V, 27.

[124] Innocentia tritt auf.


INNOCENTIA.

Mir läßt es im Gemache keine Ruh'.

Ich hofft' auf ihn; doch trat er nicht herzu.

Ist ihm ein Leides widerfahren? –

O Gott, was muß ich da gewahren!

Ein Mensch in seinem Blut'?

Wer über ihm gelegen?

O mir versagt der Muth

Zu schauen, seinetwegen! –


Faustine erkennend und einen Zusammenhang sich zurechtlegend.


Faustine ist die Mörderin! –

Musarion ist für diese Erde hin. –

Regt sich in ihm kein Leben mehr,

Das in ihm pulste voll und hehr?

Ist seine Seele schon verflogen,

Die oftmals mich zur Höh' gezogen? –

Kalt die sonst lebenswarme Hand!

Gebrochen der beschwingt gewes'ne Blick!

Zerrissen unser Liebesband!

Vernichtet all mein Glück!


FAUSTINE die sich von der Leiche aufgerafft hat, zu Innocentia.

Du Echo meiner Klagen!

Versöhnt seh' ich dich an![124]

Ich hab' ihn nicht erschlagen.

Ein Schlimm'rer hat's gethan.


Zu Praktinski, der von hinter'm Baume her nahetritt.


Hast du für mich nicht auch die Todeswunde?

PRAKTINSKI.

Es schlug für dich noch nicht die letzte Stunde. –

Ein Selbstmord widerstritte unserm Bunde

Und führte früher dich zum Höllenbeben.


Furchterregend.


Du sollst noch leben!

FAUSTINE höchst schmerzlich.

Wie! Ach, wie?

O solches Elend fühlt' ich nie! –

Dazu bin ich an dich gerathen

Und nahm an meiner Seele Schaden! –

Schaff' fort mich von dem Schreckensort!

Und sprich ein mächtig Zauberwort,

Daß er bestattet werde

Sanft in der kühlen Erde!

PRAKTINSKI.

Zum Schaffen, das das Leid vergessen macht!

Du wirst vergnügt mit sein, sobald die Nacht im Glanze lacht.


Praktinski reißt Faustine mit sich fort.


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 124-125.
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