Das III. capitel.

Des storchs landrecht und execution.


"Als das geschrei auch war gestillt

Und jedes herz in freuden spielt,

Das sie so schönen könig hatten.

Auch immer neher zu ihm traten

Aus dem wasser hin auf das gras.

Und einer auf dem andern saß,

Wie die emsen zusammenlaufen

Und sich dringen in einen haufen –

Sprach der könig: In gottes namen

Fahe ich an zu regieren. Amen.

Höret zu all in großer still

Was ich nun euch gebieten will.

Erst fürchtet got von herzengrund

Und preiset ihn mit eurem mund,

Insonderheit rufet ihn an,

Wenn ein groß wetter will aufstan.

Zum andern tut den könig er,

Denn er ist nunmer euer herr,

Weichet ihm alzeit von der straß,

Ein jeder auch sein reden laß.

Zum dritten will ich das euch leren,

Das ihr solt vatr und mutter eren

Und sie im alter nicht verlassen;

Kein junger soll den alten hassen,

Sondern die alten erlich halten:

So wird er auch in eren alten.[83]

Zum vierten soll ihr erlich leben,

Euch nicht auf schand und laster geben,

Nein jungfrauschaft und ehestand lieben

Und euch in guten sitten üben.

Zum fünften ist auch recht und fein,

Das man eim jeden laß das sein,

Nicht schad eins andern leib und gute

Aus geiz odr zornigem mute.

Niemand soll fremd gebiet und recht

Wider recht ziehn auf sein geschlecht,

Darum weil got verordnet wol,

Das ich den menschen dienen soll,

Bezalen wie ein dankbar gast,

Das ich bei ihm hab schutz und rast,

Wie sie mich denn in freundschaft kennen,

Ihrn storch, heilbot und alvater nennen.

So gebiet ich, das euer kein

Dem menschen sol verdrießlich sein,

Seine garten und wiesen betreten

Insonderheit bei dorf und steten.

Im see halt jeder seinen stand

Und wander nicht mer auf dem land.

Ans ufer mag er wol austreten,

Daselbst sitzen, singen und beten,

Jedoch weichen zus königs er

Und wo der mensch spazieret her.

Wenn ihr dies haltet algemein,

Will ich euer trost und schutzherr sein,

Gar fleißig auf euch achtung geben,

Sobald ihr anfanget zu leben,

Und für die schlangen wol verwaren.

Wer sich aber anders wird gebaren,

Den wil ich strafn an leib und gut;

Darum seht zu, das ihr recht tut.

Wo man nicht findet der straf exempel,

Da wird veracht rathaus und tempel. –[84]

Als der könig die red getan,

Hub sich ein wunderlermen an;

Für andern aber drang herbei

Koax und macht ein groß geschrei,

Das er und seine rottgesellen

Die alten schelm nicht eren wöllen.

Sie können sich auch nicht verzeihen,

Das sie im gras nicht hielten reihen –

Und was der sachen war noch mer.

Darum erzürnt der könig ser.

Und als sie zu ihm drungen ein

Und greifen ihm an seine bein

Mit bitt, er wöll sein ordnung brechen

Und die alten nur gar erstechen,

Trat der könig zurück hinab

Und sprach im zorn: Ich werd knip, knap,

Wo man mein ordnung helt für spot!

Damit knip er den Koax tot,

Dazu noch über funfzehn ander,

Verschlang sie alle nach einander.

Solch lon bekam, der got veracht

Und auch der alten rat verlacht. –

Er zog auch eilend aus der seit

Zween starke flügel, lang und breit,

Und fur damit über den see.

Die frösch riefen: O wehe uns, wehe,

Nun müssen wir alsamt vergehen!

Wer kan und mag uns nun beistehen?

Der könig ist vom teufl besessen,

Er wird uns all schlagen und fressen.

O hetten wir noch unsern bloch!

Damit kroch ein jeder zu loch,

Und durft keiner in dreien tagen

Etwas reden oder was fragen,[85]

Und wenn gleich einer kuckt herfür,

Müst er doch wagen abenteur,

Das der könig am ufer gieng

Und ihn mit dem schnabel empfieng.

Die schlangen furchten auch den tod,

Krochen zu uns in ihrer not

Und fraßen den wirt und die seinen.

So wurden zweifacht unser peinen:

Denn wer könig bloch nicht will leiden,

Dem ist der storch zur straf bescheiden."
[86]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 83-87.
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