Ludwig Rubiner

Konjunkturbuben

[Klabund]

Dichter Klabund druckt zu Kriegsbeginn:


Mädchen, Eure Ehre

Schützen die Gewehre.

Hebt das Herz empor,

Kriegsfreiwillige vor!


Italiens Kriegsbeginn: K. höhnt in einer deutschen Zeitung den schmutzigen Italiener, in einer Schweizer Zeitung die Hindenburg-Andenken. Rußlands Revolution: K. druckt in einer Schweizer Zeitung einen Brief an den deutschen Kaiser; demokratisch – »Schattenkaiser, bitte Reformen!« Ob K. gleichzeitig in deutschen Blättern die Russen verhöhnt, steht nicht fest.

Nein, das ist kein Zeichen der Zeit. Dieses Schreibgeschäfte ist zeitlos wie die Lebensmittelschieber und die Mystiker. Nächstens werden uns vor lauter Zeichen wohl noch die Kriegsberichterstatter revolutionär kommen?

Millionenmal gemeiner als unser Feind, der es aus politischer Trägheit ist – gilt uns die revolutionäre Phrase. Der Jobber, der Agent, der Bankier, der Zuhälter, der Leichenfledderer – sie, die Kriegsbegeisterung markierten, wagen es mit frechem Kopf, nun an unser Ohr mit der revolutionären Phrase zu treten.

Aber wir vergessen nicht. Wir wissen, daß die Konjunkturbuben nur auf die nächste Gelegenheit lauern, sich beliebt zu machen; in öligster Gleichgültigkeit dagegen, um wessen Leben und Blut und Name und Dasein und Ehre es geht.

Eine Zeit, die solche Zeichen gebrauchen kann, ist ein Irrtum.

Verlaßt euch drauf: Wann es ernst wird, hält das Konjunkturtier das Maul. Und schon am plötzlichen Schweigen des ewig Quiekenden werdet ihr die Stunde erkennen.

Quelle:
Ludwig Rubiner: Der Dichter greift in die Politik. Leipzig 1976, S. 221.
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