Trauerflor

[41] Du dunkles Band von Trauerflor,

Um einen welken Strauß geschlungen,

Was rufst du aus der Brust hervor

Die schlummernden Erinnerungen?


Der Strauß war frisch, und jene Hand,

Die ihn gereicht, voll Lieb' und Güte;

Und Dank und Liedertöne fand

Ich überglücklich im Gemüthe.


Wie klingt das fern, wie liegt das weit,

Von ernsten Tagen längst bezwungen!

Mir ist als wüßt' ich nicht die Zeit

Da ich so froh hinaus gesungen.


Doch du gemahnst mich, dunkles Band,

Das ich an kummerreichem Tage,

Aus der Geliebten Locken wand,

An Stunden zweifelvoller Klage;


An Jugendwahn, der eingelullt

Das Herz mit neuen Hoffnungsbildern,

An unversöhnter Trennung Schuld,

Die, ach, kein Trost vermag zu mildern!
[42]

Dich wählt' ich, dunkles Trauerpfand,

Da nichts mehr als der Schmerz uns einte,

Dem letzten Strauß als letztes Band

Für jene Zeit, die vielbeweinte.


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 41-43.
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