[127] 1859.
Seit der erste Liederton
Klang in unsrem Kreise,
Hat die Zeit vollendet schon
Manche Jahresreise;
Hat uns durch die Welt zerstreut,
Und uns neu verbunden,
Und wir fühlen uns noch heut
Wie in alten Stunden.
Ist an Wünschen, hochgeschwellt,
Manches auch gescheitert,
Fühlt ein Jeder seine Welt
Innen doch erweitert.
Und in ungeschwächter Lust
Zu erhöhtem Schaffen
Rühren tapfer und bewußt
Sich die Geisteswaffen.
Eine einz'ge Sonne scheint
Auf der Straßen viele,
Und das Fremdeste vereint
Sich in Einem Ziele.[128]
Mag Jedweder seines Flugs
Letzten Kreis durchschwärmen,
Jeder Lichtglanz seines Zugs
Wird uns All' erwärmen.
Aus dem Tempel aber mit
Schmeichlern oder Lobern!
Wahrheit lehre Schritt für Schritt
Uns die Bahn erobern!
Wahrheit schafft am Dornenstrauch
Rosen, uns zu krönen,
Wenn am Ziel der Opferrauch
Steigt im Reich des Schönen.
Doch wie nur der Sonnenschein
Bringt die vollste Blüthe,
Will gehegt das Schöne sein
Durch der Frauen Güte.
Und so wirkt, der Brüder Kreis
Innig zu verfestern,
und zu lohnen Müh' und Fleiß,
Jetzt die Schaar der Schwestern.
Preis und jedes Dankes Zoll
Ihnen, die das Streben
Unsres Bundes anmutsvoll
Weihen und erheben!
Wenn in heitrer Stunden Flucht
Freuden ihnen lachten,
Ist's allein des Segens Frucht,
Den sie selbst uns brachten.
[129]
Und so sehn wir mit der Zeit
Enger uns verflochten,
Als in Tagen, scherzgeweiht,
Wir es ahnen mochten.
Lebe drum der gute Geist,
Der bis diese Stunde
Frisch und kräftig sich erweist
Unsrem Freundesbunde!
Leb' auch dieser gute Tag,
Der im Jahreskreise
Immer neu uns grüßen mag
In der alten Weise!
Und zuletzt? Kein Wie und Wo?
Kommt, das Glas zu heben!
Brüder, Schwestern, laßt uns froh,
Laßt uns Alle leben!
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Ein reicher Mann aus Haßlau hat sein verklausuliertes Testament mit aberwitzigen Auflagen für die Erben versehen. Mindestens eine Träne muss dem Verstorbenen nachgeweint werden, gemeinsame Wohnung soll bezogen werden und so unterschiedliche Berufe wie der des Klavierstimmers, Gärtner und Pfarrers müssen erfolgreich ausgeübt werden, bevor die Erben an den begehrten Nachlass kommen.
386 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro