Das gesellenstechen

[159] Als fünfzehundert jar

und achtunddreißig war,

nach liechtmess am mittwoch

ich nein gen Nürnberg zoch,

mein kram wider zu füllen,

und kam hin zum Wolf Rüllen[159]

mir pfenwert einzukaufen;

da wurt ein großes laufen

aus allen gaßn am mark

mit stül und benken stark.

ich sprach: was wirt da wern?

er sprach: ir secht es gern;

fürt mich hoch in ein gmach,

durch ein fenster ich sach

ein wolverschrankte ban,

zu der kam iederman

auf rossen, kerrn und wegen;

auf leitern, feßern, schregen

stunt volks ein große meng.

da war ein groß gedreng,

ein gschrei und laut getöß,

von rossen ein gestöß,

gar oft ein grüst einbrach,

ein schön purzeln man sach.

ringsweis am mark ich wol

sach alle fenster vol

von erbern man und frauen,

das ritterspil zu schauen;

all heuser stecktn vol innen,

auf dechern und auf zinnen

die leut rab schauen teten.

in dem ich ein trommeten

hört samt pfeifen und trummen;

oben her sach ich kummen

in hohem zeug acht frecher

gerüster krönleinstecher,

ie ein par mit einander,

köstlich gebutzt allsander,

neben iedem drei narren

loffen, auf in zu harren,

auch in sein farb bekleit.

vor iedem stecher reit[160]

ein gsell, wie sich gebürt,

und seinen spieß im fürt,

und zogen also her

ganz höflicher geber

in die verschrankten ban,

verhüt durch etlich man;

sie teten wenig prangen.

der schimpf wart angefangen;

ir ieder an der stet

seinen rüstmeister het,

der in schraubt aus und ein.

in dem da legt man ein,

und traf das erste par,

wie das loß gfallen war,

das ander, drit und viert;

darnach wurt erst turniert,

und war der nechst der best;

sie saßen stark und fest

und trafen wol und frei;

hie ritten zwen, dort drei,

als obs ein turnier wer,

machten vil settel ler;

die pfert die loffen schnell,

sie teten gschwinde fell;

wo eim (wie oft geschach)

etwas riß oder brach,

war er doch kurzer zeit

zum treffn wider bereit;

schonten einander nit,

sie teten weng felritt,

vil ledig fell sie machten;

die herren teten achten

auf die fell aller weis,

die man beschrib mit fleiß

oben auf dem portal;

der ganz mark oft erhal[161]

von manchem starken stos,

das beide man und ros

oft lagen auf der ban;

noch rittens wider dran,

als wer in nichtsen drum,

zu holen preis und rum.

sie triben tapfer zu

und hetten wenig ru,

sam wers in einem kampf,

das in der dunst und dampf

her aus den helmen drang.

als das nun weret lang,

und ser vil troffen hetten,

etlich pfert stutzen teten,

etlich schadhaftig wasen,

auf andre pfert sie sasen

und auf ein neues trafen

höflich und nit zu strafen.

auf ein ritten oft zwen,

die er frei tet besten,

ich sach kein zagen man;

zu lezt numens die ban

mit iren rossen kurz;

erst litt mancher ein sturz,

das im sein leib erkracht;

in dem fiel her die nacht.

als es die zeit begab,

da zogens wider ab

von irem ritterspiel,

das mir herzwol gefiel,

tet mich mit freud erfüllen.

da sprach ich zum Wolf Rüllen:

wer hat gestochen heut?

sint es fremd edelleut?

er antwort mir gar kön:

es sint hie burgers sön,[162]

die haben tun versprechen

zusam ein gsellenstechen.

ich sprach: wer richt sie an?

er sprach: das haben tan

ir vetter, so vor jaren

auch gute stecher waren,

dergleich ein erber rat

darin gefallen hat,

zu solchem ritterspil

gewendet kostung vil,

verordnet und versehen,

das kein schad sol geschehen,

noch vorteil brauchet wert

mit spieß, zeug oder pfert.

lob hab ein erber rat,

sprach ich, der löbling stat,

der solch kurzweil hilft meren;

dienet zu nutz und eren,

darauf ziehen ir sön,

zu werden reisig kön.

die stechr möcht ich wol kennen.

er sprach: ich wil dirs nennen,

wer heut gestochen hab.

Hans Stark war der in blab;

Sigmund Pfintzing war schön

geschmückt, rot, weiß und grön;

Wolf von Dill, schaut, derselb

fürt blau, weiß und halb gelb;

Marx Bucher von Leipzg stach

in gelb, grau, weiß; hernach

Jochim Bemer nach preis

ritt halb rot, blau und weiß;

Christof Fürer aufwarz

der stach in lauter schwarz

Gabriel Nützel schön

in halb rot, gelb und grön.[163]

Matthes Ebner, verstet,

blau und rot füren tet;

so heißen sie all acht.

ich fragt in mer und lacht:

wer hat den dank erjagt?

zu nacht heint, er mir sagt,

geit man den dank erst aus

oben auf dem rathaus,

dem besten den vortanz,

ein ring mit einem kranz,

und also nach einander,

verert man sie allsander.

ieden mit eim vortanz

und einem schönen kranz

tut sie die braut begaben,

der sie zu eren haben

gehalten das gestech.

urlaub nach dem gesprech

nam ich und gieng darvon.

die ganz fasnacht ich hon

kein tapfer kurzweil gsehen,

das lob tu ich in jehen

und wünsch, das dise acht

auf die künftig fasnacht

ir spieß wider zubrechen

in einem gsellenstechen

nach ganz höflicher weis,

das ir rum, lob und preis

bei gmeiner stat erwachs,

das wünschet in Hans Sachs.


Anno salutis 1538, am 8. tage Marci.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 159-164.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Spruchgedichte (Auswahl)
Meisterlieder, Spruchgedichte, Fastnachtsspiele
Spruchgedichte: Auswahl

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon