Mein Singerbub

[136] 1871.


Das war mein fröhlicher Singerbub,

Krausblond und achtzehn Jahr!

Wie glänzend sich sein Aug' erhub,

Wenn sein Lied mir zu Danke war!

Und gab's einen Hader, ward trüb sein Sinn;

Zum Alten zog's ihn doch wieder hin,

Bis Gesang und Gemüth ihm klar.


Da kam's über'n Rhein mit Kriegsgeschrei,

Gen Frankreich stand Alles in Wehr.

Mein Singerbub war auch dabei,

Zu kämpfen für Freiheit und Ehr!

Die Kugeln pfiffen durch manche Schlacht,

Von Liedern träumt er in kalter Nacht

Zu fröhlicher Wiederkehr.


Sie kamen, begrüßt von Jubelgeschrei,

Als Sieger zum heimischen Herd,[137]

Mein Singerbub war nicht dabei,

Der liegt nun in fremder Erd.

Der träumt nicht mehr von Liedern und Lust,

Der sank, noch eh er im Herzen gewußt

Wie Hoffen und Glück sich verkehrt.

Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 136-138.
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