Ein Sauerampferkranz

[130] (Zum Geburtstage.)


Nach dem Reichthum all' des Süßen,

Und der Blumen Duft und Glanz,

Kommt noch spät dich zu begrüßen

Hier ein Sauerampferkranz!

Ungewöhnlich ist vor Leuten

Solch ein Kranz, man muß gestehn!

Wollt' er gar etwas bedeuten,

Wär' es um den Dank geschehn!


Doch auf reineres Verständniß

Hofft bei dir dies Maiengrün:

Fördrung der Geschmackserkenntniß

Einzig soll daraus erblühn.

Und daß ich mir Dank erwerbe,

Als ein Suppenkunst-Adept,

Für das Wilde und das Herbe

Geb' ich gleich das Kochrezept:


Nimm denn Brühe, sei's von Knochen,

Sei's von Muskeln, laß drauf gut

Den gehackten Ampfer kochen,

In der krafterfüllten Flut.[131]

Liebst du grünen Kerbels Spenden,

Oder blauen Gundermann,

Thu dann, ohne zu verschwenden,

Auch von diesem etwas dran.


Doch bevor sie angerichtet,

Und sich biete sonder Fehl,

Sämig wird die Flut verdichtet

Noch mit Eigelb, Rahm und Mehl.

Dann, zum äußersten Behagen,

In das duft'ge Element

Eier noch hineingeschlagen,

Welche man »verlor'ne« nennt.


Doch nun darf ich nicht verschweigen,

Daß – zum Trost gereich' dir dies –

Die Erfindung nicht mein eigen,

Und ich sehr mir helfen ließ.

Ruf' denn die Familiengruppe

Löffeltapfer um's Gedeck!

Und behagt ihr dann die Suppe,

Ist erfüllt des Kranzes Zweck.


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 130-132.
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