Darum legt ein sich auf den steg,

Das die ander stieg überweg,

Ein jede also der gfar entschlich,

Dieweil eine der andern wich.

Das ror bleibt mit seinem nachgeben,

Der baum stürzt mit seim widerstreben:

Also tut auch der glinde man,

Wenn guter rat nicht gelten kan,

Meint, der ist weis und wolgelert,

Der alle ding zum besten kert.[38]

Sei nicht zu klug und nicht zu grecht,

Spricht Salomon, so tust du recht. –

Der zornige will alles wagen

Und mit der faust in haufen schlagen

Und, was er recht zu sein erkent,

Fortsetzen und bringen zum end,

Solts gleich allen menschen verdrießen

Und das kind mit dem bad ausgießen.

Das eisen würd nimmer gefüg,

Wenn nicht ein eisen das ander schlüg;

Kein feur würd auch auf erden sein,

Schlüg nicht der stal den kieselstein.

Der muß fest stehn und muß es wagen,

Der endlich will den sieg wegtragen. –

Der redner will alle regieren

Und mit seim mund die herzen füren;

Und wie die wind stürmen ein schiff,

Bis sies umstürzen in die tief,

So reißt und wirft er alles nider,

Was er meint, das sei ihm zuwider,

Und sucht mit dienst, mit list und kunst

Des algemeinen völklins gunst;

Will mit der meng seinen feind schrecken,

Seins gefallens in den sack stecken,

Bis das man aufbringet die leut

Zu öffentlichem krieg und streit

Und einer die andern verdrückt,

Zu sich allein die herschaft rückt

Und denn anricht ein königreich;

Sonst ist kein rat, der sie vergleich. –

Und wenn gleich auch durch gottes gnad

Fest bleibt der weisen reich und rat,

Muß doch einer sein unter allen,

Dem die andern tun zu gefallen,

Was sein bedenken ist und will,

Für dem jederman schweiget still,[39]

Dem jeder folgt in kriegesnot,

Es gelt zum leben oder tod,

Es sei fürst, adel, bürger, rat,

Odr ein ander ders ansehn hat;

Als ehe gieng zu Athen und Rom,

Sonst ist er umsonst weis und from.

Ansehn aber ist gottes gabe:

Wer das nicht hat, der zeugt schal abe

Und muß sein ordnung und gebot

Bleiben lassen der andern spot,

Werens gleich solche billige sachen,

Die kein engel könt besser machen. –

Eben also pflegts auch zu gan,

Wo mit regieret Alleman

Und gleich viel gilt eins jeden rat.

Im reich, das ser viel fürsten hat,

Da kochen viel köch selten gut,

Die bösheit fasset großen mut,

Vermeint, frei hindurch zu kommen

Mit allem, das sie vorgenommen;

Nicht mit neid und dem lestermund,

Sondern mit freundschaft und mit bund,

Den sie mit ihren rotgesellen

Andern zum schaden fein anstellen,

Und tun alles was ihn gelüst,

Reumen weg das ihn wider ist.

Da ist zuletzt kein mittel drein,

Sol das regiment sicher sein

Und nicht zur mördergruben werden

Oder sonst kommen in beschwerden,

Denn das kom ein Nimrodisch man,

Der die aufrürer zwingen kan,

Den die gemein willig will eren,

Ihm folgen als ihrem schutzherren.

Wies den meusen gieng solcher gstalt

In Thüringen, Harz und Schwarzwald,[40]

Als sie die jungherrn wolten schlagen,

Alle fürsten zum land ausjagen,

Den fröschen in Ditmarser land,

Als zwiespalt sie verblendt und trant.

So nimt denn auch solch regiment

Mit einem königreich sein end."
[41]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 35-42.
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