Herbstwanderung

[117] Seit die Reben unterm Laube

Mit dem letzten Duft verblüht,

Hat der Sommertag die Traube

Schon mit goldner Kraft durchglüht.

Und der Herbst mit tausend Farben

Schmückt die Ufer und das Land;

Ei, wer mag am Feste darben?

Schnell den Wanderstab zur Hand!


Denn zum Fest geht jede Straße,

Die uns führt zum schönen Rhein,

Der sein Gut in vollem Maße

Prangen läßt im Sonnenschein.

Da ist hellres Jugendfeuer,

Als der Frühlingssonn' entsprießt,

Wenn der Herbst zu ewig neuer

Freude seinen Quell erschließt.


Schönster Quell, vom Sonnenkusse

Stark und wunderbar durchglüht!

Segen deinem goldnen Flusse,

Dem die Welt verklärt erblüht![118]

Und für all das Glückverschwenden,

Das uns Fest zu Festen reiht,

Segen dir und Liederspenden,

Wundervolle Herbsteszeit!


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 117-119.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Der Tag Von St. Jakob: Ein Gedicht (German Edition)